München (10. Dezember 2015). Neun von zehn Deutschen halten gutes Benehmen für einen Erfolgsfaktor im Job und acht von zehn vertreten die Auffassung, dass Umgangsformen wichtiger sind denn je. Das zeigt der Knigge-Report 2015, eine bevölkerungsrepräsentativ quotierte Studie, die das Berliner Meinungsforschungsinstitut Gapfish unter 500 Deutschen für das Buch "Die Knigge-Kur" durchgeführt hat. Wie der jetzt im Beck Verlag erschienene Titel allerdings verdeutlicht, sind Benimmregeln für immer mehr Menschen Mittel zum Zweck. "Knigge ist zurechtgestutzt worden zu einem Werkzeug im Selbstoptimierungsbaukasten. Im Mittelpunkt stehen nicht die Werte, sondern die Erfolgsaussichten", kritisiert Kai Oppel, Autor der Buches.
Laut Knigge-Report lesen oder beantworten 57 Prozent der Deutschen im Jahr 2015 E-Mails in öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Auto sind es rund 47 Prozent, beim Essen lesen und tippen 21 Prozent, im Badezimmer rund 20 Prozent. Bei den Männern sieht es noch etwas dramatischer aus. Hier lesen und schreiben sogar 5 Prozent Mails, während sie selbst Auto fahren. Das Problem besteht laut Oppel darin, dass Knigge seit Jahren vor allem dafür herhalten muss, in der beschleunigten, digitalen und mobilen Welt eine gute Figur zu machen. "Kinder werden zu Kniggekursen geschickt, während Eltern als Vorbild beim Abendessen auf ihren Smartphones herumwischen. Oder sie korrespondieren auf der Toilette sitzend mit dem Chef oder Geschäftspartner", sagt Oppel.
Dabei geht es beim Thema Knigge um mehr als passables Auftreten, indem man selbst bei Tempo 300 noch fehlerfrei eine E-Mail schreibt und nebenbei auf Englisch mit dem Vorstandsvorsitzenden telefoniert. Das Einhalten und Anwenden transformierter Benimmregeln darf vor dem Hintergrund von Digitalisierung, Informationsflut und Mobilität nicht länger Maskerade sein - quasi die gute Miene zum bösen Spiel.
Mit Effizienz zum Businesskasper
"Wer Knigge auf Benimmregeln kürzt, wird zum modernen Businesskasper, der marionettengleich an unsichtbaren Fäden hängt - ferngesteuert von Modediktaten, Terminen, Smartphones, Daten und vor allem den Erwartungen der anderen", heißt es in dem mehr als 250 Seiten umfassenden Buch. Verantwortlich für die Misere sind laut Oppel Faktoren wie Effizienzdenken oder Ökonomisierung, die längst das Denken und Handeln über den Arbeitsplatz hinaus bestimmen. Wie der Knigge-Report 2015 zeigt, bewerten viele Deutsche die Effizienz heute höher als Zurückhaltung oder Bescheidenheit. Mehr noch: Die Effizienz wird als der Wert schlechthin gesehen, der mehr gelebt wird als früher. 42 Prozent sind der Meinung, dass Effizienz heute eine wichtigere Rolle spielt als früher. Zum Vergleich: Nur 8 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Menschlichkeit heute einen größeren Stellenwert einnimmt als in der Vergangenheit.
"Warum wir der Effizienz nachhecheln wie ein Hund dem Würstchen, ist klar. Wir preisen die Effizienz ganz ähnlich wie Knigge. Effizienz verspricht Erfolg, wie auch Knigge Erfolg verspricht", sagt Oppel. Ein Ergebnis: Laut Knigge-Studie surfen mittlerweile rund 40 Prozent nebenbei im Internet oder lesen E-Mails, wenn sie telefonieren. "Doch ausgerechnet dieses Multitasking führt in die Sackgasse. Wir haben Kniggetipps zum Thema Erreichbarkeit, kluge Kniggeratschläge für den Umgang mit der Informationsflut und Knigge soll uns sogar bei der Beschleunigung helfen. Im Augenblick leben wir äußerlich so viel Knigge wie nie. Es gibt sogar Knigge fürs Bett. Innerlich fühlen wir uns aber kniggeleer. Unfrei", sagt Oppel. In dem Buch zeigt der Autor, wie alte und neue Werte tatsächlich zu Mündigkeit und menschenfreundlichen Umgangsformen führen können. Die Knigge-Kur verdeutlicht, wie Aufmerksamkeit, Nachhaltigkeit und Fairness dabei helfen.
Buchtitel: Die Knigge-Kur: So befreien Sie sich von unsinnigen Benimmregeln und falschen Karrierehelfe
Autor: Kai Oppel
254 Seiten,
Verlag: C.H. Beck, 1. Auflage
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ISBN-10: 340668114X
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