Egal ob Fleisch-, Milch- oder Eierprodukte: In den Regalen
deutscher Einkaufshäuser finden sich nur wenige Lebensmittel, die
auch gesund für das Herz sind. Gerade diese Produkte haben großen
Einfluss auf die Gesundheit des Herzkreislaufsystems. Auch die
Ernährungsindustrie täte gut daran, diesen Sektor zu bedienen: Mit
speziell angefertigten Lebensmitteln ließen sich jährlich
Milliarden Euro verdienen. Das haben Forscherinnen und Forschern des
Kompetenzclusters für Ernährung und kardiovaskuläre Gesundheit
(nutriCARD) und der Conomic GmbH unter Leitung der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) herausgefunden.
Ihre Studie erschien kürzlich in der Fachzeitschrift
"Ernährungsumschau".
Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen in Deutschland die Liste der
Todesursachen nach wie vor deutlich an. Über 40 Prozent dieser
Erkrankungen lassen sich auf eine unausgewogene Ernährung
zurückführen. "Einerseits nehmen die Menschen zu wenig gesunde
Lebensmittel zu sich, zum Beispiel Gemüse, Leguminosen und Obst.
Andererseits enthalten gerade Fleischwaren und andere
hochverarbeitete Lebensmittel viele problematische Inhaltsstoffe,
etwa sehr viel Salz, Zucker oder gesättigte Fettsäuren", sagt
der Ernährungswissenschaftler Dr. Toni Meier von der Universität
Halle und nutriCARD. Deshalb bedarf es neuer Lebensmittel mit einer
verbesserten Rezeptur: Gesundheitsförderliche Zusätze, wie
Ballaststoffe, ungesättigte Fettsäuren oder pflanzliches Eiweiß,
sollten zusätzlich angereichert, der Salz- oder Zuckergehalt
deutlich reduziert werden.
Die nutriCARD-Forscherinnen und
-Forscher wollten herausfinden, wie viele potenziell
gesundheitsförderliche Lebensmittel es bereits im Einzelhandel gibt.
Deshalb erhoben sie in allen großen Warenhäusern, Supermärkten und
Discountern der Stadt Halle (Saale) das Angebot für sämtliche
Fleisch-, Milch- und Eiprodukte. Speziell schaute die Forschergruppe,
ob sich unter den Lebensmitteln solche finden lassen, die laut
Lebensmittelrecht mit gesundheitsförderlichen Inhaltsstoffen
angereichert sind. Das Ergebnis: Von den 6.281 Fleischprodukten waren
nur 118 potentiell herzgesund, bei den 12.417 erhobenen Milch- und
Eierprodukten waren es 198. "Mit einer Marktdurchdringung von
lediglich 1,9 Prozent bei Fleischerzeugnissen sowie 1,6 Prozent bei
Milch- und Eiprodukten ist das Angebot von Lebensmitteln mit
gesünderen Rezepturen nur rudimentär ausgeprägt", fasst Toni
Meier zusammen.
Auch für Lebensmittelhersteller könnten
diese Lebensmittel ein attraktiver Markt sein, wie die Forschergruppe
in ihrer Studie errechnet hat: "Lebensmittelproduzenten könnten
jährlich einen Umsatz von 1,5 bis 15,4 Milliarden Euro mit
kardioprotektiven Lebensmitteln erzielen", sagt Meier weiter.
Die große Spanne kommt zustande, weil die Forscher verschiedene
Szenarien für den möglichen Absatzmarkt berechnet haben; in
Deutschland leiden etwa 1,6 Millionen Menschen an
Herzkreislauf-Erkrankungen, etwa 24 Millionen Menschen leiden unter
Bluthochdruck. In einer parallel laufenden Akzeptanzstudie konnten
die Forscher zudem zeigen, dass interessierte Verbraucher gewillt
sind, 50 bis 60 Prozent höhere Preise für kardioprotektive
Lebensmittel auszugeben.
"Neben der Aufklärung über die
Auswirkungen der Ernährung auf die Gesundheit ist es besonders
wichtig, dem Verbraucher auch im Supermarkt gesündere und gleichwohl
geschmacklich hervorragende Produkte anzubieten, mit denen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen effektiv vorgebeugt werden kann. Nur wenn
entsprechende Lebensmittel im Handel verfügbar sind, können
Präventionsmaßnahmen auch flächendeckend und über alle sozialen
Schichten hinweg wirken", so nutriCARD-Koordinator Prof. Dr.
Stefan Lorkowski von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Die
gegenwärtige Angebotssituation werde dem Bedarf der Bevölkerung
jedoch nicht im Geringsten gerecht.
Die Arbeit wurde vom
Kompetenzcluster nutriCARD in Kooperation mit der Conomic GmbH
durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
(BMBF) gefördert. Der Kompetenzcluster bündelt die Aktivitäten im
Bereich der grundlagennahen und der angewandten Ernährungsforschung
der im mitteldeutschen Universitätsbund kooperierenden Universitäten
Halle-Wittenberg, Jena und Leipzig.
Tom Leonhardt Pressestelle, Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg
Link zur Studie:
Bratzke F, Ritschel
F, Wache R, Thamm K, Kühn J, Dawczynski C, Wiacek C, Stangl G, Braun
P, Lorkowski S, Meier T (2018): Marktanalyse potenziell
kardioprotektiv wirkender Lebensmittel unter Berücksichtigung von
Health und Nutrition Claims. Fokus: Fleischerzeugnisse, Milch- und
Eiprodukte. Ernährungsumschau International 65(1): 2-11 DOI:
10.4455/eu.2018.002
Mitteilung des idw - Informationsdienst Wissenschaft am 23.04.2018
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