„Eine
beeindruckende Leistung, ein Dokument des guten Willens“ ist für
den international renommierten Umweltökonomen Prof. Dr. Alfred
Endres das Abkommen zur Klimastabilisierung als Ergebnis der
UN-Klimakonferenz in Paris 2015. Der Inhaber des Lehrstuhls für
Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie an der
FernUniversität in Hagen kritisiert jedoch, dass der Vertrag dort zu
unpräzise ist, wo es um die konkreten Maßnahmen geht.
„Eine
beeindruckende Leistung, ein Dokument des guten Willens“ ist für
den Umweltökonomen Prof. Dr. Alfred Endres von der FernUniversität
in Hagen das Abkommen zur Klimastabilisierung als Ergebnis der
UN-Klimakonferenz in Paris 2015: „Erstmals haben sich nahezu alle
Länder der Erde auf anspruchsvolle gemeinsame klimapolitische Ziele
geeinigt. Das ist zweifellos ein Riesenfortschritt.“ So stehen
jetzt praktisch alle Staaten hinter dem Vertrag, während das
Kyoto-Protokoll von 1997 nur Industrieländer in die Pflicht nahm.
Der Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere
Wirtschaftstheorie ist allerdings auch auf einige Defizite des
Pariser Abkommens gestoßen: „Ich bedaure es zwar, aber als
Wissenschaftler muss ich die Dinge nüchtern betrachten und bei aller
verständlichen Euphorie doch an einigen Stellen Wasser in den Wein
gießen.“Vor allem kritisiert er, dass der Vertrag dort zu unpräzise ist, wo es um die konkreten Maßnahmen geht, die die Klimaveränderungen beschränken sollen: „Hier fällt das Pariser Abkommen noch hinter das Kyoto-Protokoll zurück, mit dem ja kaum jemand glücklich gewesen ist“, sagt Alfred Endres.
Der renommierte Wissenschaftler konzentriert sich bei seiner Analyse auf die drei wichtigsten Ziele des Pariser Abkommens:
1. Die Erwärmung der Erde soll weniger als 2 Grad Celsius betragen im Vergleich mit dem vorindustriellen Zustand. Noch anspruchsvoller ist das Idealziel der Konferenz: maximal 1,5 Grad Erwärmung.
Laut dem Text des Abkommens wird zunächst eine Bestandsaufnahme der Maßnahmen durchgeführt, die sich die Länder zur Emissionsreduktion bereits selbst vorgenommen haben. Die geplanten Reduktionen werden zusammengeführt (aggregiert). Daraus ergibt sich eine „intendierte globale Reduktion“, die aber nach der Überzeugung der Konferenzteilnehmer nicht zum „unter 2-Grad-Ziel“ führen wird. Das Abkommen fordert die Länder daher auf, ihre Anstrengungen weiter zu erhöhen. Endres: „Es wird aber nicht gesagt, welches Land wie viel beitragen muss, um die Lücke zu schließen. Es gibt nur die aggregierte Vorstellung und Appelle, keine genauen Zuweisungen. Eine zentrale Aufgabe wird im Abkommen also völlig ausgeklammert!“
Demgegenüber verpflichteten sich in Kyoto die teilnehmenden Staaten, bestimmte Reduktionsziele zu erreichen (ob sie das realisierten, steht allerdings auf einem anderen Blatt). Endres: „Seit Paris sitzen alle in einem Boot – aber keiner weiß, wie kräftig er rudern muss.“
2. Langfristig soll weltweit Treibhausgas-neutral gewirtschaftet werden. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts soll ein Ausgleich stattfinden zum Ausstoß von Treibhausgasen, z.B. durch das Pflanzen von Bäumen.
Endres kritisiert: „In dem Abkommen steht nur, dass ‚Treibhausgas-neutral‘ gewirtschaftet werden soll. Nicht, wie dieses Ziel zu erreichen ist.“ Es ist also keine Rede davon, dass dies mit erneuerbaren Energien geschafft werden muss. Der Weg ist offen gehalten.“ Und dieser Weg könnte in anderen Staaten auch zur Atomkraft führen: „Deutschland kann anderen Ländern ja keine Energiewende nach unserem Vorbild gebieten.“
Er kritisiert auch, wie viele Medien den Umsetzungszeitpunkt darstellen: „Oft wird vereinfachend gesagt, dass dies bis 2050 passieren soll. Das Pariser Abkommen legt die Zielerreichung jedoch auf einen undefinierten Zeitpunkt zwischen 2050 und 2099 fest. Das muss deutlicher kommuniziert werden. Schon das Jahr 2050 werden viele Beteiligte nicht mehr in ihren Ämtern erleben, die meisten können kaum zur Rechenschaft gezogen werden.“
3. Die Industriestaaten wollen den Entwicklungsländern finanziell massiv helfen, damit sie die Lasten der Klimaschutzmaßnahmen tragen können.
Eine konkrete Summe hierfür fand Endres nicht im Vertrag, sondern in der vorgeschalteten Entschließung. Die Industriestaaten hatten bereits auf ihrer Konferenz in Kopenhagen zugesagt, jährlich 100 Milliarden Dollar bereit zu stellen. Nur: „Auch hier ist nicht festgelegt, welche Summe jeder Industriestaat einzahlen muss. Ebenso wenig steht im Vertrag, wie die Gelder auf die Entwicklungsländer verteilt werden. Was passiert, wenn ein Entwicklungsland seine finanziellen Erwartungen enttäuscht sieht und sich nicht an das Abkommen hält?“ fragt der FernUni-Wissenschaftler.
Endres findet noch einen weiteren Aspekt, der die Erwartungen dämpft: Das Pariser Abkommen ist keineswegs mit der Vertragsunterzeichnung in Kraft getreten. Das geschieht erst dann, wenn 55 Staaten den Vertrag ratifizieren, die zusammen mindestens 55 Prozent der globalen Emissionen produzieren: „Das ist keine Formsache!“ betont Endres, der auf das Verhalten der USA nach dem Kyoto-Protokoll hinweist: „Sie haben es zwar unterschrieben, aber nie ratifiziert.“
Außerdem kann jeder Staat nach einer gewissen Frist seine Mitgliedschaft im Pariser Abkommen beenden: „Kanada ist aus dem Kyoto-Protokoll ausgestiegen – auch das ist also keine reine Theorie!“ mahnt Endres.
Sein Fazit: „Das Abkommen ist tatsächlich ein Dokument des guten Willens – inwieweit es Realität wird, wird sich erst in den kommenden Jahren erweisen.“
Susanne Bossemeyer Dez. 7.2 – Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, FernUniversität in Hagen
Mitteilung
des idw – wissenschaftlichen Dienstes am 30. Dezember 2015
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