Mittwoch, 11. Januar 2017

Berufseinsteiger und Geringqualifizierte haben höheres Risiko der Scheinselbständigkeit

Berufseinsteiger und Geringqualifizierte befinden sich häufiger in einem scheinselbständigen Vertragsverhältnis als andere Erwerbstätige. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.

Erwerbstätige unter 25 Jahren haben ein sechs Prozent höheres Risiko, scheinselbständig zu sein, als eine Vergleichsgruppe von 35- bis 44-Jährigen. Das Fehlen eines beruflichen Abschlusses erhöht das Risiko einer scheinselbständigen Beschäftigung um drei Prozent. Bei Personen, die zuvor arbeitslos waren, steigt mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit das Risiko einer scheinselbständigen Beschäftigung um etwa ein Prozent je Jahr der Arbeitslosigkeit. Personen mit Migrationshintergrund weisen ein zwei Prozent höheres Risiko auf, scheinselbständig zu sein, als Personen ohne Migrationshintergrund. Auch Frauen haben im Vergleich zu Männern ein zwei Prozent höheres Risiko, eine scheinselbständige Erwerbstätigkeit auszuüben.

„Erwerbstätige mit ungünstigeren Arbeitsmarktvoraussetzungen üben mit höherer Wahrscheinlichkeit eine scheinselbständige Beschäftigung aus als andere Erwerbsgruppen“, schreiben die IAB-Arbeitsmarktforscher Hans Dietrich und Alexander Patzina.

Scheinselbständig Beschäftigte erzielen durchschnittlich niedrigere Erwerbseinkommen als Personen, die vergleichbare Tätigkeiten entweder als regulär Selbständige oder in abhängiger Beschäftigung ausüben. Die Einkommensdifferenz beträgt rund 20 Prozent gegenüber abhängig Beschäftigten und 22 Prozent gegenüber Selbständigen.

Der IAB-Studie zufolge waren im Jahr 2014 rund 235.000 Erwerbstätige im Hauptgewerbe als potentiell scheinselbständig Beschäftigte einzustufen. Die Einschätzung basiert dabei auf dem sogenannten Bundesarbeitsgericht (BAG)-Modell, das sich an der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte auf Länder- und Bundesebene orientiert.

In einer früheren IAB-Studie wurden bezogen auf das Jahr 1995 rund 170.000 Erwerbstätige als potentiell scheinselbständig Beschäftigte im Hauptgewerbe eingestuft. „Bei der Bewertung der Befragungsbefunde ist die deutlich gestiegene Zahl der Erwerbstätigen insgesamt sowie insbesondere die steigende Zahl der Solo-Selbständigen zu berücksichtigen“, so Dietrich und Patzina. Der Zuwachs der Zahl scheinselbständig Beschäftigter bleibe klar hinter dem Anstieg der Zahl der Solo-Selbständigen zurück.

Deutlich gesunken ist die Zahl der von den Forschern als potenziell scheinselbständig eingestuften Nebentätigkeiten. Sie ist von 329.00 im Jahr 1995 auf 158.000 im Jahr 2014 zurückgegangen.

Die Studie beruht auf einer telefonischen Befragung von 4.500 Personen, die aus insgesamt 33.000 kontaktierten Personen ausgewählt wurden. 1.500 der 4.500 telefonisch befragten Personen befanden sich in der Grauzone aus abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, die übrigen 3.000 Befragten bildeten die Vergleichsgruppen der Selbständigen und abhängig Beschäftigten.


Weitere Informationen:
http://doku.iab.de/kurzber/2017/kb0117.pdf

Wolfgang Braun Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)
Mitteilung des idw - Informationsdienst Wissenschaft am 10.01.2017

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