Seine Thesen sorgen bis heute für Aufsehen, sie werden von Rechten und Linken für ihre Argumentation genutzt, sogar der Bundesgerichtshof musste sich schon damit befassen: Der Kommunikationswissenschaftler Dr. Uwe Krüger analysiert den Vertrauensverlust deutscher Medien und spart dabei nicht mit Kritik an hochrangigen Journalisten. Ein gefundenes Fressen für Populisten? Krüger geht es vor allem um den Diskurs, ein Umdenken und um neue Utopien. Auch die Kommunikationswissenschaft, die all diese Prozesse in unserer Gesellschaft analysiert und zur Verbesserung beitragen kann, müsse revolutioniert werden. Das fordert Krüger in seiner jüngsten Veröffentlichung in der Zeitschrift "Publizistik".
Die einen rufen Lügenpresse, die anderen rufen Verschwörungstheoretiker. Es ist ein Schlagabtausch zwischen rechten und linken Lagern mit dem Mainstream: Denn sie stehen den etablierten Medien zunehmend kritisch bis ablehnend gegenüber. Die Mainstream-Medien würden von der Regierung kontrolliert, sagen die einen, Journalisten steckten mit den politischen Eliten unter einer Decke, wissen die anderen.Ihre Argumentation stützen sie nicht zuletzt auf Forschungsergebnisse von Dr. Uwe Krüger vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig. "Ich habe keine Probleme damit, wenn verschiedene Seiten meine Forschungsergebnisse verwenden. Natürlich pickt sich jeder nur die Fakten heraus, die die eigene Argumentation stützen. Aber es herrscht Meinungsfreiheit. Ich persönlich sehe es als Anstoß für einen notwendigen Diskurs", erklärt Krüger, der sich selbst eher als links orientiert beschreibt.
Die Nähe von Journalisten zu politischen Eliten untersucht
"Ich hätte nicht damit gerechnet, dass meine Forschung, angefangen bei meiner Dissertation, so viel Aufsehen erregt", sagt der 40-Jährige. In seiner Doktorarbeit untersuchte Uwe Krüger die Nähe von namhaften deutschen Journalisten zu politischen und wirtschaftlichen Eliten. Seine These: Die Leitmedien geben oft nur den Diskurs des Establishments wieder, schauen aber nicht darüber hinaus und hinterfragen nicht kritisch.
In einer Netzwerkanalyse trug er die Mitgliedschaften und Ämter verschiedener Journalisten zusammen: So waren etwa der "Zeit"-Herausgeber Josef Joffe und der Außenpolitik-Ressortleiter der "Süddeutschen Zeitung" Stefan Kornelius Teil eines dichten Netzwerks im US- und NATO-affinen Elitenmilieu. Hier trafen sie regelmäßig auf ranghohe Politiker des transatlantischen Bündnisses. "Die Berichterstattung und Kommentarlage der Leitmedien ist häufig westzentrisch und ruft in Teilen der Bevölkerung allergische Reaktionen hervor. Sie teilen die Ansichten nicht und fühlen sich nicht repräsentiert", erklärt Krüger.
Durch die ZDF-Sendung "Die Anstalt" bis zum Bundesgerichtshof
Seine Analyse wurde 2014 von der ZDF-Satiresendung "Die Anstalt" aufgegriffen. Detailliert zeichneten die Kabarettisten die Verstrickungen der Journalisten mit transatlantischen Elitezirkeln nach. Daraufhin zog unter anderem der kritisierte Herausgeber der Wochenzeitung "Die Zeit" Josef Joffe mit einer Unterlassungsklage bis vor den Bundesgerichtshof. Er scheiterte, denn die Fakten zu Interessenkonflikten wegen Mitgliedschaften in Lobbyorganisationen stimmten. "Keiner der untersuchten Journalisten hält es für möglich, dass durch diese Nähe eine Gefahr für die journalistische Unabhängigkeit besteht. Dabei hängt die eigene Perspektive natürlich von der Umwelt ab und von den Netzwerken, in denen man sich bewegt. Das ist bei mir selbst ja nicht anders."
Für seine Forschung erhielt Krüger 2016 den Günter-Wallraff-Preis für Journalismuskritik. Um seine Erkenntnisse weiterzugeben und gesellschaftliche Prozesse mitzugestalten, engagiert er sich mit Vorträgen und Artikeln unter anderem im Auftrag der Bundeszentrale und verschiedenen Landeszentralen für politische Bildung.
"Mein Studium vermittelte mir andere Ideale"
Uwe Krüger studierte an der Universität Leipzig Journalistik. Hier lernte er ein anderes Berufsethos kennen, erinnert sich der Forscher: Journalisten müssten unabhängig sein, die Distanz zu den Mächtigen wahren und sie kontrollieren und kritisieren. Tun sie das nicht, leidet die Glaubwürdigkeit eines ganzen Berufsstandes.
An zwei Ereignissen macht Krüger den Beginn der derzeitigen Vertrauenskrise der Medien fest: Zum einem am USA-Russland-Komplex, also an außer- und sicherheitspolitischen Fragen, die 2014 mit der Besetzung der Krim durch Russland neu gestellt wurden. Zum anderen sei es die Berichterstattung über die Einwanderungs- und Flüchtlingsfrage. In beiden Fällen sieht Uwe Krüger die Werte ungleich verteilt: "Die großen Medien und die Eliten in Deutschland sind von ihrer Grundhaltung her transatlantischer und liberaler als unsere Bevölkerung. Viele fühlen die eigene Sichtweise in den Medien nicht repräsentiert. Diese Repräsentationslücken stecken hinter den Lügenpresse-Vorwürfen." Verstärkt werde dieses Gefühl durch die Angebote des World Wide Web, wo jeder den passenden Artikel finde, der die eigene Sichtweise stützt.
Auch die begleitende Wissenschaft muss sich wandeln
Darauf müsse auch eine Kommunikationswissenschaft reagieren. Sie begleitet nicht nur die Umbrüche im Journalismus analytisch, sie moderiert auch Kommunikationsprozesse in unserer Gesellschaft. "Neben einem kritischen Journalismus brauchen wir auch eine kritisch-konstruktive Kommunikationswissenschaft. Wir müssen uns den Fragen zuwenden, die für eine Gesellschaft insgesamt relevant sind und müssen uns stärker in die öffentliche Diskussion einbringen", fordert Uwe Krüger. Dazu veröffentlichte er zusammen mit Prof. Dr. Michael Meyen von der Universität München kürzlich einen Artikel mit dem Titel "Auf dem Weg in die Postwachstumsgesellschaft. Plädoyer für eine transformative Kommunikationswissenschaft" in der Fachzeitschrift "Publizistik".
Die Kommunikationswissenschaft hat sich in den 1940er Jahren als wissenschaftliche Disziplin etabliert. Doch nun müsse sie sich den Herausforderungen der Zukunft stellen - und damit meinen die Autoren nicht nur den Medienwandel oder die Digitalisierung. Viel weitreichender sind für sie die gesellschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels und der Demokratieerosion, die mit einer wachsenden Ungleichheit und einer Bedrohung von Partizipation und Rechtsstaatlichkeit einhergeht. "Existenzielle Umweltgefahren, miteinander verflochtene und hochgradig ungerechte Wirtschaftskreisläufe und anschwellende Migrationsströme zwingen uns eine kosmopolitische Perspektive auf, in der sich Gerechtigkeits- und Demokratiefragen neu stellen", schreiben die Wissenschaftler in ihrem Artikel.
Krüger und Meyen plädieren für eine "Postwachstumsgesellschaft" und folgen der Forderung eines Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) nach einer Transformation hin zu einer nachhaltigen und klimaverträglichen Weltwirtschaftsordnung. Die beiden Forscher schlagen der Kommunikationswissenschaft dieses politische Ziel vor, das Forschung und Lehre Sinn geben kann. In der Forschung könnte man sich etwa die Fragen stellen, wie bestimmte Bevölkerungsgruppen an diesem Wandel kommunikativ teilhaben können oder inwieweit Massenmedien und soziale Netzwerke bestimmte politische Ideologien befördern. Eine besondere Rolle käme in diesem Transformationsprozess der Wissens- und Wissenschaftskommunikation zu - und gerade Absolventen der kommunikationswissenschaftlichen Studiengänge könnten diesen Prozess und damit den gesellschaftlichen Diskurs besser machen, glauben Krüger und Meyer. Doch nun hoffen sie erst einmal, dass auch viele andere Kommunikationswissenschaftler bereit sind für einen Wandel, um sich großen Herausforderungen gemeinsam zu stellen.
Dr. Katarina Werneburg Stabsstelle Universitätskommunikation/Medienredaktion
Universität Leipzig
Mitteilung des idw – Informationsdienst Wissenschaft am 17.08.2018
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