Public Shaming: Online-Pranger fördern Steuerehrlichkeit – mit Nachteilen
Studie der Universität Hohenheim zur verbesserten
Steuerehrlichkeit durch soziale Anreize wie Public Shaming / Sozialer
Pranger effektiv – aber wohlfahrtsökonomisch fragwürdig
Steuerschulden sind nicht nur ärgerlich – sie können auch
schwerwiegende Folgen haben wie die Staatsschuldenkrise seit 2010 in
Griechenland beweist. Doch das Eintreiben fehlender Steuergelder ist
teuer und aufwendig. Als kostengünstig und leicht umzusetzen
präsentieren sich Alternativen wie das zum Beispiel in Slowenien
geprobte „Public Shaming“: ein sozialer Pranger, der
Steuerschuldner namentlich auflistet und von allen online eingesehen
werden kann. Richtig eingesetzt kann das Instrument hilfreich sein –
so die Ergebnisse eines Forschungsprojektes der Universität
Hohenheim in Stuttgart, für das die Universität mit der
slowenischen Finanzbehörde kooperiert. Die Deutsche
Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt der Universität
mit insgesamt 217.360 Euro. Damit gehört es zu den Schwergewichten
der Forschung der Universität Hohenheim.
Der Pranger: Schon
damals im Mittelalter ein Mittel, um Schimpf und Schande über
einzelne Personen bis ganze Familien zu bringen. Und auch heute, im
digitalen Zeitalter, kann die Methode des Public Shamings erfolgreich
eingesetzt werden – zum Beispiel bei der Eintreibung von
Steuergeldern.
Im Jahr 2011 kündigte die slowenische
Regierung einen Online-Pranger für Steuerschuldner an. Seit März
2012 ist der Pranger einzusehen, jeden Monat aufs Neue. Prof. Dr.
Nadja Dwenger und Lukas Treber vom Institut für
Volkswirtschaftslehre untersuchten seit 2016, in Kooperation mit der
slowenischen Finanzbehörde, welche Auswirkungen die Androhung eines
Prangers und der tatsächliche Pranger auf die Zahlung von
Steuerschulden aus der Bevölkerung haben.
„Viele Staaten
nutzen bereits seit Jahren das Mittel eines sozialen Prangers“, so
die Expertin der Universität Hohenheim. „Beispielsweise bei der
Wasserverschmutzung in Südafrika, bei Sexualstraftätern in den USA
oder bei Temposündern in Australien. Empirische Daten, wie und ob
sich solch ein Pranger jedoch positiv auf das Verhalten von Bürgern
auswirken kann, fehlten bisher.“
Pranger effektiv
Der
Online-Pranger der Finanzbehörde sorgte in Slowenien für Aufsehen,
und die gesammelten Daten lieferten eindeutige Ergebnisse, so Prof.
Dr. Dwenger. „Unternehmen und Selbständige haben ihre
Steuerschulden aufgrund des Prangers deutlich reduziert.“
Hier
war es vor allem die Androhung des Prangers, die zu einer gehäuften
Zahlung von Steuerschulden geführt habe, so Prof. Dr. Dwenger
weiter. „Bei vielen Firmen und Selbständigen genügte schon die
Aussicht eines Public Shamings, um sie zum Handeln zu bewegen. Wer
zurückzahlen konnte, zahlte auch. Besonders Dienstleister, die in
engem Kontakt mit Endverbrauchern stehen, haben stark
reagiert.“
Über 5.000 Euro Schulden und länger als 90
Tage
Nicht jeder Steuerschuldner jedoch gelange automatisch
auf die Online-Liste, erklärt Prof. Dr. Dwenger. „Es musste für
länger als 90 Tage ein Steuerschuldenrückstand von mehr als 5.000
Euro vorliegen.“
So effektiv die Strategie des Public
Shamings auch ist – sie birgt Schwierigkeiten. „Viele
Steuerpflichtige haben im Vorfeld zur Gesetzeserlassung gezahlt, wenn
sie konnten“, erklärt die Expertin. „Und darin liegt auch ein
Problem: Denn nur wer er sich leisten konnte, zahlte. Als Resultat
stehen eher Unternehmen mit Finanzierungsschwierigkeiten auf den
öffentlich einzusehenden Listen. Die öffentliche Liste ist
natürlich nachteilig für ihre Reputation, und somit auch für den
Betrieb und mögliche zukünftige Aufträge.“
Ein weiteres
Problem: Um dem Public Shaming zu entgehen, zahlten viele Firmen aus
Angst vor möglichen negativen geschäftlichen Konsequenzen. Und
konnten anstehende Rechnungen nicht bezahlen. „Wohlfahrtsökonomisch
kann ein Pranger einer Ökonomie so auch Schaden zufügen.“
Sozialer
Druck als wichtiger Faktor zur Steuerehrlichkeit
Online
Pranger erfreuen sich bei den Steuerbehörden dennoch großer
Beliebtheit, um Bürgerinnen und Bürger zu Steuerehrlichkeit und
Steuerzahlungen zu bringen, so die Hohenheimer Expertin. „Ein
gewisser sozialer Druck ist ein wichtiger Faktor bei der
Steuerehrlichkeit. Außerdem geben die Online-Listen den
Steuerbehörden ein kostengünstiges Werkzeug in die Hand, das –
richtig eingesetzt – funktioniert.“
Zum einen sollten
Betroffene genug Zeit für die Zahlung ihrer Steuerschulden haben.
Zwischen der Bekanntmachung und Durchsetzung der Gesetze sollte
demnach ein entsprechend angemessener Zeitraum liegen.
Jährliche
Public Shaming-Listen halten abschreckende Wirkung aufrecht
Außerdem
muss nicht wie in Slowenien jeden Monat eine öffentliche Liste der
Steuerschuldner erscheinen. „Als der Online-Pranger veröffentlich
wurde, schossen die Klickzahlen durch die Decke: Knapp 1 Mio. pro Tag
besuchten die Listen, also im Schnitt fast jeder zweite Einwohner
Sloweniens. Bereits in den nächsten Monaten sanken die Zahlen auf
knappe 100.000 pro Tag.“
Eine Liste pro Jahr hätte zwei
Vorteile. Zum einen würde sie Steuerschuldnern genug Zeit geben,
ihre Schulden zu zahlen. Zum anderen wäre sie dauerhaft ein
stärkeres Instrument. „Derzeit veröffentlicht die Finanzbehörde
in Slowenien jeden Monat eine Public Shaming-Liste“, erklärt Prof.
Dr. Dwenger. „Das Interesse oder die abschreckende Wirkung des
Prangers verlor sich bereits in wenigen Monaten. Ein jährlicher
Pranger würde seine abschreckende Wirkung länger
behalten.“
HINTERGRUND: Projekt „Die Bedeutung von
öffentlichen Informationen für die Steuerehrlichkeit von
Unternehmen und Individuen“
Das Forschungsprojekt startete
im April 2016 und wird im März 2020 enden. Die Deutsche
Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert das Projekt der Universität
mit insgesamt 217.360 Euro. Für das Forschungsprojekt kooperiert die
Universität Hohenheim mit der slowenischen
Finanzbehörde.
HINTERGRUND: Schwergewichte der
Forschung
33,1 Millionen Euro an Drittmitteln akquirierten
Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2017 für Forschung und
Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der
Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen
Volumen von mindestens 250.000 Euro für apparative Forschung bzw.
125.000 Euro für nicht-apparative Forschung.
Text: C. Schmid
Florian Klebs Hochschulkommunikation
Universität
Hohenheim
Mitteilung des idw – Informationsdienst Wissenschaft am
17.01.2019
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