Die wird eher durch den Besuch der Vernissage und der Ausstellung und deren Berichte dazu erreicht (wenn sie denn kommen), wenn man schon den Künstler selbst nicht (mehr) kennt. Eine Vorstellung von ihm, seinem Leben und seinem Schaffen vermittelte schon zuvor in verschiedenen gleichartigen Ausstellungen Dr. phil. Cornelie Becker-Lamers, als ausgewiesene, profunde Kennerin des Künstlers Philip Oeser. Ich erinnere mich an eine ihrer Laudatien aus dem Jahr 2014 (im Museum Flohburg) in der sie u.a. ausführte:
„Philip Oeser kam hier zur Welt, besuchte die Schule, absolvierte, soweit die Zeitläufte es ihm gestatteten, hier eine Ausbildung und machte in den Zeichenschulen von Martin Domke und Renate Niethammer auf sein künstlerisches Talent aufmerksam.
Und
weiter: Er kam noch einmal nach Nordhausen zurück, um ein zweites
Leben zu beginnen, im Alter von 30 Jahren, nach dem Studium in Weimar
und Westberlin, als freischaffender Künstler, nach dem schrecklichen
Schicksalsschlag des Todes von Sohn und Ehefrau bei der Geburt des
ersten Kindes. Dieses traumatische Erlebnis, das noch Jahrzehnte
später in Oesers Kunst seine Spuren hinterläßt, zerschlägt dem
jungen Mann nicht nur seinen gesamten privaten Lebensentwurf, sondern
nimmt ihm auch für ein Dreivierteljahr die Möglichkeit zu arbeiten.
"Der Selbstmord nimmt einem nicht nur das Leben, sondern auch
den eigenen Tod", notiert er in sein Tagebuch: Er spielt mit dem
Gedanken an den Freitod und entkommt ihm nur aus unterschiedlichen
Überlegungen heraus. Die Tagebücher aus dieser Zeit, Juli 1959 bis
März 1960, hat Oeser vernichtet. Selbst seine zweite Frau weiß
wenig über diese Zeit, wir wissen nur, daß er im Frühjahr des
folgenden Jahres, März 1960, so langsam wieder in der Lage ist zu
arbeiten.
Mit
Helmut Müller kam 1959 also ein junger Mann nach Nordhausen, in
seine Heimatstadt zurück, der bereits auf die "Trümmer"
seiner Biographie zurückblicken mußte. Bei der Rückkehr nach
Nordhausen geht es um nichts Geringeres, als das Leben neu
wiederzufinden. Am 22. Januar 1961 notiert er in Nordhausen in sein
Tagebuch: "Freitag im Judenturm [dem ehemaligen Domizil der
Malschule Domke] gewesen, Trümmer der eigenen Vergangenheit zu
besichtigen. Alles zerschlagen, aufgebrochen." Und als er ein
halbes Jahr später, Anfang Juni 1961, Weimar besucht, notiert er:
"Weimar, nach 10 Jahren. Vor 10 Jahren (Juni 51) verließen M.
und ich diese Stadt [nach Westberlin],
die nun so klein und ruhig ist." Der 32jährige erinnert sich wie ein alter Mann, blickt auf sein Leben zurück.
Aber
stand die Rückkehr nach Nordhausen tatsächlich nur mit dem
Schicksalsschlag des Todes von Frau und Kind im Zusammenhang? Oesers
Tagebücher erwecken den Eindruck, auch sonst habe ihn wenig in
Westberlin gehalten. Außer mit Helmut Dittmann und Rainer Behrends,
so sagt Frau Müller-Krumbach, verband ihn keine Freundschaft mit den
Kommilitonen. Das mußte sogar die Staatssicherheit konstatieren. Bei
einer Einschätzung, ob Oeser als Reisekader von ihm restaurierte
Werke Dürers zu einer Ausstellung nach Basel begleiten sollte, heißt
es am 31. Mai 1974 in der Akte: "Verbindungen zur o.g.
Hochschule [HBK Charlottenburg] bzw. den ehemals dort Studierenden
[...] sind nicht bekannt." Oeser durfte reisen.
Das
mag genügen, um den Menschen und Künstler Philip Oeser allgemein in
Erinnerung zu bringen. Diesmal verband Dr. Cornelie-Lamers ihre
Ausführungen überwiegend mit ausgewählten Werken Oesers aus der
Ausstellung mit zahlreichen Verweisungen und Erläuterungen. Es
scheint mir deshalb wenig sinnvoll, ihre Ausführungen hier aus dem
Mitschnitt wiederzugeben, deshalb beschränke ich mich auf die
Anregung, die Ausstellung zu besuchen – was bis zum 27.08. möglich
ist – oder an einer der sicher folgenden Führungen von
Kunsthistorikerin Susanne Hinsching teil zu nehmen, deren Termine
noch bekanntgegeben werden.
Sei
schließlich noch bemerkt, dass die musikalische Umrahmung der
Ausstellung durch den Cellisten Matthias Weiker (Loh-Orchester) eine
ausgesprochene Bereicherung darstellte, für die sich Susanne
Hinsching auch entsprechend bedankte. Die in der Begrüßung der
zweiten Frau Philip Oesers, Müller-Krumbach, der Laudatorin und
aller anderen Gäste hervorhob, dass Nordhausen doch eine ganze
Anzahl an Künstlern hevorbrachte und hier auch ein Zuhause hat. Ich
komme bei entsprechender Gelegenheit darauf zurück.
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