Unternehmen im Kreis Nordhausen sollen sich an Tarifverträge halten
Schlechtere
Bezahlung, längere Arbeitszeiten, weniger Urlaub: Beschäftigte, die im
Landkreis Nordhausen in einem Unternehmen arbeiten, in dem kein
Tarifvertrag gilt, sind im Job klar benachteiligt. Darauf hat die
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten hingewiesen. Nach Einschätzung
der NGG hält sich mittlerweile ein Großteil der rund 2.200 Betriebe im
Kreis nicht mehr an Tarifverträge. Das hat auch Folgen für die
Unternehmen selbst, warnt Gewerkschafter Jens Löbel: „Tariflose Firmen
haben in puncto Motivation und Produktivität der Mitarbeiter meist
schlechtere Karten. Auch die Suche nach Fachkräften fällt ihnen
schwerer“, so der Geschäftsführer der Thüringer NGG mit Blick auf
aktuelle Studien der Hans-Böckler-Stiftung.
Löbel
ruft die Firmen in der Region dazu auf, sich zur Sozialpartnerschaft
und zur Mitbestimmung zu bekennen. „Gerade beim digitalen Wandel der
Arbeitsplätze muss man die Belegschaften mitnehmen. Gewerkschaften und
Betriebsräte sichern nicht nur Jobs. Sie helfen auch dabei, die Zukunft
zu gestalten – von neuen Arbeitszeitmodellen bis hin zur Weiterbildung
der Mitarbeiter.“
Nach
Angaben des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
arbeiteten zuletzt 43 Prozent der Beschäftigten in Thüringen in einem
Betrieb mit Tarifvertrag. Der Freistaat belegt damit im Ländervergleich
den vorletzten Platz. In ganz Ostdeutschland liegt die Quote bei 44
Prozent – im Jahr 2000 waren es noch 55 Prozent. Nach Beobachtung von
Gewerkschafter Löbel greift die „Tarifflucht“ auch im Kreis Nordhausen
um sich: „Immer mehr Betriebe versuchen, sich um Tarifverträge zu
drücken. Damit setzen sie bewährte Standards aufs Spiel und bieten ein
Einfallstor für Dumping-Konkurrenz.“ Besonders niedrig ist die
Tarifbindung nach Angaben des IAB dabei in kleinen Firmen: Nur zwölf
Prozent der Thüringer Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern halten
sich aktuell an einen Tarifvertrag. In Unternehmen mit mehr als 200
Beschäftigten liegt die Quote hingegen bei 71 Prozent.
Um
diesen Trend zu stoppen, macht sich die NGG insbesondere für
Flächentarifverträge stark. Solche habe man etwa in Brauereien, in der
Getränkeabfüllung und in der Nährmittel- und Süßwarenindustrie
durchgesetzt. Zugleich
sei die Politik gefordert. Landes- und Bundesregierung sollten sich für
eine höhere Tarifbindung einsetzen: „Wer sich um die Zukunft der
sozialen Marktwirtschaft sorgt, muss sich darum kümmern, dass die
Tarifpartner gestärkt werden“, sagt Löbel. Unternehmen, die im
Arbeitgeberverband seien, müssten dazu verpflichtet werden, sich an
Tarifabschlüsse zu halten. Außerdem müsse es einfacher werden,
Tarifverträge für ganze Branchen verpflichtend zu machen. Davon
profitiere am Ende auch der Staat – durch höhere Einnahmen etwa bei der
Renten-, Kranken- und Sozialversicherung.
Allerdings
ist die Zahl der Tarifverträge, die für alle Betriebe einer Branche per
Gesetz gelten, zuletzt stark gesunken. Eine so genannte
Allgemeinverbindlichkeit wurde im Jahr 2017 lediglich 25 Mal vom
Bundesarbeitsministerium erteilt. Im Jahr 2000 waren es noch 133 Fälle.
Das geht aus einer aktuellen Antwort der Bundesregierung auf eine
Anfrage der Linken hervor (Bundestags-Drucksache 19/8626).
Am
Ende komme es aber auch auf die Beschäftigten an, so Löbel. „Je mehr
Gewerkschaftsmitglieder und Betriebsräte es gibt, desto leichter lassen
sich tarifliche Standards durchsetzen.“
Jens LöbelGeschäftsführer der
NGG-Region Thüringen
NGG-Region Thüringen
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen