Kathrin Gerlof: Nenn mich November
Donnerstag | 17. Januar 2019 | 19:30 Uhr
Marthe und David befinden sich im freien Fall und
müssen Privatinsolvenz anmelden. Notgedrungen ziehen sie an den Rand
eines Dorfes in ein gerade noch bewohnbares Haus, das David geerbt hat.
Selbst das Internet macht einen Bogen um die
Gegend. Das Dorf – umzingelt von genmanipulierten Maisfeldern für
Biogasanlagen – scheint seine Seele verloren zu haben. Die Bewohner
überlassen es zwei Großbauern, ihre Angelegenheiten zu regeln. Als in
ehemaligen Zwangsarbeiterbaracken Flüchtlinge untergebracht
werden, zieht mit ihnen Verunsicherung ins Dorf. Marthe, geduldete
Außenseiterin und unablässig auf der Suche nach den schlimmsten aller
Nachrichten, erlebt, wie die Lethargie weicht. David jedoch verstummt
mehr und mehr, und eines Abends liegt ein Zettel
auf dem Küchentisch.
Bürgerhaus / Stadtbibliothek Nordhausen I Lesesaal
Eintritt: 10 Euro
[Fotos: Kathrin Gerlof]
Steffen Mensching: Schermanns Augen
Donnerstag | 31. Januar 2019 | 19:30 Uhr
Der Intendant des Rudolstädter Theaters ist in
Nordhausen bekannt. Im Sommer 2018 erschien sein Gulag-Roman mit
deutschen und österreichischen Protagonisten. Dieser Roman ist eine
Rückschau ins Wien der zwanziger Jahre. Ein Roman, der ins
Zentrum des 20. Jahrhunderts führt. Zwölf Jahre hat Steffen Mensching
an seinem opus magnum gearbeitet, es ist ein großer Wurf geworden.
Eben noch war Rafael Schermann in der Wiener
Caféhaus-Szene ein bunter Hund, bekannt mit Gott und der Welt von Adolf
Loos, Oskar Kokoschka, Magnus Hirschfeld bis zu Else Lasker-Schüler,
Herwarth Walden, Ehrenstein, Döblin, Bruckner, Eisenstein,
Stanislawski, Piscator… Selbst der scharfzüngige Karl Kraus erhoffte
sich von Schermanns graphologischer Begabung beim Deuten von
Briefhandschriften entscheidende Hilfe in seinem Liebeswerben um Sidonie
Nádherný…
Und jetzt landet dieser schillernde Mann völlig
abgerissen und todkrank als Gefangener am Ende der Welt, hundertfünfzig
Kilometer östlich von Kotlas an der Bahntrasse nach Workuta im Lager
Artek. Sofort zieht einer, der aus Handschriften
Vorhersagen ableiten kann, außerordentliches Interesse auf sich, ob nun
das des Lagerkommandanten (selbst der kann nicht sicher sein, ob er
morgen Chef eines größeren Lagers sein oder man ihn erschießen wird)
oder dass seiner Mitgefangenen, »achthundert Männer,
zweihundert Frauen. Eine echte sowjetische Großfamilie… jeder weiß
alles vom anderen und wünscht ihm die Krätze an den Hals.« Und dann
behauptet Schermann noch, kein Russisch zu können, und beansprucht einen
Übersetzer.
Steffen Mensching stellt ihm den jungen deutschen
Kommunisten Otto Haferkorn an die Seite. Das ungleiche Paar, mal Herr
und Knecht, mal Don Quijote und Sancho Pansa, kämpft ums Überleben unter
brutalen, absurden Verhältnissen im mörderischen
Räderwerk des zwanzigsten Jahrhunderts.
Bürgerhaus / Stadtbibliothek Nordhausen | Lesesaal
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