Donnerstag, 16. November 2017

Ist die Sexismuswelle wieder mal abgeebbt?

Die Weinstein-Problematik hat in den vergangenen zwei Wochen in den deutschen Medien eine Sexismus-Debatte ausgelöst, die nun scheinbar mit der Anne-Will-Talkshow am Sonntag ihren Höhepunkt überschritten hat. In der Abendschau des MDR am Dienstag wurde u.a. kurz von einer Ausstellung im Panorama in Bad Frankenhausen berichtet, deren (Kinder-)Bilder teilweise – nach Meinung von befragten Besucherinnen – sogar an die Grenze der Pornografie stoßen. Man beließ es allerdings bei solch kritischen Stimmen. Ganz im Gegensatz zu einer Ausstellung neulich in der Mensa der Uni Göttingen. Von der Ulf Poschardt (Chefredakteur von WELT) am 07.d.M. berichtete (Auszug):“In der Mensa der Uni Göttingen ist gerade eine Ausstellung mit dem schönen Titel "Geschmackssache" vorzeitig abgehängt worden, weil manche Bilder "sexistisch" seien. Vor allem die Werke der Künstlerin Marion Vina missfielen einigen Studenten, da die Zeichnungen von Brüsten und Hintern - "idealisierte und normschöne Frauenkörper" (so die Kritiker) - zu einer "Objektifizierung" von Frauen führten. Die Studenten bekamen sogleich Unterstützung der Gleichstellungsbeauftragten, vorbei war es mit der Schau. Meine 68er-Eltern haben dafür gekämpft, Nackte ausstellen zu dürfen. Wir müssen jetzt die hart erfochtenen Rechte nach links verteidigen. Das ist Biedermeier, 50er-Jahre-Enge, McCarthyianismus - und alles aus der linken Ecke.“ (Ende des Auszugs) Und Poschardt regt an: Wie empfinden Sie das? Schreiben Sie mir.

Ich habe nicht geschrieben. Auch deshalb nicht, weil mir bei meiner Überlegung ein „Spiegel“-Bericht aus dem Jahr 2013 unter dem Titel „Das Dekolleté von Nordhausen“ einfiel. Damals warb die Online-Zeitung „nnz“ für sich mit einem Bild,, von dem es in dem Spiegel-Bericht heißt (Auszug): „Zwei Brüste, ein zweideutiger Spruch, eine schlüpfrige Botschaft - fertig ist die erfolgreiche Werbeanzeige. Das denkt man sich offenbar auch beim lokalen Nachrichtenportal "nnz-online" in Nordhausen. Doch dann entdeckt die Gleichstellungsbeauftragte des thüringischen Städtchens das Motiv.“ . . . Und sie beschließt zu handeln, schließlich ist sie die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Seit mehr als 20 Jahren macht sie den Job, einiges habe sich in dieser Zeit schon verbessert, sagt sie - doch durch die Anzeige fühle sie sich um zehn Jahre zurückgeworfen. Also schreibt sie einen Brief an das Online-Portal "NNZ" und auch an das Anzeigenblatt. Darin bittet sie, den "Abstieg im Niveau" durch derartige Anzeigen nicht noch zu beschleunigen. Man versuche offenbar, Nachrichten mit Hilfe frauenfeindlicher und sexistischer Worte und Motive "an den Mann" zu bringen - worauf man doch bitte künftig verzichten möge.
Die Antwort der "nnz-online"-Redaktion, die im Wesentlichen aus dem Chefredakteur Peter-Stefan Greiner besteht, ist eindeutig. "Sehr geehrte Frau Müller", heißt es darin, "wer den Sinn der Werbung nicht versteht und keinen Humor hat, der sollte in nächster Zeit vielleicht alle Medien meiden." (Ende der Auszüge. Ich stelle das Bild hier nicht ein, um keine falschen Eindrücke aufkommen zu lassen.) Nun jedenfalls könnte sich die Gleichstellungsbeauftragte durch einen Streifzug durch die Medien in ihrer Auffassung vollauf bestätigt sehen.

Damals hat es zahlreiche recht unterschiedliche Stimmen zu der Problematik gegeben, bis nnz die Kommentarfunktion schließlich sperrte. Die Meinungen über Sexismus sind jedenfalls – auch auf kommunale Sicht gerichtet - nicht neu und jeder mag sich seine eigene Meinung bilden. So recht weiß ich aber trotz der neuerlichen Diskussion und der Anne-Will-Talkshow nicht, wo die Grenzen zum Sexismus verlaufen. Ich muss mal meine Töchter nach ihrer Meinung fragen.

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