Sonntag, 31. Mai 2015

Pressefreiheit: Gefährdung abgewendet?

Das Jahr der Wechsel“ überschrieb der Leiter der „Nordhäuser Allgemeine“ seine Kolumne am Freitag und beschrieb, was alles sich im personellen Bereich in der Region demnächst ändern wird. Allein das wäre schon einer Betrachtung wert, der ich mich gern widmen möchte – und es sicher auch noch tun werde – wenn da nicht am gleichen Tag im „Kress“-Nachrichtenportal ein Vorgang behandelt worden wäre, der vorgeblich mit Pressefreiheit zu tun hat, die von einem Edeka-Einzelhändler in Chemnitz dadurch gefährdet worden sein soll, dass er im März „Bild“ in seinem Zeitungssortiment nicht mehr auslegen, also zum Kauf anbieten wollte. Dazu liest man bei „Kress“ u.a. (Auszug): „Es steht dem Einzelhandel nicht zu, Pressezensur zu betreiben. Der Edeka-Händler darf die Bild-Zeitung mit spitzen Fingern anfassen, wenn er sie nicht mag. Verkaufen muss er sie aber trotzdem", betont Hendrik Zörner, Sprecher vom Deutschen Journalisten-Verband. Für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (Hauptgeschäftsführer: Dietmar Wolff) steht fest: "Der Pressevertrieb ist unteilbar. Eine Zensur durch den Einzelhändler, aus welchen Motiven auch immer, darf nicht stattfinden." (Ende des Auszugs). Und weil der Pressevertrieb unteilbar ist (Motto: „Alles oder nichts“) und der Edeka-Händler in seiner Auffassung standhaft blieb, kündigte der „Mitteldeutsche Pressevertrieb“ (Geschäftsführer: Robert F. Steinbauer), Grossist in Thüringen, die Zusammenarbeit mit dem Supermarkt in Chemnitz, der nun kein einziges Presseerzeugnis mehr anbieten kann. Wodurch die Pressefreiheit – in Chemnitz oder ganz allgemein - gerettet und eine Gefährdung verhindert wurde.


Man kann es damit bewenden lassen, oder sich mit Hintergründen und Zusammenhängen dieser Problematik beschäftigen. Und erfährt, dass Auslöser des plötzlichen Boykotts von „Bild“ durch den Chemnitzer Supermarkchef Art und Weise der Berichterstattung von „Bild“ über den Germanwings-Flugzeugabsturz in den Alpen samt deren tragischen Begleitumständen bis nach Haltern in Nordrhein-Westfalen im März war.


Abgesehen aber von der „Bild“-Berichterstattung bleibt festzustellen, dass beim Deutschen Presserat noch nie so viele Beschwerden über die Medien-Berichterstattung zu einem einzelnen Ereignis eingingen, wie beim Absturz der Germanwings-Maschine. Der Presserat hat rund 430 Beschwerden zu dem Thema gezählt. Zur Berichterstattung zur Loveparade-Katastrophe 2010 gab es 241 Beschwerden. Das "medium magazin" hörte sich in Redaktionen vor Ort um - von Frankreich über Düsseldorf bis Montabaur und Haltern. "Der Zorn, der Hass, der uns Journalisten in den sozialen Medien bereits wenige Stunden nach dem Absturz entgegenschlug, muss uns nachdenklich stimmen", sagt etwa Christian Schwerdtfeger, Reporter der "Rheinischen Post". Er erlebte eine extrem schwere Arbeit auch vor Ort: "Leute schüttelten verächtlich den Kopf, wenn man sich als Journalist zu erkennen gab. Ich musste mich mehrfach für meinen Berufsstand rechtfertigen." Schwerdtfeger kann die Reaktionen zum Teil nachvollziehen, denn viele Momente nach dem Flugzeugabsturz gehörten nicht zu den Sternstunden des Journalismus - etwa die Belagerung der Halterner Schule. "Es ging so weit, dass die Polizei mehrfach einschreiten musste. Das darf uns Journalisten in dieser Form nicht noch einmal passieren."

Damit soll es hier sein Bewenden haben - über die Germanwings-Beschwerden will der Presserat Anfang Juni beraten. Ich denke lediglich, diejenigen, die durch den Chemnitzer Edeka – Leiter die Pressefreiheit gefährdet sahen, sollten sich für eine seriöse, verantwortungsvolle Berichterstattung stark machen. Damit es zu derartigen Reaktionen (Boykott, Beschwerden) erst gar nicht kommt. Mich interessiert in diesem Zusammenhang allerdings näher das Verhältnis zwischen Pressevertrieb und Einzelhändler. Dazu will ich noch recherchieren. Und ebenso über "Das Jahr des Wechsels" auf lokaler Ebene.

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