Gerade
noch rechtzeitig vor Pfingsten endete ein Streik der Gewerkschaft
GDL, der – mit einigen Unterbrechungen – seit Monaten
hunderttausende Bahnreisende verunsicherte und zeitweise in Aufregung
versetzte. Bekanntlich vertritt die GDL als Spartengewerkschaft die
Lokführer, die durch ihre Streiks nicht nur den Personenverkehr der
Bahn zeitweise lahm legte, sondern auch den Güterverkehr
beeinträchtigte. Dabei ging es GDL-Chef
Claus Weselsky nicht allein um Lohnforderungen, sondern gleichermaßen
um die Erweiterung seiner Zuständigkeit für Zugbegleiter und
sonstige Bedienstete des Bahnverkehrs. Weselsky – der meines
Erachtens während der zeitweiligen Streikphasen seiner GDL mitunter
den Eindruck eines alles beherrschenden Machers vermittelte - wertete
die Beendigung des Streiks zugunsten einer Schlichtung schon mal als
Erfolg seiner GDL.
Wenn
dem so sein sollte, könnte das allerdings die letzte Streikaktion
seiner GDL gewesen sein. Und aller anderen derzeit aktiven
Spartengewerkschaften, nachdem der Bundestag am Freitag (gestern
hatte ich irrtümlich Mittwoch geschrieben) das Tarifeinheitsgesetz
verabschiedete. Bisher konnte jede
Spartengewerkschaft wie die GDL (für Lokführer), die Vereinigung
Cockpit (für Piloten) oder der Marburger Bund (für Ärzte) Betriebe
quasi in die Knie zwingen , - man könnte auch sagen, erpressen - um
Partikularinteressen durchzusetzen, schrieb das ManagerMagazin. Sie
fürchten nun ihr Ende, obwohl das Gesetz auch Chancen eröffnet, so
das MM. Mario Ohoven, Präsident des BVMW stellte nach der
Verabschiedung fest (siehe meinen gestrigen Eintrag): „Union und
SPD haben mit der Verabschiedung des Tarifeinheitsgesetzes den
Standort Deutschland gestärkt. Damit werden die Möglichkeiten von
Spartengewerkschaften beschränkt, Unternehmen in Arbeitskämpfe zu
verstricken, die die Republik lahmlegen und die gesamte Wirtschaft
mit täglich 100 Millionen Euro belasten.“ Das vorerwähnte
ManagerMagazin stellte dazu klar (Auszug): Das Gesetz lässt zwar
auch künftig zu, dass mehrere Tarifverträge in einem Unternehmen
gelten können. Doch dort, wo Tarifkonflikte zwischen Gewerkschaften
innerhalb eines Betriebes herrschen, - wie bei der Bahn - soll nur
noch jene Abschlüsse machen dürfen, die die meisten Mitglieder hat.
Mehrere konkurrierende Tarifverträge von Gewerkschaften für ein-
und dieselbe Berufsgruppe innerhalb einer Firma werden dann der
Vergangenheit angehören. Seit Jahren wird ein solches Gesetz
diskutiert, seit Jahren immer wieder verworfen, doch die
Streik-Exzesse der GDL haben den Prozess wahrscheinlich mehr
beschleunigt, als ihr lieb ist.“ (Ende des Auszugs).“Maßlosigkeit
ist nun mal kein Grundrecht. Es ist Gift, wenn es innerhalb eines
Unternehmens unterschiedliche Bedingungen für gleichwertige Arbeit
gibt. Wenn es Gutverdiener gibt, die auf weniger gut Verdienende
herabschauen. Wenn für sie deshalb weniger da ist, weil die anderen
besonders dreist aufgetreten sind. Das neue Gesetz privilegiert nicht
die Großgewerkschaften - im Gegenteil: Es fördert den Wettbewerb.
Die kleinen müssen nur attraktiv genug für alle sein, schon werden
sie mehr Mitglieder bekommen - dann können sie auch wieder
Tarifverträge abschließen.
Desungeachtet
aber werden die Spartengewerkschaften gegen das Gesetz Sturm laufen,
was allerdings auch in der gesamten Problematik begründet ist. Der
Vorsitzende des Beamtenbundes Klaus Dauderstädt kündigte umgehend
Verfassungsklage in Karlsruhe an. Und argumentiert:
„Ein schwarzer Tag für die Grundrechte. Wenn die
Abgeordnetenmehrheit die Koalitionsfreiheit der Bürgerinnen und
Bürger nicht mehr verteidigt, müssen die Richter des
Bundesverfassungsgerichts diese Rolle übernehmen. Die heute
beschlossene Regelung verstößt gegen das Grundgesetz, zerstört den
Betriebsfrieden und treibt die Gewerkschaften in Deutschland in einen
harten Konkurrenzkampf. Über die drohenden praktischen Probleme bei
der Umsetzung eines solchen Gesetzes will ich gar nicht reden. Wer
ermittelt die Gewerkschaftszugehörigkeiten und auf welcher
rechtlichen Grundlage? Wer definiert die Betriebsmehrheit, zu welchem
Stichtag? Alles ungeklärt. Die Bundesregierung stellt die deutschen
Arbeitsgerichte vor unlösbare Aufgaben und bedroht die Existenz der
Berufsgewerkschaften. Das werden wir auf keinen Fall hinnehmen."
Und in der „Rheinischen Post“ las man (Auszug): Die kleinen
Gewerkschaften wollen schnell und mit vielen Klagen gegen das
Tarifeinheitsgesetz vorgehen. "Wir werden Klage beim
Verfassungsgericht einreichen, sobald die Tarifeinheit im Gesetzblatt
steht", sagte der Chef des Marburger Bundes, Rudolf Henke. „Der
Beamtenbund kündigte für Juli eine Klage an. "Ich rechne fest
damit, dass eine Vielzahl an Klageschriften beim Verfassungsgericht
eingehen wird", sagte Klaus Dauderstädt, Chef des
Beamtenbundes. Man werde sich mit anderen Gewerkschaften wie dem
Marburger Bund und der Vereinigung Cockpit abstimmen: "Am Ende
wird es aber getrennte Klagen geben." Für die
Pilotenvereinigung Cockpit wird der ehemalige Bundesinnenminister
Gerhart Baum (FDP) die Klageschrift ausarbeiten, erfuhr die Zeitung
von der Gewerkschaft.“(Ende des Auszugs). Und in der „Schwäbischen
Zeitung heißt es (Auszug): „Doch womöglich wurde die Rechnung
ohne den Wirt gemacht. Das Bundesverfassungsgericht könnte die
Tarifeinheit kippen, da sie gegen das Grundrecht der
Koalitionsfreiheit verstößt. Sollten die kleinen Gewerkschaften
gestärkt aus der Auseinandersetzung in Karlsruhe hervorgehen,
müssten die großen ihren Mitgliedern nicht mehr nur erklären,
warum sie in Tarifgesprächen weniger herausgeholt haben als die
Konkurrenz. Sie müssten auch darlegen, warum die Menschen überhaupt
noch Mitglied bei ihnen sein sollen.“(Ende des Auszugs). Und
schließlich entnehme ich der „Stuttgarter Zeitung“ (Auszug):
Die
große Koalition geht mit dem Gesetz sicherlich das Risiko ein, dass
das Verfassungsgericht das Gesetz eines Tages kassieren könnte.
Trotz der Unwägbarkeiten ist der Vorstoß der Regierung aber
richtig. Seit 2010 wird in Deutschland über ein Gesetz zur
Tarifeinheit diskutiert. Die Kritiker haben es geschafft, Stimmung
gegen die Regelungen zu machen. Dabei sind die berechtigten Anliegen
der Befürworter in den Hintergrund getreten. Das vom Bundestag
beschlossene Gesetz stellt trotz juristischer Unsicherheiten den
Versuch dar, die Tarifautonomie in Deutschland zu stärken. Das
verdient Unterstützung.“(Ende des Auszugs und dieses Eintrags).
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