370 neue Azubis im Kreis Nordhausen:
NGG fordert bessere Job-Perspektiven
Ausbildungsvertrag
in der Hand, aber was kommt danach? Im Landkreis Nordhausen können sich
derzeit rund 370 Neu-Azubis über eine Lehrstelle freuen. So viele
versorgte Bewerber zählte die Arbeitsagentur zum Start des
Ausbildungsjahres. Damit die Karriere auch nach der Abschlussprüfung
weitergeht, fordert die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
nun bessere Job-Perspektiven für Berufseinsteiger. Eine große Hürde nach
der Ausbildung, so die NGG, ist jedoch der Trend zum Job auf Zeit – zur
Befristung.
Solche
„Arbeitsplätze mit Verfallsdatum“ sind nach einer Studie des Instituts
für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in der Nahrungs- und
Genussmittelbranche besonders verbreitet. Hier sind bundesweit knapp 54
Prozent aller Übernahmen befristet. Ähnlich sieht es bei den
Neueinstellungen aus: Hier zählt die Branche mit einer Befristungsquote
von 73 Prozent zu den Spitzenreitern. Auch in Hotels und Gaststätten
sind diese Arbeitsverträge zum Berufsstart gang und gäbe. Dort sind laut
IAB 35 Prozent aller Übernahmen befristet.
Jens
Löbel, Geschäftsführer der NGG-Region Thüringen, spricht von einer
„Unternehmer-Unsitte“: Es könne nicht sein, dass Betriebe trotz
Hochkonjunktur in vielen Branchen so stark auf Befristungen setzten.
„Wer als Job-Starter eine Familie gründen oder einen Kredit für die
Wohnungseinrichtung bekommen will, der braucht einen sicheren
Arbeitsplatz und keinen Zitter-Vertrag“, so Löbel. Dass Berufseinsteiger
besonders betroffen sind, zeigt auch die amtliche Statistik. So waren
in Thüringen im vergangenen Jahr 17 Prozent der 20- bis 30-Jährigen
befristet beschäftigt – Azubis nicht mitgerechnet. Das geht aus dem
aktuellen Mikrozensus hervor. Danach hatten insgesamt 77.000 Thüringer
lediglich einen befristeten Arbeitsvertrag – das ist immerhin jeder
zwölfte Beschäftigte.
Auf
Unternehmer, die darüber klagen, dass sie im Gastgewerbe oder in der
Ernährungswirtschaft kaum noch Fachkräfte finden, reagiert Löbel mit
einem Kopfschütteln: „Wer nach der Ausbildung nur einen Vertrag auf Zeit
anbietet, der muss sich nicht wundern, dass sich Schulabgänger woanders
umsehen.“ Spezialisten von morgen gewinne man nur mit guten Löhnen,
attraktiven Arbeitsbedingungen und klaren Karriereperspektiven, so der
Gewerkschafter. Befristungen sollten die Ausnahme und nicht die Regel
sein. Zu den wirklich zwingenden Gründen einer Befristung gehörten etwa
eine Probezeit oder Schwangerschaftsvertretung.
„In
den Betrieben haben wir es aber immer häufiger mit Befristungen nach
dem 08/15-Prinzip zu tun. Jobs auf Zeit werden zur gängigen Praxis“,
betont Löbel. Das Bundesarbeitsministerium plane zwar, solche
Arbeitsverhältnisse einzudämmen. Befristungen ohne Sachgrund sollen
danach auf 18 Monate begrenzt werden und maximal 2,5 Prozent der
Belegschaft betreffen. Allerdings wären nach aktuellem Stand Betriebe
mit weniger als 75 Beschäftigten vom Gesetz ausgenommen.
„Ein
Großteil der Beschäftigten im Gastgewerbe und im Lebensmittelhandwerk
hätte davon praktisch nichts“, kritisiert die Gewerkschaft und fordert
daher ein vollständiges Verbot der sachgrundlosen Befristung. Dieses
soll unabhängig von der Betriebsgröße gelten.
Darüber
hinaus fordert die NGG eine Aufwertung der Berufsausbildung. „Es sollte
auch mit dem Gesellenbrief möglich sein, an der Hochschule zu
studieren“, sagt Löbel. Bisher gibt es die Hochschulreife nur mit dem
Abitur. „Viele Branchen wandeln sich mit der Digitalisierung rasant. Das
bringt ganz neue Anforderungen an Fachkräfte. Ein Studium nach der
Lehre kann enorm helfen, sich für die Wirtschaft 4.0 zu wappnen“, so der
Gewerkschafter.
Jens LöbelGeschäftsführer der
NGG-Region Thüringen
NGG-Region Thüringen
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