Tradition und Reform in katholischer Sicht
Kardinal Marx bei der Jahrestagung des Internationalen Rates der
Christen und Juden
Für
ein vertieftes Verständnis der Begriffe Tradition und Reform hat der
Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx,
heute (3. Juli 2017) in
Bonn geworben. Bei einem Impulsvortrag anlässlich der Jahrestagung des
Internationalen Rates der Christen und Juden sagte Kardinal Marx, dass
mancher mit dem Begriff „Tradition“ die katholische Kirche verbinde, mit
dem Begriff „Reform“ die evangelische Kirche
– doch gehörten beide Begriffe zu beiden Konfessionen. „Die Polemik der
Reformationszeit und die Apologetik der vergangenen fünf Jahrhunderte
bieten auf katholischer ebenso wie auch evangelischer Seite reiches
Anschauungsmaterial für diese Entgegensetzung
von Tradition und Reform“, so Kardinal Marx. Dabei sei die Geschichte
des Gottesvolkes immer eine Geschichte des Aufbruchs: „Sie erinnert uns
in der Gegenwart an das, was vielleicht vergessen wurde. Gerade deshalb
sind Tradition und Reform Aussagen, die für
die Kirchen gleichermaßen gelten wie für andere gesellschaftliche
Gruppen.“
Wer
sich mit Tradition und Reform befasse, müsse dabei auch die anderen
Religionen in den Blick nehmen. Das habe sich für die katholische Kirche
in ihrer Auseinandersetzung
mit dem Judentum gezeigt. Durch das Zweite Vatikanische Konzil sei der
Dialog positiv aufgebrochen. Ohne den Bezug zum Wort Gottes gebe es
keine akzeptable Grundlage für einen Dialog zwischen den Religionen.
Kardinal Marx fügte hinzu: „Eine Glaubensgemeinschaft,
die nicht kritisch mit ihrer eigenen Geschichte umgeht, ist
dialogunfähig.“
Kardinal
Marx unterstrich die jüdisch-christliche Tradition, in der Glaube als
Weg verstanden werde. „Es ist der geschichtsmächtige Gott, der eingreift
in die Welt
und ein Volk findet. Die Offenbarung Gottes ist daher nichts anderes
als die Kommunikation Gottes mit seinem Volk. Wir haben heute den
Auftrag – als Christen und Juden – das Zeugnis der Offenbarung lebendig
zu halten. Dabei müssen wir uns vergegenwärtigen:
Die Kirche schafft Tradition, die Heilige Schrift ist Teil der
Tradition.“ Die katholische Kirche habe daher ihr Verständnis von
Tradition im vergangenen Jahrhundert theologisch weiterentwickelt und
auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil neu bestimmt. Sie sehe
Tradition als einen dynamischen Prozess oder biblisch gesprochen als
Glaubensweg in der Geschichte. Kardinal Marx betonte: „Glaube ist vor
allem eine bestimmte Lebenspraxis, ist Weggemeinschaft mit Gott. Diesen
Weg mit Gott geht man nicht allein, sondern in
der Gemeinschaft mit anderen, eben als Volk Gottes.“
In
seinem Impulsvortrag erinnerte Kardinal Marx an konkrete Schritte der
Verknüpfung von Tradition und Reform. Die Frage nach der verbindlichen
Tradition könne nur
in einem Prozess kirchlicher Kommunikation geklärt werden. Denn wie die
Schrift seien auch die Dokumente der Tradition nicht eindeutig und
bedürften der Auslegung. Kardinal Marx nannte die jüngsten
Bischofssynoden zur Ehe- und Familienpastoral als instruktive
Beispiele für die kirchliche Suche nach der verbindlichen Tradition.
Bei einem solchen kirchlichen Kommunikationsprozess, wie er sich in den
Bischofssynoden verdichtet habe, komme dem Amt die Aufgabe zu, die
Einheit der Kirche zu wahren und zu fördern.
Die
Auseinandersetzung mit Tradition und Reform sei immer ein
kommunikativer Prozess. „Wir müssen uns gegenseitig erklären, wie wir
den Weg verstehen. Dann kann Dialog
gelingen“, so Kardinal Marx. Für ihn sei das Wort des hl. Augustinus
prägend, der geschrieben hat: „Wer liebt, bricht auf.“ Das sei ein Weg
für Juden und Christen, immer wieder neu zum gemeinsamen Suchen
aufzubrechen. „Reformen sind Teil der Tradition der
Kirche. Die katholische Kirche ist beides: eine Kirche der Tradition
und eine Kirche der Reform. Sie will und muss eine Kirche der Reform
sein, weil sie eine Kirche der Tradition ist“, so Kardinal Marx.
Hintergrund
Der
Internationale Rat der Christen und Juden ist ein Zusammenschluss von
40 nationalen Organisationen, die den christlich-jüdischen Dialog
pflegen. Die größte Mitgliedsorganisation
ist der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für
christlich-jüdische Zusammenarbeit. Die Jahrestagung findet vom 2. bis
5. Juli 2017 in Bonn statt.
Hinweis:
Bereits
gestern (2. Juli 2017) hat Kardinal Marx bei der
Eröffnungsveranstaltung ein Grußwort gesprochen, dass als pdf-Datei
unter
www.dbk.de verfügbar ist.
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