Zum gleichen Zeitpunkt, an
dem in Nordhausen ein neuer Landrat gewählt wurde, und das Ergebnis
von der SPD gebührend gefeiert wurde, fand im fernen Bremen
Bürgerschaftswahl statt. Und damit weiß ein möglicher politisch
interessierter Leser dieser Zeilen, dass dort die SPD wenig Grund zum
Feiern hatte. Und er weiß auch, dass es um den Politiker Jens
Böhrnsen geht, der in den vergangenen zehn Jahren Bremen regierte.
Und der nun im Ergebnis dieser Wahl für seine SPD zurücktrat.
In der WAZ las man dazu
(Auszug): „Das kleine Bremen ist nicht eben der Nabel der
bundespolitischen Welt. Aber vor allem die SPD sollte den
ungemütlichen Wahlsonntag trotzdem als Warnsignal nehmen. Wenn
selbst ein allseits geachteter und integrer Mann wie Böhrnsen vom
Wähler abgestraft wird, läuft etwas falsch in der Partei.“ (Ende
des Auszugs).
Ob dem so ist, weiß ich
nicht. Richtig ist, dass die SPD nach der amtlichen Hochrechnung aus
der Wahlnacht auch 2015 wieder stärkste Kraft in der Bremer
Bürgerschaft ist. Für die Bremer Sozialdemokraten aber ist das
Wahlergebnis von 32,9 Prozent dennoch das schlechteste seit 1946. Im
Vergleich zur Wahl 2011 büßten sie nahezu sechs Prozentpunkte ein.
Mit solchen Verlusten hatten die Sozialdemokraten nicht gerechnet.
Dazu schrieb die „Süddeutsche“ am Wahlabend (Auszug): „Mit
allem hatte die SPD in Bremen gerechnet. Nur nicht mit dem wohl
schlechtesten Ergebnis seit Bestehen des Bundeslandes. Dennoch will
Bürgermeister Böhrnsen weitermachen - egal wie.“ (Ende des
Auszugs). Tags darauf hatte sich Böhrnsen anders entschieden:
„Bürgermeister Jens Böhrnsen will ... nicht mehr, er räumt nach
zehn Jahren sein Amt“, hieß es so oder ähnlich in vielen
Zeitungen. Und die Verwunderung der Redakteure und Kommentatoren in
der Bewertung dieses Rücktritts der einzelnen Zeitungen dominiert.
Umso mehr, als Jens Böhrnsen die meisten Personenstimmen aller
Kandidaten bekam: 94 000 Wähler gaben ihm ihre Direktstimmen (Radio
Bremen).
Dazu
einige Beispiele vom 11.und 12.05.15:
Thüringische
Landeszeitung: „...Die SPD wurde mit knapp 33 Prozent schließlich
stärkste Kraft an der Weser. Der Bürgermeister war wohl so
gekränkt, dass die Wähler Rot-Grün nicht mehr zu einer
Zwei-Drittel-Mehrheit verholfen haben, und dass er nun auf die für
ihn abgegebenen Stimmen pfeift. Vom Chef eines Bundeslands hätte man
sich mehr Stehvermögen gewünscht, zumal er doch eigentlich gewonnen
hat. Der gerade wieder diskutierte Wählerfrust wird weiter
zunehmen.“
Schwäbische
Zeitung: Das Ausmaß der Erschütterung ist
größer, als es am Wahlabend den Anschein hatte - und es erreicht
auch Berlin. Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen tat das, was heute
nur noch wenige Politiker tun. Er zog Konsequenzen aus dem schlechten
Wahlergebnis und reichte seinen Rücktritt ein, obwohl er hätte
weitermachen können.
Berliner
Morgenpost: Endlich hat in diesem Land ein Verlierer mal wieder
Verantwortung übernommen. Dass sich dazu ausgerechnet der politisch
blasse Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen durchgerungen hat, ehrt
ihn und macht ihn in der Niederlage stark.
Lausitzer
Rundschau: Ein Sieger tritt zurück, das hat es noch nicht gegeben in
Deutschland. Der Grund ist: Das war kein Wahlsieg für die SPD am
Sonntag in Bremen, auch wenn man die stärkste Partei geblieben ist.
Auch wenn man weiter den Bürgermeister stellen wird.
Mitteldeutsche
Zeitung: Fahnenflucht, werden die einen sagen. Immerhin entzieht
Böhrnsen seiner Partei mit dem Rücktritt ihr größtes Kapital.
Demütige Einsicht, werden die anderen sagen. Immerhin hat die
Koalition unter Böhrnsens Führung bei einer Wahlbeteiligung von
unter 50 Prozent nicht einmal mehr das Vertrauen von einem Viertel
der Bremer erhalten.
Das
mag genügen, um den Rücktritt Jens Böhrnsens „richtig“
bewerten zu können. Oder auch nicht.
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