Donnerstag, 14. Mai 2015

Zum Rückrat eines Politikers

Zum gleichen Zeitpunkt, an dem in Nordhausen ein neuer Landrat gewählt wurde, und das Ergebnis von der SPD gebührend gefeiert wurde, fand im fernen Bremen Bürgerschaftswahl statt. Und damit weiß ein möglicher politisch interessierter Leser dieser Zeilen, dass dort die SPD wenig Grund zum Feiern hatte. Und er weiß auch, dass es um den Politiker Jens Böhrnsen geht, der in den vergangenen zehn Jahren Bremen regierte. Und der nun im Ergebnis dieser Wahl für seine SPD zurücktrat.


In der WAZ las man dazu (Auszug): „Das kleine Bremen ist nicht eben der Nabel der bundespolitischen Welt. Aber vor allem die SPD sollte den ungemütlichen Wahlsonntag trotzdem als Warnsignal nehmen. Wenn selbst ein allseits geachteter und integrer Mann wie Böhrnsen vom Wähler abgestraft wird, läuft etwas falsch in der Partei.“ (Ende des Auszugs).


Ob dem so ist, weiß ich nicht. Richtig ist, dass die SPD nach der amtlichen Hochrechnung aus der Wahlnacht auch 2015 wieder stärkste Kraft in der Bremer Bürgerschaft ist. Für die Bremer Sozialdemokraten aber ist das Wahlergebnis von 32,9 Prozent dennoch das schlechteste seit 1946. Im Vergleich zur Wahl 2011 büßten sie nahezu sechs Prozentpunkte ein. Mit solchen Verlusten hatten die Sozialdemokraten nicht gerechnet. Dazu schrieb die „Süddeutsche“ am Wahlabend (Auszug): „Mit allem hatte die SPD in Bremen gerechnet. Nur nicht mit dem wohl schlechtesten Ergebnis seit Bestehen des Bundeslandes. Dennoch will Bürgermeister Böhrnsen weitermachen - egal wie.“ (Ende des Auszugs). Tags darauf hatte sich Böhrnsen anders entschieden: „Bürgermeister Jens Böhrnsen will ... nicht mehr, er räumt nach zehn Jahren sein Amt“, hieß es so oder ähnlich in vielen Zeitungen. Und die Verwunderung der Redakteure und Kommentatoren in der Bewertung dieses Rücktritts der einzelnen Zeitungen dominiert. Umso mehr, als Jens Böhrnsen die meisten Personenstimmen aller Kandidaten bekam: 94 000 Wähler gaben ihm ihre Direktstimmen (Radio Bremen).


Dazu einige Beispiele vom 11.und 12.05.15:


Thüringische Landeszeitung: „...Die SPD wurde mit knapp 33 Prozent schließlich stärkste Kraft an der Weser. Der Bürgermeister war wohl so gekränkt, dass die Wähler Rot-Grün nicht mehr zu einer Zwei-Drittel-Mehrheit verholfen haben, und dass er nun auf die für ihn abgegebenen Stimmen pfeift. Vom Chef eines Bundeslands hätte man sich mehr Stehvermögen gewünscht, zumal er doch eigentlich gewonnen hat. Der gerade wieder diskutierte Wählerfrust wird weiter zunehmen.“


Schwäbische Zeitung: Das Ausmaß der Erschütterung ist größer, als es am Wahlabend den Anschein hatte - und es erreicht auch Berlin. Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen tat das, was heute nur noch wenige Politiker tun. Er zog Konsequenzen aus dem schlechten Wahlergebnis und reichte seinen Rücktritt ein, obwohl er hätte weitermachen können.


Berliner Morgenpost: Endlich hat in diesem Land ein Verlierer mal wieder Verantwortung übernommen. Dass sich dazu ausgerechnet der politisch blasse Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen durchgerungen hat, ehrt ihn und macht ihn in der Niederlage stark.


Lausitzer Rundschau: Ein Sieger tritt zurück, das hat es noch nicht gegeben in Deutschland. Der Grund ist: Das war kein Wahlsieg für die SPD am Sonntag in Bremen, auch wenn man die stärkste Partei geblieben ist. Auch wenn man weiter den Bürgermeister stellen wird.


Mitteldeutsche Zeitung: Fahnenflucht, werden die einen sagen. Immerhin entzieht Böhrnsen seiner Partei mit dem Rücktritt ihr größtes Kapital. Demütige Einsicht, werden die anderen sagen. Immerhin hat die Koalition unter Böhrnsens Führung bei einer Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent nicht einmal mehr das Vertrauen von einem Viertel der Bremer erhalten.


Das mag genügen, um den Rücktritt Jens Böhrnsens „richtig“ bewerten zu können. Oder auch nicht.

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