| Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
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| Die
Pandemie bringt auch logistische Herausforderungen mit sich und
verschlimmert bekannte Lieferengpässe. Aufgrund des allgemeinen
Papiermangels druckten wir die „Stimmen“ im Dezember-Heft auf glänzendem
Papier. Das Februarheft wird voraussichtlich eine Woche später
ausgeliefert werden. Wir bitten um Ihr Verständnis – wohl wissend, dass
derlei Probleme noch nicht den Weltuntergang einleiten.
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| Dazu,
zu apokalyptischen Szenarien in Bibel, Philosophie und Gesellschaft,
finden sich seit Kurzem immer mehr Beiträge unserer Autorinnen und
Autoren – Anlass für mich, in meinem neuen Editorial (s.u.) zu fragen:
„Ist das Ende nahe?“ „Warum bricht gerade jetzt so massiv die
apokalyptische Stimmung auf?“ Und was hat uns die Frohe Botschaft zur
Apokalypse (dt. „Offenbarung“) heute zu sagen? Auch das kürzlich
gefeierte Weihnachtsereignis, das Kommen (lat. „Advent“) Christi macht
Mut in dunklen Zeiten. Die Themen im Januar: Am 22. Januar wird Rutilio Grande SJ seliggesprochen.
Der Märtyrer starb 1977 im Kugelhagel einer Organisation der
Großgrundbesitzer in El Salvador, weil er sich für die arme
Landbevölkerung einsetzte. Rodolfo Cardenal SJ zeichnet Leben und Wirken
Grandes nach. Warum zündeten die westlichen Ideen in Afghanistan
nicht? Gerhard Beestermoeller führt aus, warum sich Ideale und Werte
nicht einfach überstülpen lassen. Dazu argumentiert er mit Norbert
Elias, José Ortega y Gasset und Gustave Le Bon aus staatstheoretischer
Perspektive. Jörg M. Fegert schildert den gesellschaftlichen und medizinischen Umgang mit traumatisierten Kriegsversehrten
seit dem Ersten Weltkrieg. Auch nach Afghanistan stellt sich
Betroffenen die Sinnfrage „Wofür?“, und damit die Frage nach
Anerkennung. Ausbeutung oder Zuverdienst? Margret Vogt zeigt die unterschiedlichen Ausprägungen von Kinderarbeit weltweit. Anschließend stellt sie mutmachende Projekte des Jesuitenordens, der Franziskanerinnen und der Salesianer Don Boscos vor. Zum 500. Todestag des Theologen Johann Reuchlin
(30. Juni 2022) untersucht Franz Posset die populistische Vereinnahmung
des als „Judenfreund“ beschimpften, papsttreuen Katholiken selbst durch
Martin Luther: ein Medienereignis der Frühen Neuzeit. Digitale Transformation
ohne Reflexion und Bewusstseinsbildung droht, autoritär zu werden.
Martin Lätzel entwickelt konstruktive Perspektiven im Umgang mit immer
neuen Anwendungen und deren Algorithmen – ohne die Digitalisierung zu
verteufeln. Außerdem lesen Sie im Januar einen Essay von Alfred Delp SJ (Vom Vertrauen zur Kirche) sowie Rezensionen aus Philosophie & Ethik. Mit den besten Wünschen für das Neue Jahr 2022 – bleiben Sie gesund! Ihr
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| P. Stefan Kiechle SJ, Chefredakteur
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| Inhalt | |
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| | • | Stefan Kiechle SJ: Apokalypse now? |
| • | Rodolfo Cardenal SJ: Rutilio Grande. Märtyrer der Landpastoral in El Salvador |
| • | Gerhard Beestermoeller: Afghanistan. Warum zünden westliche Ideen nicht? |
| • | Jörg M. Fegert: Stigma psychische Traumatisierung. Das einsame Ringen der Opfer um Gerechtigkeit und Teilhabe |
| • | Margret Vogt: Ausbeutung oder Zuverdienst? Die vielen Gesichter der Kinderarbeit |
| • | Franz Posset: Katholischer Philosemit. Zum 500. Todestag von Johann Reuchlin (1455-1522) |
| • | Martin Lätzel: Die technische Gesellschaft. Über das Verhältnis von Kultur und Digitalisierung |
| • | Alfred Delp SJ: Vom Vertrauen zur Kirche (1941) |
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| Apokalypse now? | |
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| Editorial: Stefan Kiechle SJ
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| Die
vierte Welle der Pandemie rollt – die es wissen konnten, wussten es,
aber niemand hat rechtzeitig gegengesteuert. Neue Varianten wirken noch
heimtückischer. Manche rufen in Todesangst nach noch strengeren
Maßnahmen, andere verweigern aus Angst vor Nebenwirkungen die schützende
Impfung – ein Vertrauensproblem auf beiden Seiten. Außerdem die immer
drängendere Klimakata-strophe: Junge Leute fürchten den Untergang,
fordern härtere Klimapolitik und gehen dafür in Hun-gerstreik; Ältere
und sich für klüger Haltende warnen, dass man keinesfalls die Wirtschaft
zu sehr schädigen dürfe, das wäre der andere Untergang. Dann jene
unheimlich erscheinenden Großmächte, die unser europäisches Lebensgefühl
bedrohen: China und auch wieder Russland setzen ihre geopoli-tischen
Interessen erfolgreich durch, und bei den USA zweifelt man, ob diese
Großmacht nicht in innerer Spaltung und in Hasstiraden versinkt.
Schließlich autokratische Herrscher wie Lukaschenko oder Erdoğan, Trump
oder Putin: Rücksichtslos regieren sie durch zugunsten ihrer Macht,
grenzen Oppositionelle brutal aus, schüren im Volk Ängste, um von ihnen
zu profitieren. Und die Kirchen: Sie zerbröseln hierzulande, und im
Innern reiben sie sich in kulturkämpferischem Streit auf. Was bleibt?
Überall Spaltungen und Gewalt, düstere Mächte und Untergangsszenarien,
und alles beherrscht von Angst? Naht die Apokalypse? In
dieser Zeitschrift wurden in den letzten Monaten mehrere Artikel zu
apokalyptischen Themen aufgenommen: Jan Juhani Steinmann zeigt auf, dass
die Apokalypse nicht zuerst katastrophischer Untergang ist, sondern,
christlich gesehen, Entschleierung von Wahrheit und am Ende – ja! –
Ver-göttlichung des Menschen (Heft 11/2021). Margareta Gruber ofm
beschreibt, wie nach der Johan-nes-Offenbarung die neue Welt Gottes
nicht das verlorene Paradies wiederherstellen wird, sondern einen neuen
urbanen Raum bildet, eine erlöste Kultur (12/2021). Marianne
Heimbach-Steins und Georg Steins lesen die biblische Schöpfungserzählung
(Gen 1) als von einer zentralen politisch und ethisch geprägten
Hintergrundmetapher gesteuert, die für die Gestaltung der nächsten
Zukunft globale ethische Konsequenzen zeitigt (12/2021). Philipp Adolphs
erzählt vom derzeit in den Kinos laufenden vierten Teil der
Matrix-Trilogie, in dem eine Apokalypse voller religiöser Symbolik
erzählt wird (12/2021). Klaus Mertes SJ deutet den apokalyptischen Roman
The Stand von Stephen King theologisch (erscheint demnächst). Werden
wir derzeit von apokalyptischen Phantasien und – in seriösen Kreisen –
von entsprechenden Weltdeutungen überrollt? Ist das Ende nahe? Kritisch
dagegen ist zu sagen, dass es in der Geschichte der letzten
Jahrhunderte immer wieder Krisen und Katastrophen und die entsprechenden
Ängste gab – aber warum bricht gerade jetzt so massiv die
apokalyptische Stimmung auf? Wirken die Bedrohungen jetzt nochmals
globaler? Und daher auch finaler – die Klimaveränderung könnte ja
wirklich das Ende menschlichen Lebens auf diesem Planeten bedeuten?
Fragen kann man auch, ob in Untergangs-Ängsten die Menschen
egois-tischer werden und in endzeitlicher Lebensgier nur noch ihre Haut
retten wollen. Deutlich ist: Sie bleiben gerne in ihrer kommunikativen
Blase und nehmen die Welt nur in oft simplen, manchmal irrationalen und
unverrückbaren Plausibilitäten wahr. Fragen lässt sich auch, warum in
Europa die Menschen so viel Angst um sich haben, auf meist hohem
Lebensniveau – in armen Ländern ist die Lage viel bedrohlicher. Dort
wäre Angst besser begründet, dennoch ist die Stimmung oft besser… Das
Neue Testament kennt sowohl eine präsentische wie auch eine futurische
Apokalyptik. Prä-sentisch bedeutet: Hier und jetzt kippt die Zeit zur
Endzeit, vergeht Altes und beginnt Neues, wirkt Gott Rettung durch alle
Krisen und Abstürze hindurch; jetzt schon ist das Heil da, vielleicht
nur im Fragment, aber wirksam und sichtbar. Futurisch bedeutet, dass
diese Weltzeit noch bleibt, wir sie zu gestalten und uns in ihr zu
bewähren haben und dass das Ende erst in einiger Zukunft und nach
gro-ßen Umwälzungen kommen wird. Apokalypse ist beides, in Paradoxie,
geheimnisvoll. In jedem Fall vollzieht sich Apokalypse nicht in einer
weiterlaufenden Weltgeschichte, sondern sie ist das Kommen Gottes zu
deren Abbruch. Sie ist Endkampf zwischen den Mächten des Guten und denen
des Bösen; dieser Kampf ist nur in der Hoffnung lebbar, dass am Ende
das Gute siegen wird – so die christliche Verheißung und der christliche
Glaube. Im
Neuen Testament sagt Jesus zu den apokalyptischen Verwerfungen: „Wenn
all das beginnt, dann richtet Euch auf und erhebt Eure Häupter; denn
Eure Erlösung ist nahe… Himmel und Erde werden vergehen, aber meine
Worte werden nicht vergehen“ (Lk 21,28.33). Im Alten Testament
verkündigt Jesaja Gottes Wort: „Schon erschaffe ich einen neuen Himmel
und eine neue Erde“ (Jes 65,17). Am Ende der Bibel zitiert der
apokalyptische Seher von Patmos diese prophetische Vision als erfüllt
(Offb 21,1). Vielleicht ist ja tatsächlich das Ende nahe. Aber wäre das
wirklich schlimm? Da-nach wird es uns nur besser gehen.
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| Wir
freuen uns, wenn Sie die „Stimmen der Zeit“ näher kennen lernen wollen,
und schicken Ihnen gerne kostenlos die nächsten zwei Ausgaben zu. Falls
Sie die „Stimmen der Zeit“ nicht regelmäßig lesen möchten, teilen Sie
uns dies innerhalb von einer Woche nach Erhalt der zweiten Ausgabe mit
und alles ist für Sie erledigt
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