Sonntag, 18. August 2013

Pflege im Zwielicht

Vor einigen Tagen berichtete die lokale Presse über die feierliche Grundsteinlegung eines Senioren- und Pflegeheimes in Werther. Ein Vorgang, der nach den Berichten entsprechend gewürdigt wurde, über den man sich unter sozialen Gesichtspunkten im Zuge der demografischen Entwicklung auch wirklich freuen könnte. 
Wenn da nicht zur gleichen Zeit in der überregionalen Presse Berichte erschienen wären, nach denen die Anti-Korruptions-Organisation Transparency International beträchtliche Ansatzpunkte für Korruption im gesamten deutschen Pflegebereich sieht. So konnte man etwa lesen: „Investoren für neue Pflegeheime werden...oft mit hohen Renditeversprechen gelockt. Der Deutsche Pflegeheim-Fonds etwa wirbt damit, dass ja die Mietzahlungen >durch das deutsche Sozialsystem abgesichert< seien. Es bestünden "nahezu keine Ausfallrisiken". Eine Investition in eine Pflegeheimimmobilie biete >gute Renditen bei überschaubarem Risiko< Und was die Vorgänge innerhalb einer solchen Einrichtung betrifft, ließ sich schon aus Berichten im Januar dieses Jahres entnehmen. Beispiel die „Welt“: „Misshandlungen, Demütigungen und Schläge gehören nach Einschätzung von Pflegekritikern in vielen deutschen Heimen zum Alltag – und das trotz regelmäßiger Kontrollen durch staatliche Heimaufsichten und Kassen.“ Und in der „Frankenpost war u.a. zu lesen (Auszug): „Gewalt gegen Senioren ist bei uns ein Thema. Ob sie steigt, können wir aber nicht belegen. Wir erheben auch keine Zahlen“, sagt Karl-Günther Theobald vom Opferhilfeverband Weißer Ring. Bei Übergriffen in Heimen oder auch durch ambulante Pflegedienste zu Hause spiele häufig die personelle Ausstattung und die Qualifikation eine Rolle. Es könne aber auch um Machtverhältnisse gehen. „Mancher will gegenüber einem schwächeren Menschen seine Macht ausleben“, sagte Theobald.“ (Ende des Auszugs).

Pflegebedürftige spielen auch in der Studie, auf die sich jetzt Transparency International beruft, die zentrale Rolle. In der „Süddeutschen las man dazu (Auszug): „Hohe Rendite locken Investoren in den milliardenschweren Pflegemarkt. Der ist so unübersichtlich und wenig kontrolliert, dass Korruption und Betrügereien kaum auffallen. Transparency International hat zusammengestellt, was mit ein bisschen krimineller Energie alles möglich ist.“ (Ende des Auszugs). Und in der „Frankfurter Rundschau“ ist zu lesen (Auszug): „Altenpflege ist systematischem Betrug Tür und Tor geöffnet. Zu diesem Ergebnis kommt die Anti-Korruptions-Organisation Transparency . Zu wenig Kontrollen, lasche Regeln und zu viel Bürokratie würden die Betreiber von Heimen und ambulanten Pflegediensten dazu einladen, das System auszuplündern, sagte die Autorin Anke Martiny bei der Vorstellung einer Studie in Berlin.“(Ende des Auszugs).Die „Frankfurter Allgemeine“ verdeutlicht (Auszug): „Die Transparency-Studie offenbart nach Angaben der Autoren eine Vielzahl von Schwachstellen im System. So hätten für die Untersuchung geführte Expertengespräche gängige Betrugsstrukturen offengelegt, die sich aus den Milliardenausgaben für die soziale Pflegeversicherung speisten. Als Beispiele nannte Transparency unter anderem Fälle, in denen Ärzte von Pflegediensten Honorare für die Überweisung von Patienten erhielten. Auch „verkauften“ Pflegedienste demnach lukrative Patienten an andere Pflegedienste. . .“(Ende des Auszugs). Auch auf Vorgänge in der Versorgung mit medizinischer Gerätschaft wird verwiesen, Sanitätshäuser etwa, die an Heimleiter spendeten, um die Ausstattung mit Toilettensitz-Erhöhungen, Rollatoren, orthopädischen Schuhen, Gehhilfen udgl. aus „ihren“ Sanitätshäusern zu bewirken. Zudem solle es bei der Entscheidung über die Pflegestufen vorgekommen sein, dass die zuständigen Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes von der Krankenversicherung ein „Kopfgeld“ erhielten - wenn sie bei der Einstufung möglichst restriktiv vorgehen. Damit würden die Ausgaben der Pflegeversicherung gesenkt, wie es in der Studie weiter heißt. Schließlich übten die Autoren der Schwachstellen-Analyse auch Kritik an fehlenden Rechten für Heimbewohner und Angehörige. Sie hätten als eigentliche Finanziers der Pflege bis heute keine durchsetzbare Mitbestimmungsrechte, sondern lediglich „Mitwirkungsrechte“ im Sinne von Informations- und Anhörungsrechten. Diese Rechte seien zudem seit der Föderalismusreform im September 2006 in landesspezifischen Heimgesetzen der jeweiligen Bundesländer geregelt - mit der Folge, dass Transparenz und Vergleichbarkeit der Leistungen deutlich schlechter geworden seien (FAZ am 13.08.13).


Berichte dieser Art sind jedenfalls nicht geeignet, Menschen, die möglicherweise demnächst auf Pflege angewiesen sind, Vertrauen in das System zu vermitteln. Auch wenn es Internet-Portale wie etwa Wohnen-im-Alter.de gibt, die recht ausführlich Hinweise zu diesem Thema geben. Ich bin jedenfalls bemüht – auch ohne Bezugnahme auf derartige Berichte – mir meine Eigenständigkeit und persönliche Selbstbestimmung so lange wie möglich zu erhalten.

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