Donnerstag, 15. August 2013

Vereinsamung durchs Internet?

Die Leute sind heute wahnsinnig einsam, und das liegt meiner Meinung auch am Internet...“ meint Sex-Expertin Erika Berger in einem Interview mit der „Stuttgarter Zeitung“. Der Name weckt bei mir Erinnerungen an ihre ersten Auftritte im Fernsehen in den achtziger Jahren, nach Oswald Kolle damals ein absolutes Neuland für eine Aufklärer- und Beraterin in Sachen Erotik und Liebe. Sie brach mit ihrer Sendung „Eine Chance für die Liebe“ mit bis dahin mehr oder weniger beachteten Tabus und erntete dafür ebenso viel Kritik, wie sie – zunächst scheuen, dann aber zunehmend offenen – Beifall erhielt.

Und Erika Berger ist also nun der Meinung, das Internet führt zu Vereinsamung. Allerdings wohl nur, soweit es zwischenmenschliche Verhältnisse betrifft, denn von den Sozialen Netzwerken heißt es ja, im Durchschnitt kommuniziere jeder Nutzer mit 148 Freunden. Demgegenüber präzisiert Berger: „...Aus Angst vor weiteren Enttäuschungen suchen Singles lieber in der Anonymität des Internets einen neuen Partner.“ Und eigentlich muss sie es wissen. Ich kann da natürlich nicht mitreden, denn zwar lebe ich als Single, ohne allerdings als Ergebnis einer Enttäuschung. Und auch ohne je das Bedürfnis gehabt zu haben, über das Internet eine Partnerin zu suchen. Mir sind allerdings und natürlich die Werbungen von Partnervermittlungen im Netz bekannt, die es angeblich leicht machen, den „richtigen“ Partner zu finden. Vielleicht also will sich Frau oder Mann diese Suche nur leicht machen?
Erika Berger aber ist im Verlaufe eines Vierteljahrhunderts im Dienste von Erotik und Liebe noch etwas anderes aufgefallen, nämlich der zugenommene Körperwahn: „Es wird immer nackerter. Es geht nur noch um die Optik." Dabei verschwinde die Romantik, meint sie: „In den 80er Jahren waren noch nicht so viele Frauen brustoperiert wie heute. Heute wimmelt es von großen Busen, falschen Nasen und unechten Lippen. Und dann sind da überall Tattoos, wo man sie eigentlich nicht braucht“, stellt sie fest. Letzteres vor allem ist leicht nachzuvollziehen, vornehmlich an Badestränden, während ich ansonsten geneigt bin, ihr auch sonst Recht zu geben. Was Busen betrifft, weiß man ja spätestens seit den Skandal um Brustimplantate aus Billigsilikon um das Ausmaß an Brustvergrößerungen. Der „Spiegel“ zum Beispiel berichtete im Juni, dass den deutschen Gesundheitsbehörden allein seit Weihnachten 2011 mehr als 1000 Fälle von Billigbrustimplantat-Entfernungen gemeldet wurden. (Das teilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zuvor in Bonn mit.) Und die Zahl der nicht gemeldeten Entfernungen noch höher geschätzt wird. Ein Indiz für die Körperbetonung könnte auch die Zunahme der Fitness-Studios sein, die es vor allem in den Großstädten inzwischen fast an jeder Straßenecke gibt. Wird jedenfalls im Zusammenhang mit einer Studie der Techniker-Krankenkasse über die aktuellen Lebensgewohnheiten der Deutschen behauptet. Und da gibt es ersichtlich eine Diskrepanz: eine große Zahl von Leuten wird immer bequemer und dicker, und eine andere Gruppe strebt und betont umso mehr nach einem attraktiv-gutem Aussehen. Das dazu auch falsche Nasen und unechte Lippen gehören, wusste ich bisher allerdings nicht. Dass der erotischen und sexuellen Seite aber nach wie vor große Bedeutung zukommt, ist leicht zu erkennen, wenn man etwa in einem Artikel von Bascha Mika von der Wirkung gefrorener Erbsen in der weiblichen Vagina liest. Oder von einer Studie, nach der Frauen die Attraktivität von nackten Männern bewerteten. Wobei die Forscher eine erstaunliche Erkenntnis machten: Frauen achten bei der Wahl ihres Sexualpartners in starkem Maße auf deren Penislänge. Zu lesen in der „Frankfurter Rundschau“.

Was ich allerdings bei all dem vermisse, ist der intellektuelle, der geistige Anspruch, den man an sich selbst und einen möglichen Partner stellt. Ich weiß allerdings nicht, ob mir das früher schon auffiel, als ich die Ratschläge einer Erika Berger bestenfalls als zusätzliche Empfehlung oder Bereicherung aufnahm. Eine beachtliche und eigentlich schöne Erinnerung ist verblieben, während ich heute mehr bemüht bin, mir meine geistige Regsamkeit zu erhalten. Erika Berger ließ mir das mit ihrem Interview sehr bewusst werden. Übrigens: ich nutze viel das Internet. Einsam fühle ich mich dabei oder dadurch allerdings nicht.

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