„Das Jahr der Wechsel“
überschrieb der Leiter der „Nordhäuser Allgemeine“ seine
Kolumne am Freitag und beschrieb, was alles sich im personellen
Bereich in der Region demnächst ändern wird. Allein das wäre schon
einer Betrachtung wert, der ich mich gern widmen möchte – und es
sicher auch noch tun werde – wenn da nicht am gleichen Tag im
„Kress“-Nachrichtenportal ein Vorgang behandelt worden wäre, der
vorgeblich mit Pressefreiheit zu tun hat, die von einem
Edeka-Einzelhändler in Chemnitz dadurch gefährdet worden sein soll,
dass er im März „Bild“ in seinem Zeitungssortiment nicht mehr
auslegen, also zum Kauf anbieten wollte. Dazu liest man bei „Kress“
u.a. (Auszug): „Es
steht dem Einzelhandel nicht zu, Pressezensur zu betreiben. Der
Edeka-Händler darf die Bild-Zeitung mit spitzen Fingern anfassen,
wenn er sie nicht mag. Verkaufen muss er sie aber trotzdem",
betont Hendrik Zörner, Sprecher vom Deutschen Journalisten-Verband.
Für den Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger
(Hauptgeschäftsführer: Dietmar Wolff) steht fest: "Der
Pressevertrieb ist unteilbar. Eine Zensur durch den Einzelhändler,
aus welchen Motiven auch immer, darf nicht stattfinden." (Ende
des Auszugs). Und weil der Pressevertrieb unteilbar ist (Motto:
„Alles oder nichts“) und der Edeka-Händler in seiner Auffassung
standhaft blieb, kündigte der „Mitteldeutsche
Pressevertrieb“ (Geschäftsführer: Robert F. Steinbauer), Grossist
in Thüringen, die Zusammenarbeit mit dem Supermarkt in
Chemnitz, der nun kein einziges Presseerzeugnis mehr anbieten kann.
Wodurch die Pressefreiheit – in Chemnitz oder ganz allgemein -
gerettet und eine Gefährdung verhindert wurde.
Man
kann es damit bewenden lassen, oder sich mit Hintergründen und
Zusammenhängen dieser Problematik beschäftigen. Und erfährt, dass
Auslöser des plötzlichen Boykotts von „Bild“ durch den
Chemnitzer Supermarkchef Art und Weise der Berichterstattung von
„Bild“ über den Germanwings-Flugzeugabsturz in den Alpen samt
deren tragischen Begleitumständen bis nach Haltern in
Nordrhein-Westfalen im März war.
Abgesehen
aber von der „Bild“-Berichterstattung bleibt festzustellen, dass
beim Deutschen Presserat noch nie so viele Beschwerden über die
Medien-Berichterstattung zu einem einzelnen Ereignis eingingen, wie
beim Absturz der Germanwings-Maschine. Der Presserat hat rund 430
Beschwerden zu dem Thema gezählt. Zur Berichterstattung zur
Loveparade-Katastrophe 2010 gab es 241 Beschwerden.
Das "medium magazin" hörte sich in Redaktionen vor Ort um
- von Frankreich über Düsseldorf bis Montabaur und Haltern. "Der
Zorn, der Hass, der uns Journalisten in den sozialen Medien bereits
wenige Stunden nach dem Absturz entgegenschlug, muss uns nachdenklich
stimmen", sagt etwa Christian Schwerdtfeger, Reporter der
"Rheinischen Post". Er erlebte eine extrem schwere Arbeit
auch vor Ort: "Leute schüttelten verächtlich den Kopf, wenn
man sich als Journalist zu erkennen gab. Ich musste mich mehrfach für
meinen Berufsstand rechtfertigen." Schwerdtfeger kann die
Reaktionen zum Teil nachvollziehen, denn viele Momente nach dem
Flugzeugabsturz gehörten nicht zu den Sternstunden des Journalismus
- etwa die Belagerung der Halterner Schule. "Es ging so weit,
dass die Polizei mehrfach einschreiten musste. Das darf uns
Journalisten in dieser Form nicht noch einmal passieren."
Damit
soll es hier sein Bewenden haben - über die
Germanwings-Beschwerden will der Presserat Anfang Juni beraten. Ich
denke lediglich, diejenigen, die durch den Chemnitzer Edeka –
Leiter die Pressefreiheit gefährdet sahen, sollten sich für eine
seriöse, verantwortungsvolle Berichterstattung stark machen. Damit
es zu derartigen Reaktionen (Boykott, Beschwerden) erst gar nicht
kommt. Mich interessiert in diesem Zusammenhang allerdings näher das Verhältnis zwischen Pressevertrieb und Einzelhändler. Dazu will ich noch recherchieren. Und ebenso über "Das Jahr des Wechsels" auf lokaler Ebene.
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