Montag, 30. Juli 2012

Keine Empfehlung für die Organspenden-Bereitschaft


Am 15. Juni las man u.a. bei Spiegel.online, dass die Organspendereform die letzte Hürde (Abstimung im Bundesrat) genommen habe. Und sich die Menschen in Deutschland künftig stärker mit dem Thema Organspende befassen sollen.

Und sie befassen sich stärker damit – spätestens seit kürzlich bekannt wurde, dass ein Mediziner am Universitätsklinikum Göttingen im großen Umfang Krankenakten gefälscht haben soll, um ausgewählten Patienten eine Spenderleber zu verschaffen.

Dass dies möglichst aufsehenerregend geschah, dafür sorgten schon die Medien, die allein durch die Wahl des Begriffes „Organspendeskandal“ (statt richtig „Wartelisten-Skandal“) den Eindruck erweckten, als handele es sich um die Gesamtproblematik Organspende. Und die dazu führte, einen „schweren Vertrauensverlust“ für die Transplantationspraxis auszulösen, wie der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, in der „Passauer Neuen Presse“ beklagte. Und dabei feststellt, dass vor allem die Klinikträger in besonderer Verantwortung stehen, um Vorgänge, wie sie jetzt in Göttingen offenkundig wurden – wo inzwischen zwei Ärzte in Verdacht stehen – zu unterbinden.

Spätestens hier darf und muss betont werden, dass es sich bei diesen Vorgängen in Göttingen prinzipiell um Einzelfälle handelt, die im Grunde nichts mit Organspende und Transplantation im medizinischen Sinne zu tun haben, sondern sich allein auf die Bedürftigkeit der Patienten bezieht. „Bei dem Skandal in Göttingen wurden offenbar Laborwerte verfälscht", sagte etwa Hans Lilie, Chef der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer. "Daher verfolge ich die Idee, dass ein Laborarzt die Daten, die Eurotransplant geschickt werden, noch einmal prüfen sollte", sagte Lilie der „Welt". Nach den bisherigen Erkenntnissen soll der Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie Patienten auf dem Papier kränker gemacht haben, als sie sind, damit sie schneller eine Spendeleber zugeteilt bekamen. Was allerdings schlimm genug ist, ist jeder Patient doch von der absolut korrekten Art und Weise der Behandlung durch den verantwortlichen Arzt abhängig. Der 45-jährige Arzt ist inzwischen suspendiert, die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt gegen ihn wegen Bestechlichkeit.

Ich denke, diese Feststellung ist nötig, schon weil in diesem Jahr die Bürger von ihrer Krankenkasse erstmals schriftlich über die Organspende informiert und zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert werden sollen; und ein Organspendeausweis gleich mitgeschickt wird. Auch die Behörden werden bei der Ausgabe von amtlichen Ausweisen Infomaterial mit auf den Weg geben. Dadurch soll erreicht werden, die Zahl der Spenderorgane zu erhöhen.

Ob und wie sich der Skandal in Göttingen auf die Spendenbereitschaft der Menschen wirklich auswirken wird, können die Ärzte nur vermuten. „Wir haben immer den Eindruck, dass negative Schlagzeilen die Bereitschaft zur Organspende mindern", sagt der Frankfurter Chirurg Bechstein. „Wir spüren das aber nicht unmittelbar." In drei Monaten, so Bechstein, könne man bewerten, ob der Göttinger Skandal dafür sorgt, dass noch weniger Menschen als bisher zur Organspende bereit sind.
Und die Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Elisabeth Pott, äußerte „Es ist schlimm und bedrückend, was da passiert ist.“ Das Thema Organspende sollte jetzt aber nicht beiseitegeschoben werden. „Jeder sollte besonnen darüber nachdenken, dass die Bereitschaft zur Organspende vielen todkranken Menschen helfen kann, zu überleben." Derzeit warteten in Deutschland etwa 12.000 Menschen auf ein Spenderorgan.
Und noch einmal Frank Ulrich Montgomery, der meint, es werde schwer sein, das verlorene Vertrauen wieder herzustellen. „Gegen eine absolute kriminelle Energie ist aber eigentlich kein Kraut gewachsen“, sagte er der F.A.S am Freitag. Er sprach sich für härtere Konsequenzen für die Ärzte aus. Dazu gehöre auch eine Entziehung der Approbation. „Leider ist das nicht in unserer Hand. Dafür sind staatliche Instanzen zuständig, und die sind eher ängstlich.“ Den Entzug der Approbation forderte auch Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion. Wenn die Göttinger Fälle keine schweren Konsequenzen haben sollten, solle man in der Koalition überlegen, ob man die Transplantation nicht in staatliche Hände geben müsse. Ob das die Lösung sein könnte, bliebe abzuwarten.

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