Verheerende Stürme, Hitzewellen und Überschwemmungen erreichen
traurige Rekorde: Der globale Klimawandel hat schon heute immense
Auswirkungen und belastet zunehmend auch die Gesundheit von Kindern
und Erwachsenen. Jeder Einzelne ist gefragt, seinen persönlichen
Lebensstil klimaverträglich zu gestalten. Die Grundlagen dafür
müssen bereits im frühen Kindesalter gelegt werden, unterstreicht
die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme. Mit
Hilfe eines neuen Projekts der Stiftung sollen Kinder schon im
Kindergarten klimarelevantes Wissen erlernen und als „Klimaspürnasen“
für ihr künftiges Leben verantwortungsbewusstes Verhalten
einprägen.
„Die meisten Wissenschaftler sind sich einig,
dass der Klimawandel zu einem wesentlichen Teil menschengemacht
ist“,
sagt der Münchner Kinder- und Jugendarzt Professor Dr.
Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Der
Klimawandel wird die Welt verändern. Ihre Folgen dürften die
Lebenswelt unserer Kinder stärker bestimmen, als wir uns das heute
vorstellen können. Wir müssen uns deshalb um effektive
Präventionsmaßnahmen kümmern, je früher umso besser. Dazu dient
das Projekt ‚Klimaspürnasen im Kindergarten‘, das die Stiftung
Kindergesundheit in Zusammenarbeit mit der Bank BNP Paribas
entwickelt hat.“
Kinder und Jugendliche sind aufgrund ihrer
Verletzbarkeit eine spezielle Risikogruppe für Umweltbelastungen.
Für den negativen Einfluss von Klimabedingungen auf ihre Gesundheit
gibt es bereits wichtige Indizien, unterstreicht Professor Koletzko
und nennt Beispiele dafür:
Enorme Risiken durch
Hitze
Extreme Hitze ist weltweit eines der wichtigsten
wetterbedingten Risiken. Direkte Auswirkungen der Hitze sind
beispielsweise Hitzschlag, Dehydrierung, Bewusstlosigkeit,
Hitzekrämpfe und hohe Körpertemperatur. Von Todesfällen und akuten
Erkrankungen durch Hitzewellen sind besonders Menschen mit
Atemwegserkrankungen betroffen, erläutert die Stiftung
Kindergesundheit.
Hitze stellt schon heute eine Gefahr für
die Gesundheit dar, wie das Beispiel des Sommers 2003 aufzeigt. Der
Hitzesommer 2003 war in zwölf europäischen Ländern einer der
heißesten der letzten fünf Jahrhunderte. Die Hitzewellen dieses
Sommers führten europaweit zu einer Zusatz-Sterblichkeit
(Exzess-Mortalität) von über 50.000 Toten. In Deutschland starben
etwa 5.000 Menschen zusätzlich an den Folgen der Hitzebelastung.
Für Kleinkinder (und auch für ältere Personen) stellen
längere Hitzeperioden ein besonders hohes Risiko dar: „Im
Organismus von kleinen Kindern ist die Thermoregulation noch ungenau
eingestellt. Sie schwitzen später als Erwachsene und haben ein
vermindertes Durstgefühl. Dadurch werden Herz und Kreislauf stärker
belastet. Kinder sind deshalb in einer heißen Umgebung weniger
belastungsfähig und brauchen längere Zeit zur Akklimatisierung als
Erwachsene“, sagt Professor Koletzko.
Dicke Luft – kranke
Kinder
Klimaveränderungen sind auch mit einer
Verschlechterung der Luftqualität verbunden. Auch davon sind Kinder
besonders betroffen: Sie reagieren empfindlich auf
Luftverschmutzungen. Ihre Atemwege und Lungen sind in der Entwicklung
und sie atmen infolge einer höheren Atemfrequenz im Vergleich zu
Erwachsenen größere Dosen an luftverschmutzenden Partikeln oder
Gasen ein. Unter den Kindern sind es wiederum besonders diejenigen
mit Asthma, die aufgrund entzündeter und hyperreaktiver Atemwege
stärker gefährdet sind.
Asthma durch Starkregen und
Gewitter
Allergien nehmen zu. Schon heute liegt die Häufigkeit
allergischer Erkrankungen bei Jungen und Mädchen bis zu 17 Jahren
bei 26 Prozent. Bei 12,6 Prozent wurde schon einmal Heuschnupfen, bei
6,3 Prozent Asthma festgestellt. Klimamodelle rechnen bis zum Ende
des 21. Jahrhunderts mit einer globalen Erwärmung von bis 4,8 Grad
Celsius. Durch die Zunahme der Durchschnittstemperatur beginnt die
Pollensaison früher im Frühjahr und hält länger an. Auch das
Auftreten neuer Allergene wird begünstigt.
So ist zu
befürchten, dass der Anstieg der Durchschnittstemperaturen für
Millionen Menschen eine neue Heuschnupfenwelle auslösen könnte.
Durch die häufigeren Hitzegewitter werden außerdem mehr Pollen und
Staub in der Luft verwirbelt und dadurch Asthmaattacken
ausgelöst.
Höhere Temperaturen beeinflussen auch das
Auftreten von sogenannten vektor-übertragenen Infektionskrankheiten.
Als Vektoren bezeichnet man lebende Organismen, die Krankheitserreger
von einem infizierten Tier oder Menschen auf andere Menschen (oder
Tiere) übertragen. Zu den wichtigsten Vektoren zählen Stechmücken,
Zecken, Läuse und auch Nagetiere.
Im Zuge der klimatischen
Veränderungen breiten sich exotische Mückenarten auch in Europa
immer weiter aus, berichtet die Stiftung Kindergesundheit. Die
Zunahme von Hitzeperioden dürfte auch das Vorkommen und die
Verbreitung von Zecken verändern und damit zu einer stärkeren
Ausbreitung der zeckenübertragenen Krankheiten FSME und Borreliose
beitragen.
Der Klimawandel wirkt sich auch auf Schimmelpilze
aus. Es wird vermutet, dass die Kombination von erhöhtem CO2, dem
früheren Einsetzen des Frühlings, wärmeren Wintern sowie regional
höheren Niederschlägen das Wachstum von Schimmelpilzen
fördert.
Prima Klima in der Kita
Um schon Kinder im
Vorschulalter für das Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu
sensibilisieren, hat die Stiftung Kindergesundheit in Zusammenarbeit
mit der Frankfurter Bank BNP Paribas das Projekt „Klimaspürnasen“
ins Leben gerufen. Professor Berthold Koletzko verdeutlicht die Ziele
des Vorhabens: „In Deutschland besuchen 97 Prozent aller Kinder
eine KiTa. Unsere Präventionsstrategie erreicht deshalb Mädchen und
Jungen aller sozioökonomischen Gesellschaftsschichten. Unser Projekt
‚Klimaspürnasen im Kindergarten’ soll die Kinder mit der
Thematik ‚Klimaschutz’ vertraut machen. Mit kindgerechten,
abwechslungsreichen und anschaulichen Spielen, Aktionen und
Experimenten soll es gelingen, die Kinder für das Thema Klima zu
faszinieren. So können schon die Kleinsten erkennen, wie sie durch
ihr Alltagsverhalten im Kindergarten oder zu Hause das Klima schützen
können“.
Wie wirken sich verschiedene Faktoren auf das
Klima aus? Die kleinen „Klimaspürnasen“ erkunden diese Frage in
den Themenbereichen Ernährung, Energie und Mobilität. Einige
Beispiele aus dem Projekt:
Ernährung: Die Kinder lernen mit
Bildkarten, wo Obst und Gemüse wachsen, untersuchen die Verpackung
und Herkunft von Lebensmitteln und erstellen ein Bild (Mandala) aus
echtem Obst und Gemüse. Die verwendeten Produkte werden anschließend
gewaschen, zerkleinert und gemeinsam aufgegessen.
Energie: Die
Klimaspürnasen inspizieren ihren eigenen Kindergarten und spüren
Geräte auf, die Strom benötigen (z.B. Steckdose, Kabel, Licht,
Spül- und Waschmaschine, Klingel, Radio). Die Stromverbraucher
werden in verschiedene Kategorien sortiert. Am Ende dieses
Themenblocks sind die Kinder in der Lage zu unterscheiden, welche
Geräte viel und welche Geräte wenig Energie benötigen.
Mobilität:
Die Kinder basteln aus Müllmaterialien wie Joghurtbecher,
Kartonresten, Plastiktüten und Klopapierrollen verschiedene
Fahrzeuge (Auto, Flieger, Fahrrad, Schiff) und veranstalten ein
„Müll-Rennen“ damit.
Die Pilotphase zur Erprobung des
Projekts erfolgte in vier Kindergärten in Frankfurt am Main:
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung Kindergesundheit haben
dort an jeweils einem Vormittag das neu konzipierte Programm
getestet. Das Ergebnis: Die Kinder waren über die ganze Zeit hinweg
mit Spaß, Interesse und Konzentration dabei. Das Programm wurde auch
von den Erzieherinnen der Kindertagesstätten als interessant und
sehr abwechslungsreich empfunden.
Nach diesen ersten
Erfahrungen zieht Professor Berthold Koletzko ein optimistisches
Fazit: „Wir hoffen, mit den ‚Klimaspürnasen’ unser so
erfolgreiches Kindergartenprogramm in Zukunft mit weiteren
Kooperationspartnern wieder in vielen Einrichtungen einsetzen zu
können“.
Giulia Roggenkamp Pressestelle, Stiftung
Kindergesundheit
Mitteilung des idw . Informationsdienst Wissenschaft am 14. Okt.
2017
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