Dienstag, 4. Januar 2022

 

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Stimmen der Zeit
Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
 
Die Pandemie bringt auch logistische Herausforderungen mit sich und verschlimmert bekannte Lieferengpässe. Aufgrund des allgemeinen Papiermangels druckten wir die „Stimmen“ im Dezember-Heft auf glänzendem Papier. Das Februarheft wird voraussichtlich eine Woche später ausgeliefert werden. Wir bitten um Ihr Verständnis – wohl wissend, dass derlei Probleme noch nicht den Weltuntergang einleiten.
Stefan Kiechle SJ
Dazu, zu apokalyptischen Szenarien in Bibel, Philosophie und Gesellschaft, finden sich seit Kurzem immer mehr Beiträge unserer Autorinnen und Autoren – Anlass für mich, in meinem neuen Editorial (s.u.) zu fragen: „Ist das Ende nahe?“ „Warum bricht gerade jetzt so massiv die apokalyptische Stimmung auf?“ Und was hat uns die Frohe Botschaft zur Apokalypse (dt. „Offenbarung“) heute zu sagen? Auch das kürzlich gefeierte Weihnachtsereignis, das Kommen (lat. „Advent“) Christi macht Mut in dunklen Zeiten.
 
Die Themen im Januar:
 
Am 22. Januar wird Rutilio Grande SJ seliggesprochen. Der Märtyrer starb 1977 im Kugelhagel einer Organisation der Großgrundbesitzer in El Salvador, weil er sich für die arme Landbevölkerung einsetzte. Rodolfo Cardenal SJ zeichnet Leben und Wirken Grandes nach.
 
Warum zündeten die westlichen Ideen in Afghanistan nicht? Gerhard Beestermoeller führt aus, warum sich Ideale und Werte nicht einfach überstülpen lassen. Dazu argumentiert er mit Norbert Elias, José Ortega y Gasset und Gustave Le Bon aus staatstheoretischer Perspektive.
 
Jörg M. Fegert schildert den gesellschaftlichen und medizinischen Umgang mit traumatisierten Kriegsversehrten seit dem Ersten Weltkrieg. Auch nach Afghanistan stellt sich Betroffenen die Sinnfrage „Wofür?“, und damit die Frage nach Anerkennung.
 
Ausbeutung oder Zuverdienst? Margret Vogt zeigt die unterschiedlichen Ausprägungen von Kinderarbeit weltweit. Anschließend stellt sie mutmachende Projekte des Jesuitenordens, der Franziskanerinnen und der Salesianer Don Boscos vor.
 
Zum 500. Todestag des Theologen Johann Reuchlin (30. Juni 2022) untersucht Franz Posset die populistische Vereinnahmung des als „Judenfreund“ beschimpften, papsttreuen Katholiken selbst durch Martin Luther: ein Medienereignis der Frühen Neuzeit.
 
Digitale Transformation ohne Reflexion und Bewusstseinsbildung droht, autoritär zu werden. Martin Lätzel entwickelt konstruktive Perspektiven im Umgang mit immer neuen Anwendungen und deren Algorithmen – ohne die Digitalisierung zu verteufeln.
 
Außerdem lesen Sie im Januar einen Essay von Alfred Delp SJ (Vom Vertrauen zur Kirche) sowie Rezensionen aus Philosophie & Ethik.
 
Mit den besten Wünschen für das Neue Jahr 2022 – bleiben Sie gesund!
 
Ihr
P. Stefan Kiechle SJ, Chefredakteur
 
Heft 1, Januar 2022:
Stimmen der Zeit - Aktuelles Heft
 
Inhalt
Stefan Kiechle SJ: Apokalypse now?
Rodolfo Cardenal SJ: Rutilio Grande. Märtyrer der Landpastoral in El Salvador
Gerhard Beestermoeller: Afghanistan. Warum zünden westliche Ideen nicht?
Jörg M. Fegert: Stigma psychische Traumatisierung. Das einsame Ringen der Opfer um Gerechtigkeit und Teilhabe
Margret Vogt: Ausbeutung oder Zuverdienst? Die vielen Gesichter der Kinderarbeit
Franz Posset: Katholischer Philosemit. Zum 500. Todestag von Johann Reuchlin (1455-1522)
Martin Lätzel: Die technische Gesellschaft. Über das Verhältnis von Kultur und Digitalisierung
Alfred Delp SJ: Vom Vertrauen zur Kirche (1941)
 
Aus dem aktuellen Heft:
Apokalypse now?
Editorial: Stefan Kiechle SJ 
 
Die vierte Welle der Pandemie rollt – die es wissen konnten, wussten es, aber niemand hat rechtzeitig gegengesteuert. Neue Varianten wirken noch heimtückischer. Manche rufen in Todesangst nach noch strengeren Maßnahmen, andere verweigern aus Angst vor Nebenwirkungen die schützende Impfung – ein Vertrauensproblem auf beiden Seiten. Außerdem die immer drängendere Klimakata-strophe: Junge Leute fürchten den Untergang, fordern härtere Klimapolitik und gehen dafür in Hun-gerstreik; Ältere und sich für klüger Haltende warnen, dass man keinesfalls die Wirtschaft zu sehr schädigen dürfe, das wäre der andere Untergang. Dann jene unheimlich erscheinenden Großmächte, die unser europäisches Lebensgefühl bedrohen: China und auch wieder Russland setzen ihre geopoli-tischen Interessen erfolgreich durch, und bei den USA zweifelt man, ob diese Großmacht nicht in innerer Spaltung und in Hasstiraden versinkt. Schließlich autokratische Herrscher wie Lukaschenko oder Erdoğan, Trump oder Putin: Rücksichtslos regieren sie durch zugunsten ihrer Macht, grenzen Oppositionelle brutal aus, schüren im Volk Ängste, um von ihnen zu profitieren. Und die Kirchen: Sie zerbröseln hierzulande, und im Innern reiben sie sich in kulturkämpferischem Streit auf. Was bleibt? Überall Spaltungen und Gewalt, düstere Mächte und Untergangsszenarien, und alles beherrscht von Angst? Naht die Apokalypse?
 
In dieser Zeitschrift wurden in den letzten Monaten mehrere Artikel zu apokalyptischen Themen aufgenommen: Jan Juhani Steinmann zeigt auf, dass die Apokalypse nicht zuerst katastrophischer Untergang ist, sondern, christlich gesehen, Entschleierung von Wahrheit und am Ende – ja! – Ver-göttlichung des Menschen (Heft 11/2021). Margareta Gruber ofm beschreibt, wie nach der Johan-nes-Offenbarung die neue Welt Gottes nicht das verlorene Paradies wiederherstellen wird, sondern einen neuen urbanen Raum bildet, eine erlöste Kultur (12/2021). Marianne Heimbach-Steins und Georg Steins lesen die biblische Schöpfungserzählung (Gen 1) als von einer zentralen politisch und ethisch geprägten Hintergrundmetapher gesteuert, die für die Gestaltung der nächsten Zukunft globale ethische Konsequenzen zeitigt (12/2021). Philipp Adolphs erzählt vom derzeit in den Kinos laufenden vierten Teil der Matrix-Trilogie, in dem eine Apokalypse voller religiöser Symbolik erzählt wird (12/2021). Klaus Mertes SJ deutet den apokalyptischen Roman The Stand von Stephen King theologisch (erscheint demnächst). Werden wir derzeit von apokalyptischen Phantasien und – in seriösen Kreisen – von entsprechenden Weltdeutungen überrollt? Ist das Ende nahe?
 
Kritisch dagegen ist zu sagen, dass es in der Geschichte der letzten Jahrhunderte immer wieder Krisen und Katastrophen und die entsprechenden Ängste gab – aber warum bricht gerade jetzt so massiv die apokalyptische Stimmung auf? Wirken die Bedrohungen jetzt nochmals globaler? Und daher auch finaler – die Klimaveränderung könnte ja wirklich das Ende menschlichen Lebens auf diesem Planeten bedeuten? Fragen kann man auch, ob in Untergangs-Ängsten die Menschen egois-tischer werden und in endzeitlicher Lebensgier nur noch ihre Haut retten wollen. Deutlich ist: Sie bleiben gerne in ihrer kommunikativen Blase und nehmen die Welt nur in oft simplen, manchmal irrationalen und unverrückbaren Plausibilitäten wahr. Fragen lässt sich auch, warum in Europa die Menschen so viel Angst um sich haben, auf meist hohem Lebensniveau – in armen Ländern ist die Lage viel bedrohlicher. Dort wäre Angst besser begründet, dennoch ist die Stimmung oft besser…
 
Das Neue Testament kennt sowohl eine präsentische wie auch eine futurische Apokalyptik. Prä-sentisch bedeutet: Hier und jetzt kippt die Zeit zur Endzeit, vergeht Altes und beginnt Neues, wirkt Gott Rettung durch alle Krisen und Abstürze hindurch; jetzt schon ist das Heil da, vielleicht nur im Fragment, aber wirksam und sichtbar. Futurisch bedeutet, dass diese Weltzeit noch bleibt, wir sie zu gestalten und uns in ihr zu bewähren haben und dass das Ende erst in einiger Zukunft und nach gro-ßen Umwälzungen kommen wird. Apokalypse ist beides, in Paradoxie, geheimnisvoll. In jedem Fall vollzieht sich Apokalypse nicht in einer weiterlaufenden Weltgeschichte, sondern sie ist das Kommen Gottes zu deren Abbruch. Sie ist Endkampf zwischen den Mächten des Guten und denen des Bösen; dieser Kampf ist nur in der Hoffnung lebbar, dass am Ende das Gute siegen wird – so die christliche Verheißung und der christliche Glaube.
 
Im Neuen Testament sagt Jesus zu den apokalyptischen Verwerfungen: „Wenn all das beginnt, dann richtet Euch auf und erhebt Eure Häupter; denn Eure Erlösung ist nahe… Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ (Lk 21,28.33). Im Alten Testament verkündigt Jesaja Gottes Wort: „Schon erschaffe ich einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Jes 65,17). Am Ende der Bibel zitiert der apokalyptische Seher von Patmos diese prophetische Vision als erfüllt (Offb 21,1). Vielleicht ist ja tatsächlich das Ende nahe. Aber wäre das wirklich schlimm? Da-nach wird es uns nur besser gehen.
 
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