„Profil einer anspruchsvollen Seelsorge“
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard
Marx, hat den Verlauf der gestern vor einem Jahr zu Ende gegangenen
Bischofssynode zum Thema „Die
Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ und das
Nachsynodale Schreiben
Amoris laetita von Papst Franziskus gewürdigt. Bei einem Vortrag
an der Katholischen Universität Löwen (Belgien) betonte Kardinal Marx am
Dienstagabend (25. Oktober 2016), dass der synodale Weg, den die Kirche
in den beiden vergangenen Jahren gegangen
sei, ein faszinierendes und mutmachendes Geschehen war: „Schon die Art
und Weise, die Gläubigen in den Teilkirchen durch weltweite Befragungen
mit in die Vorüberlegungen zu den Synoden einzubeziehen, war ein mutiger
Schritt hin zu einer neuen innerkirchlichen
Kommunikation, die den offenen Umgang mit der Vielstimmigkeit der einen
Kirche wagt.“ Auf der Synode habe es dann eine offene und ehrliche
Auseinandersetzung gegeben. Dabei seien es immer die Garanten der
Einheit gewesen, die diesen Weg erst möglich gemacht
hätten: „das gemeinsame Anliegen, Ehe und Familie aus dem christlichen
Glauben heraus zu stärken, das Bemühen um die innere und äußere Einheit
der Kirche und nicht zuletzt natürlich die Person des Papstes.
Franziskus hatte von Anfang an betont, er werde die
Fäden zusammenführen und die Diskussionen, die auch konträr verlaufen
dürfen, in seinen Dienst an der Einheit einfließen lassen und so die
Vielfalt an die Einheit zurückbinden.“
Mit dem Nachsynodalen Apostolischen Schreiben
Amoris laetitia habe Papst Franziskus diese Ankündigung
eingelöst. Die Zusammenstellung greife sowohl auf die Tradition der
Kirche, als auch auf die Überlegungen der Synode zurück und verbinde
dies mit den teilweise persönlichen Reflexionen und Hinweisen
des Papstes selbst zu einer Einheit. Amoris laetitia sei als
lehramtliches Schreiben „zugleich auch eine gekonnte und geradezu
kunstvolle Synthese. Dabei ist es ein ausgesprochen sympathischer Aspekt
dieses Schreibens, dass der Papst gar nicht die Ebene
einer Änderung der kirchlichen Dogmatik betritt oder neue Prinzipien
formulieren muss“, so Kardinal Marx. Stattdessen führe Franziskus die
Dinge auf ihren Kern zurück: „auf die Liebe, die im Evangelium verkündet
wird, die Liebe, die es in der Ehe und in der
Familie zu leben gilt – jeden Tag aufs Neue und ein ganzes Leben lang.“
Mit den Überlegungen zur Verwirklichung der Liebe im Alltag von
Ehepaaren und Familien erhalte
Amoris laetitia eine „sehr persönliche und lebensnahe Note und
realisiert gleichzeitig etwas von jenem Ethos des Begleitens,
Unterscheidens und Einbeziehens, das Papst Franziskus in demselben
Schreiben einfordert“.
In seinem Vortrag erinnerte Kardinal Marx an den
Amoris laetitia durchziehenden Dreiklang von Begleiten, Unterscheiden, Einbeziehen.
„Dieser Dreiklang ist der ‚Cantus firmus‘ einer Pastoral, die die
Menschen tatsächlich erreichen und ihnen den Weg, den Gott selbst mit
ihnen in ihrer Lebensgeschichte
geht, erschließen will.“ Die Seelsorge müsse begleitend ein Prozess des Mitgehens auf dem Lebensweg sein. Die
Unterscheidung beziehe sich insbesondere auf die Individualität
der Biographien und der biographischen Situationen, in denen Menschen
stehen. Das
Einbeziehen betreffe wiederum die Offenheit der Kirche und ihrer
Seelsorge. Sie solle „die Menschen einladen und soweit es die jeweilige
Situation und der Wille der jeweiligen Person zulassen, mit hineinnehmen
in das pilgernde Volk Gottes, das selbst
unterwegs ist“.
Kardinal Marx unterstrich die Herausforderungen, die sich durch
Amoris laetitia für die Seelsorge ergeben. Die Lebenswege der
Menschen, die zur Kirche kämen, seien individuell ausgeprägt. „Immer
stärker wird daher die Anforderung, erst einmal zuzuhören, aufzunehmen,
anzunehmen, einzuordnen ohne abzustempeln und dann
miteinander nach vorne zu sehen und Wege zu suchen. Immer mehr geht es
deshalb um das Profil einer
anspruchsvollen Seelsorge. Damit soll nicht behauptet werden, die
Seelsorge habe in der Vergangenheit keine Qualität besessen“, sagte
Kardinal Marx. Aber der Aufwand, um in der Seelsorge der jeweiligen
Person gerecht zu werden, sei gestiegen.
Amoris laetitia trete mit dem Anspruch an, die Menschen nicht
sich selbst zu überlassen in der Annahme, dass sie schon das Richtige
tun werden. „Die Seelsorge der Kirche darf sich weder in einem
Rigorismus üben, der unbesehen allen die gleichen hohen
Anforderungen auferlegt, noch darf sie sich auf einen Stil des
‚laissez-faire‘ zurückziehen, der den Menschen letztlich nichts mehr zu
sagen hat.
Begleiten, Unterscheiden und Einbeziehen bedeutet die
Suche nach einem Weg, der gerade diese Fehler vermeidet.“ Das, so
Kardinal Marx, sei mühsam, aber darin liege auch die Chance der
Begegnung von Person zu Person, aus der allein der Glaube erwachsen
könne.
Kardinal Marx hob hervor, dass die Aufgabe, die den Hirten der Kirche und pastoralen Mitarbeitern aus
Amoris laetitia erwachse, zweifellos anspruchsvoll sei. „Mit
seinem herzlichen Ton, seiner lebensnahen Sprache und seiner Offenheit
für die Weiterentwicklung der Seelsorge hat Papst Franziskus aber einen
Wunsch der Synode auf jeden Fall eingelöst: Er
hat uns einen starken Impuls für diese pastorale Arbeit gegeben. Diesen
Rückenwind für die Seelsorge gilt es jetzt zu nutzen.“
Mitteilung der Deutschen Bischofskonferenz am 26.10.2016
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