Menschen, die sich nach eigenen Angaben durch gewissenhaftes, verträgliches und soziales Verhalten auszeichnen sowie wenig nervös oder ängstlich sind, sind zufriedener als andere. Dies verändert sich jedoch in den letzten Lebensjahren. Das zeigt eine Studie von Wissenschaftlern des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel, des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, der Pennsylvania State University und der Humboldt-Universität zu Berlin, die im „Journal of Personality and Social Psychology“ veröffentlicht wurde.
Die Persönlichkeit eines Menschen ist eng mit seinen Lebensumständen verbunden und wirkt sich darauf aus, wie zufrieden er mit seinem Leben ist. Unter Persönlichkeit verstehen Psychologen die einzigartigen Muster im Denken, Verhalten und Erleben, die eine Person ausmachen. Sie unterscheiden dabei, wie neurotisch, extravertiert, offen für neue Erfahrungen, verträglich und gewissenhaft eine Person ist. Frühere Studien haben gezeigt, dass die Menschen zufriedener sind, die weniger neurotisch, das heißt weniger ängstlich und nervös sind sowie gleichzeitig extravertierter und verträglicher durchs Leben gehen. Doch gilt dies für alle Lebensphasen, insbesondere für die letzten Lebensjahre, gleichermaßen?
Während sich die meisten bisherigen Studien auf das mittlere Lebensalter konzentrierten, werteten die Wissenschaftler Daten von über 600 bereits verstorbenen ehemaligen Befragten der Längschnittstudie Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) aus, die zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 50 und 101 Jahre alt waren und in den letzten zehn Jahren vor ihrem Tod einmal jährlich Angaben zu ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden gemacht haben.
Die Befunde zeigen, wie erwartet, dass die Persönlichkeit eines Menschen auch in den letzten Lebensjahren mit der Lebenszufriedenheit zusammenhängt. Überraschend ist jedoch, dass einige Persönlichkeitseigenschaften, die in früheren Lebensjahren positiv mit dem Wohlbefinden verbunden sind, am Lebensende weniger positiv oder sogar negativ mit der Entwicklung der Lebenszufriedenheit zusammenhängen. Die Ergebnisse sind besonders interessant, da die letzten zehn Lebensjahre häufig von starken Einbußen, etwa in den Bereichen Gesundheit und geistiger Fitness, sowie von einer drastischen Abnahme des Wohlbefindens geprägt sind.
So wirkt sich ein geringer Neurotizismus – das heißt die Tendenz, weniger ängstlich und eher emotional stabil zu sein – in den letzten Lebensjahren weniger positiv auf das Wohlbefinden aus als in früheren Lebensphasen. Ähnliche Befunde ergaben sich für Extraversion und Verträglichkeit: Besonders extravertierte und verträgliche Personen berichteten eine höhere Lebenszufriedenheit einige Jahre vor ihrem Tod, zeigten dann aber einen stärkeren Abfall im Wohlbefinden kurz vor ihrem Tod, sodass sie am Lebensende genauso oder sogar weniger zufrieden waren als weniger extravertierte oder verträgliche Studienteilnehmer. „Die Befunde könnten darauf hindeuten, dass Menschen im hohen und sehr hohen Alter zunehmend davon profitieren, sich stärker auf besonders enge soziale Beziehungen und auch stärker auf die eigenen Bedürfnisse zu konzentrieren, statt sehr viel Energie in die Pflege eines weiten Bekanntenkreises zu investieren, für den die Kraft vielleicht nicht mehr ausreicht“, sagt Erstautorin Swantje Müller, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel, die die Analysen in ihrer Zeit als Doktorandin in der Max-Planck-Doktorandenschule LIFE durchgeführt hat.
Interessanterweise zeigte sich der Effekt von Extraversion aber nur bei Frauen, während die Lebenszufriedenheit von Männern nicht mit ihrer Extraversion zusammenhing. „Dies könnte darauf hinweisen, dass soziale Komponenten für Frauen eine höhere Bedeutung haben, als das bei Männern der Fall ist“, sagt Jenny Wagner, vormals in Kiel und jetzt Professorin an der Unviersität Hamburg. Weiterhin wird aus den Ergebnissen deutlich, dass die Persönlichkeitseigenschaft Gewissenhaftigkeit, welche in früheren Studien besonders häufig mit einem gesunden und glücklichen Leben in Verbindung gebracht wurde, auch in den letzten Lebensjahren noch positiv auf das Wohlbefinden wirkt.
Kerstin Skork Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
Mitteilung des idw - Informationsdienst Wissenschaft am 22.08.2018
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen