NGG: Armut durch höhere Löhne und Kindergrundsicherung bekämpfen
Trotz Job auf Hartz IV angewiesen – 845 Aufstocker im Kreis Nordhausen
Wenn
der Job zum Leben nicht reicht: Im Landkreis Nordhausen sind aktuell
845 Menschen auf Sozialleistungen angewiesen – obwohl sie eine Arbeit
haben. Damit ist mehr als jeder sechste erwerbsfähige Hartz-IV-Bezieher
im Kreis ein „Aufstocker“ (18 Prozent). Das teilt die Gewerkschaft
Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) unter Berufung auf eine Statistik der
Bundesagentur für Arbeit mit.
NGG-Regionalchef Jens Löbel spricht von „alarmierenden Zahlen“.
Es könne nicht sein, dass so viele Menschen trotz Arbeit zum Jobcenter
gehen müssten. „Besorgniserregend ist vor allem der hohe Anteil von
Kindern, die unter Armutsbedingungen aufwachsen“, so der Geschäftsführer
der NGG-Region Thüringen. Laut Arbeitsagentur leben bei
362 Hartz-IV-Aufstockern im Kreis Nordhausen Kinder im Haushalt.
121 dieser Haushalte werden von Alleinerziehenden geführt – 93 Prozent
von ihnen sind Frauen.
Nach Beobachtung des Gewerkschafters sind niedrige Löhne eine
Hauptursache des Problems: „Wer an der Bäckertheke oder in der
Gaststätte arbeitet und dabei nur einen Mini- oder Teilzeitjob hat, für
den wird es am Monatsende extrem eng. Nur wenn die Einkommen deutlich
steigen, kann die Arbeit wieder zum Leben reichen.“ Die Erhöhung des
gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde, wie sie die
Bundesregierung plant, sei dabei ein wichtiger erster Schritt. In
Branchen wie dem Gastgewerbe und dem Lebensmittelhandwerk werde bislang
oft deutlich zu wenig gezahlt – auch weil sich Firmen nicht an
ausgehandelte Tarifverträge hielten. Nach einer aktuellen Studie des
Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) arbeiten
bundesweit drei von vier Aufstockern im Niedriglohnsektor.
„Besonders wichtig ist es, die Lage von Kindern in
Hartz-IV-Haushalten zu verbessern. Armut darf nicht vererbt werden“,
unterstreicht Löbel. Die von der Ampel-Koalition angekündigte
Kindergrundsicherung sei ein „richtiger Schritt“. Mit der Reform sollen
bisherige Leistungen für Kinder gebündelt und ein höheres
Existenzminimum festgelegt werden. „Hier ist entscheidend, das
Armutsrisiko für Kinder zu minimieren – indem die Bedarfssätze für
Heranwachsende deutlich steigen“, so Löbel.
Das von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne)
versprochene Gesetz dazu müsse nun rasch auf den Weg gebracht werden.
Nach Angaben des IAB steigt die Armutsgefahr von Hartz-IV-Empfängern
durch Kinder stark an. Insbesondere für Alleinerziehende: Ihr Risiko,
das Einkommen beim Amt aufstocken zu müssen, liegt mit 40 Prozent am
höchsten.
Wichtig sei zugleich, das Hartz-IV-System zu reformieren, damit
auch Menschen, die derzeit keine Chance auf Arbeit hätten, in Würde
leben könnten. „Der aktuelle Regelsatz für Alleinerziehende von 449 Euro
im Monat ist viel zu niedrig. Für Lebensmittel sind gerade einmal 155
Euro vorgesehen – bei stark steigenden Preisen. Zu Jahresbeginn sind die
Sätze nur minimal erhöht worden. So gibt es für Kinder bis 13 Jahren in
einer Bedarfsgemeinschaft gerade einmal zwei Euro mehr“, erklärt Löbel.
Da Hartz IV der Inflation schon lange hinterherhinke, komme die
aktuelle Erhöhung von 0,76 Prozent einer Kürzung gleich. Mit einem
menschenwürdigen Existenzminimum habe das nichts zu tun.
Löbel begrüßt die Pläne der Bundesregierung, Hartz IV durch ein
sogenanntes Bürgergeld zu ersetzen. Hier dürfe es nicht nur um eine
Namensänderung gehen, sondern es brauche eine echte Reform. Das
Bürgergeld müsse höher sein als die bisherigen Leistungen aus der
Grundsicherung – und für Betroffene leichter zu beantragen. Die
bisherigen, oft sehr harten Sanktionen gehörten grundsätzlich auf den
Prüfstand. Dies habe im Übrigen das Bundesverfassungsgericht
entschieden.
„Beim Thema Aufstocker gilt aber auch: Die Unternehmen stehen
ebenso in der Verantwortung. Sie müssen armutsfeste, tariflich
abgesicherte Jobs bieten, damit niemand überhaupt erst aufstocken muss“,
so Löbel weiter. Faire Löhne und attraktive Arbeitsbedingungen seien
zugleich der beste Schutz vor dem Fachkräftemangel in vielen Branchen.
Wir
danken für Ihr Interesse und stehen für Rückfragen zur Verfügung.
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Ihre
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
Region Thüringen
Jens Löbel
Geschäftsführer
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