Mittwoch, 20. Mai 2015

Was gesund ist, schmeckt nicht! Oder?

Ob Präventionskampagnen, sogenannte Fat taxes oder medizinische Interventionen – Gewichtszunahme und das Auftreten ernährungsassoziierter Krankheiten verschärfen sich ungebremst, und das weltweit. Einen wichtigen Beitrag zu diesem noch ungebrochenem Trend leistet eine simple Laientheorie: Ungesundes schmeckt besser als Gesundes. Derlei nachteilige Geschmacksassoziationen sind weitverbreitet und sie führen bekanntermaßen zu suboptimalen Entscheidungen im Supermarkt.
Nun stellt sich die Frage, ob sich der Zielkonflikt zwischen kurzfristigem Geschmackserlebnis und den langfristigen Folgen für die eigene Gesundheit mit den üblichen, reflexhaft aufgestellten Forderungen nach Maßnahmen zur Steigerung des Gesundheitsbewusstseins in der breiten Öffentlichkeit überwinden lässt. Dieser Frage widmeten sich Dr. Robert Mai und Professor Stefan Hoffmann von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) bereits in mehreren Studien. Ihre aktuellsten Erkenntnisse veröffentlichen der Postdoc Mai und der Marketing-Professor Hoffmann in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Journal of Public Policy and Marketing“.

„Wir konnten nachweisen, dass mit einem höheren Gesundheitsbewusstsein auch eine geringere Überzeugung einhergeht, dass gesunde Lebensmittel per se geschmacklich schlechter abschneiden als eher ungesunde Produkte“, erklärt Mai, Erstautor dieser neuesten Studie. „Mehr noch: wir konnten zeigen, dass sich mit gesteigertem Gesundheitsbewusstsein auch das Ausmaß abschwächt, indem sich Konsumenten bei ihren Kaufentscheidungen von stereotypen Geschmacksassoziationen leiten lassen.“

Allerdings decken die Studien auch einen erheblichen Schwachpunkt von Maßnahmen auf, die primär auf die Stärkung des Gesundheitsbewusstseins abzielen, ergänzt Hoffmann: „Mithilfe eines computergestützten Reaktionszeitexperimentes konnten wir zeigen, dass lediglich rationale und bewusst gesteuerte Entscheidungsprozesse durch derlei Maßnahmen beeinflusst werden.“ Allerdings spiele sich der Konflikt zwischen Gesundheitswirkung und Geschmack von Produkten auch auf einer impliziten Ebene ab und das spiegele sich sogar in Indikatoren der Körpermasse wider (Body-Mass-Index). „Das heißt, der Einfluss automatisiert aktivierter Geschmacksassoziationen lässt sich auch durch ein gesteigertes Gesundheitsbewusstsein nicht verändern“, zieht Hoffmann ein erstes Fazit. Die Autoren zeigen in einem weiteren aufwendigen Experiment, dass diese zweite Erkenntnis primär darauf zurückführen ist, dass lediglich Gesundheitswahrnehmungen rational beeinflusst werden können, nicht jedoch Geschmackseinschätzungen, die implizit ablaufen. So empfanden Probandinnen und Probanden unabhängig vom Gesundheitsbewusstsein fett- und zuckerreduzierte Produkte als weniger geschmackvoll.

Um den Konflikt zu lösen, schlagen die Forscher einen ganzheitlichen Ansatz vor. Anders als normativ-paternalistische Ansätze – die darauf abzielen, dass bei der Kaufentscheidung hauptsächlich die Gesundheitswirkung eines Produktes im Vordergrund steht – gelte es primär den tiefliegenden Zielkonflikt aufzulösen. Produzierende Unternehmen sollten sich daher darauf konzentrieren, etwa gesündere Produktvarianten zu entwickeln, die ähnlich attraktiv in Preis, Verpackung, etc. sind, wie konventionelle oder weniger gesunde Varianten.

Auch der Gesetzgeber kann seinen Teil leisten, indem er beispielsweise Anreize zur Entwicklung gesünderer Produkte setzt, die tatsächliche oder subjektiv empfundene Geschmacksdefizite ausgleichen. Oder er kann Rahmenbedingungen verändern, damit gesündere Varianten ähnlich attraktiv wie das konventionelle Produkt sind. „Dies“, so die Forscher, „wäre aussichtsreicher, als das Unterdrücken verborgener Wünsche. Denn schon seit dem Apfel und der Schlange ist bekannt, dass Verbotenes für Menschen attraktiv ist.“

Originalpublikation unter:
Robert Mai and Stefan Hoffmann (2015) How to Combat the Unhealthy = Tasty Intuition: The Influencing Role of Health Consciousness. Journal of Public Policy & Marketing: Spring 2015, Vol. 34, No. 1, pp. 63-83.
http://journals.ama.org/doi/abs/10.1509/jppm.14.006
Dr. Boris Pawlowski Presse, Kommunikation und Marketing, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

Mitteilung des idw – wissenschaftlichen Dienstes am 19.05.2015

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