Um es vorweg zu nehmen: ich habe (natürlich) eine Auffassung dazu, eine sehr klare sogar, nur sind mir da in jüngster Zeit Meinungen begegnet, die ich ernst nehme und mir gerade deshalb diese Frage aufdrängen.
Um mit meiner Überlegung auf der untersten, der Lokalebene zu beginnen, müsste die Frage eigentlich lauten: was erwartet der Leser vom Inhalt von Print- oder Internetzeitungen? Noch immer gibt es viele Leser, die an der gedruckten Zeitung festhalten, während andere nur noch das lesen, was ihnen im Internet neben Nachrichten und reinen Informationen an Themen angeboten wird.
Um also ganz banal im lokalen Bereich mit einem Beispiel zu beginnen: am Dienstag fand im Kreistag die Vereidigung der neuen Landrätin Birgit Keller (Linke) und anschließend die Verabschiedung des Altlandrats Joachim Claus und die Glückwunschcour für Birgit Keller statt. Ich erwartete darüber einen Bericht der Pressereferentin des Landratsamtes, nachdem diese den gesamten Verlauf der Veranstaltung dominiert und mit der Kamera festgehalten hatte. Bis heute sah ich zwar einige Bilder in der Internetzeitung als Ergebnis, aber keinen Bericht. Ich will das so im Raum stehen lassen.
Nun wurde im Rahmen der Verabschiedung des Altlandrats durch den NUV Joachim Claus zum Ehrenmitglied des Unternehmerverbandes ernannt. Zumindest darüber hätte ich selbst gern einen Ausschnitt betextet, nur war mir für ein Bild die Sicht genommen. Getröstet wurde ich in einem anschließenden Gespräch mit dem Hinweis: „Das interessiert aber doch niemanden“. Ist dem so? Genügt es also heute, einige Bilder ins Netz zu stellen und es dem Betrachter zu überlassen, sich bei Interesse einen Reim darauf zu machen? Sei noch bemerkt, dass der Redakteur der hier erscheinenden Printzeitung zu diesem Teil der Veranstaltung schon gar nicht mehr da war, also wohl schon da kein Interesse angenommen wurde.
Und dieser Umstand lässt mich nun auf Vorgänge bei dieser Zeitung kommen – gemeint ist natürlich die „Thüringer Allgemeine“ - die zu erheblicher Unruhe unter den Redakteuren führte. Die „taz“ berichtete in mehreren Artikeln über die Unzufriedenheit in den Redaktionen mit dem Führungsstil und Konzeptänderungen des Chefredakteurs Paul-Josef Raue. In einem Brief an ihn beklagten sich darüber Anfang Juni etwa 80 Redakteure. In einem Interview der „taz“ mit Raue bestritt dieser allerdings Zerwürfnisse der behaupteten Art und erläuterte gleichzeitig die von ihm veranlassten konzeptionellen Veränderungen. Interessant im Zusammenhang mit meinen oben erwähnten Überlegungen fand ich dabei seine Antwort auf die Frage Und wie lautet Ihr Rezept für eine Regionalzeitung.. .?: Viele Chefredakteure wissen, dass sie unterschiedliche „Kunden“ haben – nicht nur die Redakteure, sondern vor allem die Leser. Und die Leser werden immer anspruchsvoller, wollen Qualität in ihrer Zeitung, gerade auch im Lokalteil. Sie wollen exzellent erzählte Geschichten und gut recherchierte Nachrichten, sie erwarten den gleichen Tiefgang im Lokalen wie in Berichten über Griechenland. Da wollen wir hin . . .“ ( „taz“-Interview vom 27.06.12).
Wenn diese Aussage Raues zu den Ansprüchen der Leser stimmt – und er muss es eigentlich wissen - dann ist das auch eine verlässliche Antwort auf meine Überlegung. Zwar kann man entgegnen, dass dies auf eine gedruckte Zeitung zutreffen mag, nicht aber auf eine Internetzeitung, was den Anspruch der Leser betrifft. Dazu aber kann ich den neuen Chef der „Frankfurter Rundschau“, Arnd Festerling zitieren, der bei seiner Vorstellung am 28.06. folgendes betonte:
Was wir tun und weiter tun werden? Wir begleiten kritisch und unabhängig nicht nur die große Politik, wir behalten nicht nur die Wirtschaftsbosse in den Vorstandsetagen im Auge, sondern wir beobachten und beurteilen auch die Magistrate, die Stadtparlamente, die Ortsbeiräte mit den Augen des Bürgers, unserer Leserinnen und Leser. Diese Kontinuität verspreche ich Ihnen gemeinsam mit Chefredakteur Rouven Schellenberger, der sich künftig vor allem um die Vermittlung und Verbreitung der Rundschau-Inhalte in den digitalen Medien kümmern wird, in unserem Online-Auftritt und in der herausragenden und preisgekrönten App für Tablet-Computer. Und ich verspreche Ihnen, dass wir in Bewegung bleiben, dass wir uns jeden Tag bemühen, eine Zeitung zu machen, einen Online-Auftritt oder eine App, die ein bisschen besser sind, ein bisschen interessanter und ein bisschen spannender als die von heute.(Ende des Auszugs)
Und genau das verstehe ich unter heutigem Qualitätsjournalismus auch und gerade im Internet. Der dortige Spielraum ist unendlich groß. Gerade deshalb sollte er meines Erachtens nicht ins Beliebige absinken, sondern Anspruch bieten, vermitteln und Anreize schaffen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen