IG BAU fordert „höheren Kontroll-Druck“ im Kreis Nordhausen
Erfurter Zoll: 482 Baufirmen im
ersten Halbjahr 2021 kontrolliert
Unsaubere
Praktiken im Visier: Das Hauptzollamt Erfurt, das auch für den
Landkreis Nordhausen zuständig ist, hat im ersten Halbjahr des
vergangenen Jahres 1.494 Arbeitgeber in der Region kontrolliert. Im
Fokus der Fahnder dabei: illegale Beschäftigung, Sozialbetrug und
Verstöße gegen geltende Mindestlöhne. Allein Baufirmen bekamen 482 Mal
Besuch von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, wie die
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt mitteilt. Die IG BAU beruft
sich dabei auf eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine
Anfrage der Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Grüne).
Demnach
hatten es die Erfurter Zöllner häufig mit Tricksereien beim Lohn zu
tun: In der ersten Jahreshälfte leiteten die Beamten in der gesamten
Region 861 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten ein – etwa weil
Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt wurden.
Hierbei wurden Bußgelder in Höhe von rund einer Million Euro verhängt –
davon 280.000 Euro gegen Bauunternehmen.
„Die Zahlen zeigen,
dass es viele Firmen mit der Bezahlung ihrer Beschäftigten nicht so
genau nehmen. Sowohl bei den speziellen Branchenmindestlöhnen wie auf
dem Bau als auch beim gesetzlichen Mindestlohn“, kritisiert Matthias
Lötzsch, Bezirksvorsitzender der IG BAU Nordthüringen. Der
Gewerkschafter begrüßt die Pläne der Ampel-Koalition in Berlin, das
gesetzliche Lohn-Minimum auf 12 Euro pro Stunde anzuheben. Allein im
Kreis Nordhausen dürften damit die Einkommen Tausender Menschen spürbar
steigen.
Allerdings müsse der Staat sicherstellen, dass sich die
Firmen auch an die Vorschriften hielten – und für einen „höheren
Kontroll-Druck“ sorgen. Das gelinge jedoch nur, wenn die FKS beim
Hauptzollamt Erfurt personell erheblich aufgestockt werde.
„Klettert
der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro und bleibt es gleichzeitig bei
der bisherigen Kontrollquote, ist die Gefahr für Arbeitgeber, bei
Mindestlohnverstößen ertappt zu werden, verschwindend gering. Da muss
man dann schon von reinen ,Placebo-Kontrollen‘ sprechen“, so Lötzsch.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts würden in Deutschland
7,2 Millionen Beschäftigte von einer Mindestlohn-Erhöhung auf 12 Euro
profitieren. „Das sind 7,2 Millionen Lohntüten, auf die der Staat
zusätzlich einen Blick werfen muss“, betont Lötzsch.
Die IG BAU
kritisiert zudem ein „staatliches Zuständigkeits-Wirrwarr“ bei den
Kontrollen. Das führe häufig dazu, dass Missstände ungeahndet blieben.
So seien etwa die Arbeitsschutzbehörden, die über die Einhaltung der
Sicherheitsvorschriften und Standards bei Unterkünften ausländischer
Beschäftigter wachen, personell unterbesetzt. Außerdem hätten sie im
Zuge der Pandemie weitere Aufgaben – wie die Kontrolle der
Homeoffice-Verordnung – bekommen. Die FKS des Zolls hingegen kümmere
sich um die Prüfung von Lohn- oder Steuerabrechnungen. Bei Verstößen
verhänge die FKS zwar Sanktionen gegen die Firmen. Bauarbeiter müssten
sich dann aber um den Lohn, um den sie geprellt wurden, selbst kümmern.
„Perspektivisch
brauchen wir eine staatliche Arbeitsinspektion, die als übergeordnete
Behörde die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und Sozialvorschriften
sicherstellt“, fordert Lötzsch. Eine solche „Arbeitskontrolle aus einer
Hand“ habe sich etwa in Frankreich und Spanien bewährt. Entscheidend sei
hierbei, die Tarifpartner zu beteiligen: „Wenn Gewerkschaften oder
Betriebsräte Hinweise an die Arbeitsinspektion herantragen, muss dies
ebenfalls zu Ermittlungen führen“, so Lötzsch. Außerdem müsse die
Behörde etwa bei Mindestlohnverstößen Nachzahlungen an Beschäftigte
veranlassen dürfen.
Die IG BAU setzt sich zugleich dafür ein,
auffällig gewordene Firmen von der öffentlichen Auftragsvergabe
auszuschließen. „Wir brauchen ein ,Sündenregister‘ für Schwarzarbeit –
eine öffentliche Kartei, in der die Betriebe aufgelistet werden, deren
Geschäftsmodell auf illegaler Beschäftigung und Lohn-Prellerei beruht“,
unterstreicht Lötzsch.
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