Papst Franziskus veröffentlicht Brief zum Thema sexueller Missbrauch
Bischof Stephan Ackermann: Aufrüttelndes Schreiben, das zur Erneuerung
aufruft
Papst
Franziskus hat heute (20. August 2018) einen „Brief an das Volk Gottes“
geschrieben, der im Vatikan veröffentlicht wurde. Darin bezieht der
Papst Stellung zum Thema sexueller Missbrauch.
Der Beauftragte für Fragen des sexuellen Missbrauchs im kirchlichen
Bereich und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes, Bischof Dr.
Stephan Ackermann (Trier), erklärt dazu:
Anlass
des Papstschreibens ist der Bericht, der die Fälle von sexuellem
Missbrauch in sechs Diözesen im US-amerikanischen Bundesstaat
Pennsylvania aus den vergangenen
70 Jahren beschreibt. Erneut bringt Papst Franziskus seine Scham und
seine Trauer über diese Verbrechen zum Ausdruck. Mit seinem Schreiben
will der Papst sicher auch ein eindeutiges Zeichen setzen, bevor er am
kommenden Samstag zum Weltfamilientreffen nach
Dublin aufbricht. Denn er wird dem Thema der sexuellen Gewalt in der
Kirche auch dort wieder begegnen. Der Papst macht in seinem Schreiben
unmissverständlich klar, dass er an der Seite der Opfer und ihrer
Familien steht und er sich mit der ganzen Autorität
seines Amtes dafür einsetzt, „dass sich solche Situationen nicht nur
nicht wiederholen, sondern auch keinen Raum finden, wo sie versteckt
überleben könnten.“
Der
Papst hat in den vielen Stellungnahmen, die er in seiner fünfjährigen
Amtszeit zu diesem Thema schon abgegeben hat, noch nie so deutlich
ausgedrückt, dass der sexuelle
Missbrauch durch Priester immer zugleich auch ein Macht- und ein
Gewissensmissbrauch ist. Mehrfach nennt er in dem Schreiben diese drei
Formen des Missbrauchs in einem Atemzug. Für ihn ist klar, dass man dem
ganzen Ausmaß des sexuellen Missbrauchs in der Kirche
nicht gerecht wird und es nicht bekämpfen kann, wenn man in ihm nur ein
isoliertes Phänomen einzelner Täter sieht. Sexueller Missbrauch wird
begünstigt und gedeckt durch die Haltung des Klerikalismus, die der
Papst als eine „anomale Verständnisweise von Autorität
in der Kirche“ brandmarkt und aufs Schärfste verurteilt: „Zum
Missbrauch Nein zu sagen, heißt zu jeder Form von Klerikalismus mit
Nachdruck Nein zu sagen.“
Deshalb
mahnt der Papst in seinem Schreiben auch nicht nur verstärkte
Präventionsbemühungen an, sondern sieht die Notwendigkeit einer „Umkehr
des kirchlichen Handelns“
insgesamt. Aus diesem Grund ruft er das Volk Gottes auf zu Fasten, Buße
und Gebet. Diese Elemente sollen dazu helfen „unsere Augen und unser
Herz für das Leiden der anderen zu schärfen“, „unsere Ohren [zu] öffnen
für den leisen Schmerz der Kinder, der Jugendlichen
und der Behinderten“.
Sicher
wird die Frage gestellt werden, warum der Papst dieses Schreiben an das
ganze Volk Gottes richtet, wo doch die Schuld und Verantwortung in
erster Linie bei den
Priestern, den Bischöfen und Ordensoberen liegt. Spricht der Papst
nicht allzu leicht in der Wir-Form und nimmt damit diejenigen in der
Kirche mit in Haftung, die aufgrund des skandalösen Verhaltens von
Priestern selbst eher zu den Leidtragenden gehören? Der
Brief wird sich diese Frage gefallen lassen müssen. Zugleich lässt der
Papst keinen Zweifel daran, dass er dem Klerus allein nicht die
notwendige Kraft zur Erneuerung zutraut. Vielmehr setzt Franziskus dabei
auf die Hilfe des ganzen Gottesvolkes auch in der
Form, „all das anzuprangern, was die Unversehrtheit irgendeiner Person
in Gefahr bringen könnte.“ Der Papst wünscht sich in der Kirche die
Bereitschaft zu einer Solidarität, „die zum Kampf gegen jede Art von
Korruption, insbesondere der spirituellen, aufruft“.
Mehrfach spricht Franziskus mit den Worten des Buches Exodus vom „Schrei des Volkes“, den Gott, der Herr gehört hat (Ex
3,7 ff), und er zitiert den Lobgesang
der Maria, die darüber jubelt, dass Gott die zerstreut, „die im Herzen
voll Hochmut sind“, dass er „die Mächtigen vom Thron stürzt und die
Niedrigen erhöht“. Voller Scham bekennt der Papst, dass die Unterdrücker
und Mächtigen allzu oft nicht außerhalb, sondern
innerhalb der Kirche saßen und sitzen.
Insofern
ist der Brief des Papstes ein wirklich aufrüttelndes Schreiben, das
auch uns in Deutschland zur Gewissenserforschung und Erneuerung aufruft.
Mit dem von der
Deutschen Bischofskonferenz beauftragten interdisziplinären
Forschungsprojekt „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch
katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich
der Deutschen Bischofskonferenz“ gehen wir einen solchen Schritt.
Während der Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz
werden die Ergebnisse dieses Forschungsprojektes, an dem alle
27 (Erz-)Diözesen beteiligt sind, veröffentlicht.
Hinweis:
Die deutsche Fassung des Briefes von Papst Franziskus ist als Aktuelle Meldung unter
www.dbk.de
sowie als pdf-Datei
auf der Themenseite
„Sexueller Missbrauch“
verfügbar.
20.08.2018
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