Diese Aussage stammt eigentlich von Stephan Dorgerloh, dem
Kultusminister Sachsen-Anhalts, die er zu Beginn des Themenjahres
2014 „Reformation und Politik“ im Rahmen der Lutherdekade machte.
Sie
könnte allerdings auch von dem Historiker Prof. Dr. Heinz Schilling
stammen, der gestern im Nordhäuser Tabakspeicher in einem
ausgezeichneten Vortrag zum Thema „Der Rebell Martin Luther-Vom
Katholizismus zum Protestantismus“ hielt. Dazu hieß es schon in
der Ankündigung, er würde diesen welthistorischen Rebell Luther in
seine Zeit stellen und eindrucksvoll auch das Gegensätzliche und
Widersprüchliche an ihm zeigen. Er würde Martin Luther nicht etwa
als einsamen Heros schildern, sondern als Akteur in einem gewaltigen
Ringen seiner Zeit. Das tat er dann auch, aber auch er führte schon
zu Beginn seines Vortrags aus, dass die 500. Wiederkehr des
Thesenanschlags 2017 nicht dazu genutzt werden dürfe, den Reformator
zu instrumentalisieren, wie es in den vergangenen Jahrhunderten, und
auch zu den Jubiläen geschah (besonders im Nationalsozialismus, letztmals aber auch 1983 zu seinen 500.
Geburtstag) in denen jeweils das „braucbarste Stück Luther“
herausgestellt und für die eigenen Zwecke „beansprucht“ wurde.
So habe der Reformator anfangs stark der konfessionellen Abgrenzung
gedient, später tatsächlich auch als „deutscher Heros“ und
„Vater des Vaterlands“, also stets und eben immer als
„Projektionsfläche der Bedürfnisse der Zeit.“
Zu
Prof. Dr. Heinz Schilling ist in diesem Zusammenhang wichtig zu
wissen, dass er Autor des sehr aktuellen Buches „Martin Luther.
Rebell in einer Zeit des Umbruchs" ist. (Die Ankündigung zu
diesem Vortrag ist im wesentlichen dem Klappentext des Buches
entnommen,) Er würdigt darin den Reformator als Theologen, der die
Religion wieder als existenzielle Kraft für den Einzelnen und für
die Gesellschaft in die Welt brachte. Er hat damit ganz sicher die
Welt in der Hinwendung zur Religiosität als existenzielle Kraft
verändert. In der oberflächlichen Leistungsfrömmigkeit des
Mittelalters war die Religion zur Arabeske geworden. Luther brachte
die Religion wieder als existenzielle Kraft für den Einzelnen aber
auch für die Gesellschaft in die Welt. Mit positiven und negativen
Folgen, aber in einer Dynamik, die das Zeitalter und die Welt
veränderte.
Bevor
ich mich nun noch intensiver mit den Ausführungen Dr. Schillings
befasse, halte ich es für geraten, mir den Mitschnitt seines
Vortrags mit aller Sorgfalt anzuhören. Schon weil sich der Referent
u.a. auch mit dem (Hass-)Verhältnis Luthers mit den Juden
beschäftigte. Und dabei auch die erste Vertreibung der Juden aus
Nordhausen im Jahre 1559 mit seiner weiteren Entwicklung erwähnte.
Und das bedarf dann schon einer absolut korrekten Wiedergabe.
Ein
weniger brisante Passage aber doch damit zusammenhängend war im
Vortrag Dr. Schillings Luthers Toleranzbegriff. Der nach seiner
Auffassung nicht am
Toleranzbegriff des 21. Jahrhunderts gemessen werden kann. Der
Toleranzbegriff nach der Aufklärung ist ein anderer als zur Zeit
Luthers. Die Religion war damals die Zentralachse des öffentlichen
wie des privaten Lebens. Da war Toleranz im heutigen Sinne nicht
möglich. Es ist daher völlig unhistorisch - wie es in einer
Broschüre der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) geschieht -
die Untoleranz Luthers herauszustellen oder sich gar für diese
historische Position Luthers zu entschuldigen. Es geht vielmehr darum
herauszuarbeiten, warum Luther hier eine andere Einstellung hatte als
wir heute und wie er dennoch mit dazu beigetragen hat, dass sich der
moderne Toleranzbegriff entfalten konnte.
Mit
zunehmenden Alter war Luther geradezu getrieben von der Sorge, dass
seine Erkenntnis wieder verloren gehen könnte. Er hat die Obrigkeit
aufgefordert, gegen alle, die von seiner Gnadenlehre und von seiner
Wende hin zum Evangelium abweichen, vorzugehen. Das war nichts
Besonderes in jener Zeit. Das kann man ihm auch nicht vorwerfen,
sondern das muss man
genauso beschreiben. Und dabei eben seine
starken Ausfälle gegen die Juden. Seine Haltung historisch zu
erklären, heißt natürlich nicht, sie in irgendeiner Weise
akzeptabel zu machen. Gerade an diesem Punkt ist auf die grundlegende
Andersartigkeit seiner und unserer heutigen Welt zu beharren. Aber
darauf werde ich zu gegebener Zeit noch näher eingehen.
Die
dem Vortrag Dr. Schillings folgenden Einwendungen ließen erkennen,
dass vieles in der Person Martin Luthers – etwa die Frage ob er im
Grunde ein Menschenfreud oder -feind war – auch heute noch der
Klärung bedürfte. Das „Dankeschön“ an Dr. Schilling,
überreicht von Birgit Adam, Leiterin der Harztourist-Information,
konnte lediglich eine bescheidene Geste sein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen