Bei digitaler Arbeit werden
Umweltressourcen geschont. Aber auch der Mensch braucht Schonung und
Schutz. So lese ich in der jüngsten Ausgabe von „Publik“, dem
Printorgan von Ver.di, in dem sie sich für Arbeitnehmer stark macht,
die zu Hause oder unterwegs arbeiten. Nachdem das Notebook zum
tragbaren Büro, der Internetzugang quasi zum Nabel der Welt geworden
ist. Und weil damit angeblich die Erwartung des Arbeitgebers zu
ständiger Erreichbarkeit verbunden ist, meint Ver.di, sich für den
Schutz der Menschen einsetzen zu müssen, die sich durch diese
ständige Erreichbarkeit für die Firma belastet fühlen. Und diese
Belastung zunehmend depressiv macht, wie ein aktueller
Krankenkassen-Report ergab.
Einen Überblick über die Chancen und
Risiken des Internets für die Arbeitswelt hat sich nach dem
Ver.di-Bericht die Enquet-Kommission „Internet und digitale
Gesellschaft“ in dreijähriger Arbeit verschafft. Sie kommt jetzt
zu dem Ergebnis (Auszug): „Die Option, prinzipiell und überall
seiner beruflichen Tätigkeit nachgehen zu können, stellt die wohl
bedeutsamste und zugleich chancenreichste Veränderung dar, welche
digital vernetzte Berufstätigkeit von klassisch betriebsgebundener
unterscheidet.“(Endes des Auszugs).
Dazu nun wird in dem erwähntem
Krankenhaus-Report festgestellt, dass bei einem Angestellten, der
häufig außerhalb der Arbeitszeit von seiner Firma kontaktiert wird,
das Risiko für eine Depression steigt (Link: http://www.welt.de/themen/depression/ ). Knapp sechs
Prozent der Angestellten gelten laut der DAK-Umfrage als ständig
erreichbar. Von ihnen leide jeder vierte an depressiven Symptomen.
Das ist die eine Seite der Medaille.
Dr. Walter Eichendorf, stv. Hauptgeschäftsführer der Deutschen
Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) meint dazu, dass die Frage der
Erreichbarkeit und die Vielzahl der Kommunikationskanäle heutzutage
zweifellos eine Herausforderung darstellt, der sich Unternehmen und
Beschäftigte gleichermaßen stellen müssten. Unternehmen sollten
deutlich machen, dass die gesetzlichen und betrieblichen Bestimmungen
zur Dauer der Arbeitszeit sowie zu den Ruhe- und Pausenzeiten
einzuhalten sind." Sinnvolle und eindeutige Regelungen zur
Erreichbarkeit und Handlungsfähigkeit helfen deutlich zu machen,
dass Beschäftigte nicht unter Druck geraten, ständig erreichbar zu
sein.
Aber nicht nur der Arbeitgeber ist bei der Vermeidung von Kommunikationsstress gefordert, so Eichendorf. "Wer im Büro arbeitet, hat heute neben dem Diensttelefon und dienstlichen E-Mail-Postfach häufig auch noch ein privates Handy dabei. Möglicherweise sogar ein Smartphone, auf dem er in sozialen Medien unterwegs ist." Es liege demzufolge auch in der Verantwortung jedes Einzelnen, abzuschalten und sich gezielt einer Aufgabe zuzuwenden.
Gerade das aber scheint ein zentrales Problem zu sein. Es waren ja nicht die Arbeitgeber, die bei Aufkommen des Handy von ihren Mitarbeitern ständige Erreichbarkeit zur Auflage machten. Es waren die ganz normalen Bürger, denen der Besitz eines Handys und danach auch der eines Notebooks gar nicht schnell genug gehen konnte. Und vielfach waren es die Arbeitnehmer, die damit überhaupt erst aus ihrem Besitzerstolz heraus ihren Chefs ihre Erreichbarkeit auch außerhalb der normalen Arbeitszeiten offerierten. Kein Wunder demzufolge, wenn sich Unternehmer diese Angebote zunutze machten. Heute so zu tun, als stünde man unter Druck der Unternehmer, hat sich ja wohl erst aus dieser Konstellation ergeben. Und ist meines Erachtens nicht ganz fair. Umso mehr, wenn ich erlebe, dass in Straßenbahn, am Kiesteich oder sonst bei jedweder Gelegenheit per Handy kommuniziert wird. Und dabei wohl am wenigsten mit dem Arbeitgeber. Von Pausen- oder Erholungszeiten vom digitalen Kommunizieren also keine Spur. Auch nicht im Urlaub, während dem man doch meint, die Verbindung nach Hause aufrecht erhalten zu müssen. Wenn dann von Stress und Depression gesprochen und darüber geklagt wird, sind ganz sicher nicht allein die Arbeitgeber mit der Erwartung permanenter Erreichbarkeit ihrer Mitarbeiter schuld. Dass die auch schon ganz allgemein bei Kindern zum Alltag gehört, sei am Rande bemerkt.
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