Donnerstag, 27. Oktober 2016

Das Lutherjahr 2017 vor der Eröffnung

Mancher ist dieses Endlosgedenkens schon überdrüssig. Dabei geht das große Reformationsjubiläumsjahr "Luther 2017" jetzt erst richtig los:
In Wittenberg wurde am vergangenen Wochenende das Panorama "LUTHER 1517" des Künstlers Yadegar Asisi eröffnet, mit Schirmherrin Margot Käßmann und allem Pipapo. 360° weit wird die Geschichte von Luthers Reformation dort dargestellt - und der Betrachter steht mittendrin. Bei der ganzen Feierei gerät mitunter in Vergessenheit, worum es den Menschen damals eigentlich ging, bevor Machtfragen die Oberhand bekamen: Um Angst und Verdammnis, Befreiung und Erlösung, Glauben und Gnade, Himmel und Hölle. Letztere sind seit der Aufklärung zwar weitgehend "abgeschafft", Angst und die Sehnsucht nach Befreiung prägen unsere Existenz aber nach wie vor. So taugt das Reformationsgedenken zwar durchaus zur angeregten Reflexion des eigenen Stands in Zeit und Welt - sie taugt aber auch zum Geschichtenerzählen und ist Anlass zu den unterschiedlichsten Events im Namen Luthers.

Dieser Text in seinem Grundkonsens stammt nicht von mir, sondern ist sinngemäß die Einleitung des jüngsten Kirchen-Newsletter des Bayerischen Rundfunks. Und ich finde diese mögliche Überdrüssigkeit nicht verwunderlich, begannen die ersten Publikationen, an die ich mich erinnere und nach meinem Archiv bereits im Jahr 2014. Da bot „Evangelisch.de“ im März 2014 unter dem Titel „Themenjahr „Reformation und Politik“ ein vielfältiges Programm über das
gesamte Jahr. Das setzte sich 2015 kontinuierlich fort, wobei ich bemerkenswert fand, dass sich die EKD-Synode 2015 in Bremen in Hinblick auf das Lutherjahr 2017 von Luthers Judenfeindschaft eindeutig distanzierte. Damals hieß es bei EPD (Auszug): „Zum 500. Reformationsjubiläum 2017 will die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) weitere Lehren aus der Haltung Martin Luthers zu den Juden ziehen. In einer in Bremen einstimmig beschlossenen Kundgebung distanziert sich die EKD-Synode von den judenfeindlichen Aussagen Luthers und anderer Reformatoren. Luthers Empfehlungen zum Umgang mit Juden seien widersprüchlich und hätten Schmähungen und Forderungen nach vollständiger Entrechtung und Vertreibung der Juden eingeschlossen. Im Vorfeld des Reformationsjubiläums können wir an dieser Schuldgeschichte nicht vorbeigehen.“ (Ende des Auszugs). Diese weitgehende Distanzierung von judenfeindlichen Reformatorenäußerungen und -
Veranlassungen finde ich deshalb bemerkenswert, als ja erst kürzlich in der „Nordhäuser Allgemeine“ ein Leser gegen den Namengeber des Kunsthauses Meyenburg ätzte.
In diesem Jahr setzte sich die Veranstaltungs- und Eventreihe um das Lutherjahr 2017 weiter fort, wobei mir auffiel, dass sich mit zunehmender Nähe dieses Lutherjahr zunehmend jahrmarktähnliche Tendenzen bemerkbar machen. Dazu las ich in der Mitteldeutschen Presse am 16.07.(Auszug): "Wir leben nun mal im Kapitalismus", sagt der Präsident der Deutschen Lutherweg-Gesellschaft in Wittenberg, Ekkehard Steinhäuser. "Ich bewundere Kreativität. Aber ich gebe zu, dass die Fantasie manchmal merkwürdige Blüten treibt." So gibt es Luthertomaten, Lutherbrot, Lutherbier, Luther-Shirts, Lutherschnäpse, Schneekugeln mit Luther, Münzen, Filme, Puzzles, Bücher und Kugelschreiber. Eine Gesamtsumme, wie viel mit der Marke Luther verdient wird, gibt es allerdings nicht.“ (Ende des Auszugs).
Immerhin: Kurz vor dem Auftakt des Gedenkjahres zu "500 Jahren Reformation" legt die Evangelische Kirche in Deutschland eine Neuübersetzung der Lutherbibel vor. Für die neue Ausgabe waren 70 Wissenschaftler am Werk. Fünf Jahre lang haben Theologen, Exegeten und Germanisten an Textstellen gefeilt, um die richtige Übersetzung gerungen, heutiges Sprachverständnis mit den Urtexten abgewogen. Von den rund 31.000 Versen der Bibel sind rund 40 Prozent geändert worden, zum Teil nur leicht. Fett gedruckt sind in der Lutherbibel 2017 nur noch die Stellen, die tatsächlich auch die Kernstellen sind für Taufe, Konfirmation und Trauung. Wie zum Beispiel Psalm 23 "Der Herr ist mein Hirte". Am 30. Oktober wird die neue Bibel offiziell in den Gottesdienst eingeführt, in der Lutherstadt Eisenach am Fuß der Wartburg, auf der Luther vor fast 500 Jahren das gesamte Neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche übersetzte.“

Und nun erscheint in Nordhausen ein Flyer zum beginnenden „Lutherjahr 2017“, mit einem Programm, das alles an historischen und geschichtlichen Vorgängen umfasst und aus der möglichen Vergessenheit holt, was jene Zeit um 1517 ausmachte. Daneben aber auch viele Angebote, in denen das Lutherjubiläum 2017 lediglich zum Anlass von Vorgängen und Veranstaltungen genommen wird, die mit dem Reformator rein gar nichts zu tun haben. Der Flyer gibt Auskunft, wie man mit zwölf Schritten ins Reformationsjahr 2017 findet. Und dessen umfangreiche Inhalt bzw. Programme sind meines Erachtens schon deshalb erstaunlich, als sich Nordhausen zwar schon frühzeitig der Reformation öffnete, aber mit dem Reformator Luther selbst eigentlich sehr wenig Kontakt hatte oder pflegte. Er war wohl auch nur zweimal kurz in Nordhausen. Eine Diskrepanz, die aber vielleicht noch erklärt und erläutert wird. Oder man feiert einfach.

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