Mancher
ist dieses Endlosgedenkens schon überdrüssig. Dabei geht das große
Reformationsjubiläumsjahr "Luther 2017" jetzt erst richtig
los:
In
Wittenberg wurde am vergangenen Wochenende das Panorama "LUTHER
1517" des Künstlers Yadegar Asisi eröffnet, mit Schirmherrin
Margot Käßmann und allem Pipapo. 360° weit wird die Geschichte von
Luthers Reformation dort dargestellt - und der Betrachter steht
mittendrin. Bei der ganzen Feierei gerät mitunter in Vergessenheit,
worum es den Menschen damals eigentlich ging, bevor Machtfragen die
Oberhand bekamen: Um Angst und Verdammnis, Befreiung und Erlösung,
Glauben und Gnade, Himmel und Hölle. Letztere sind seit der
Aufklärung zwar weitgehend "abgeschafft", Angst und die
Sehnsucht nach Befreiung prägen unsere Existenz aber nach wie vor.
So taugt das Reformationsgedenken zwar durchaus zur angeregten
Reflexion des eigenen Stands in Zeit und Welt - sie taugt aber auch
zum Geschichtenerzählen und ist Anlass zu den unterschiedlichsten
Events im Namen Luthers.
Dieser
Text in seinem Grundkonsens stammt nicht von mir, sondern ist
sinngemäß die Einleitung des jüngsten Kirchen-Newsletter des
Bayerischen Rundfunks. Und ich finde diese mögliche Überdrüssigkeit
nicht verwunderlich, begannen die ersten Publikationen, an die ich
mich erinnere und nach meinem Archiv bereits im Jahr 2014. Da bot
„Evangelisch.de“ im März 2014 unter dem Titel „Themenjahr
„Reformation und Politik“ ein vielfältiges Programm über das
gesamte Jahr. Das setzte sich 2015 kontinuierlich fort, wobei ich
bemerkenswert fand, dass sich die EKD-Synode 2015 in Bremen in
Hinblick auf das Lutherjahr 2017 von Luthers Judenfeindschaft
eindeutig distanzierte. Damals hieß es bei EPD (Auszug): „Zum 500.
Reformationsjubiläum 2017 will die Evangelische Kirche in
Deutschland (EKD) weitere Lehren aus der Haltung Martin Luthers zu
den Juden ziehen. In einer in Bremen einstimmig beschlossenen
Kundgebung distanziert sich die EKD-Synode von den judenfeindlichen
Aussagen Luthers und anderer Reformatoren. Luthers Empfehlungen zum
Umgang mit Juden seien widersprüchlich und hätten Schmähungen und
Forderungen nach vollständiger Entrechtung und Vertreibung der
Juden eingeschlossen. Im Vorfeld des Reformationsjubiläums können
wir an dieser Schuldgeschichte nicht vorbeigehen.“ (Ende des
Auszugs). Diese weitgehende Distanzierung von judenfeindlichen
Reformatorenäußerungen und -Veranlassungen finde ich deshalb bemerkenswert, als ja erst kürzlich in der „Nordhäuser Allgemeine“ ein Leser gegen den Namengeber des Kunsthauses Meyenburg ätzte.
In
diesem Jahr setzte sich die Veranstaltungs- und Eventreihe um das
Lutherjahr 2017 weiter fort, wobei mir auffiel, dass sich mit
zunehmender Nähe dieses Lutherjahr zunehmend jahrmarktähnliche
Tendenzen bemerkbar machen. Dazu las ich in der Mitteldeutschen
Presse am 16.07.(Auszug): "Wir leben nun mal im Kapitalismus",
sagt der Präsident der Deutschen Lutherweg-Gesellschaft in
Wittenberg, Ekkehard Steinhäuser. "Ich bewundere Kreativität.
Aber ich gebe zu, dass die Fantasie manchmal merkwürdige Blüten
treibt." So gibt es Luthertomaten, Lutherbrot, Lutherbier,
Luther-Shirts, Lutherschnäpse, Schneekugeln mit Luther, Münzen,
Filme, Puzzles, Bücher und Kugelschreiber. Eine Gesamtsumme, wie
viel mit der Marke Luther verdient wird, gibt es allerdings nicht.“
(Ende des Auszugs).
Immerhin:
Kurz vor dem Auftakt des Gedenkjahres zu "500 Jahren
Reformation" legt die Evangelische Kirche in Deutschland eine
Neuübersetzung der Lutherbibel vor. Für die neue Ausgabe waren 70
Wissenschaftler am Werk. Fünf Jahre lang haben Theologen, Exegeten
und Germanisten an Textstellen gefeilt, um die richtige Übersetzung
gerungen, heutiges Sprachverständnis mit den Urtexten abgewogen. Von
den rund 31.000 Versen der Bibel sind rund 40 Prozent geändert
worden, zum Teil nur leicht. Fett gedruckt sind in der Lutherbibel
2017 nur noch die Stellen, die tatsächlich auch die Kernstellen sind
für Taufe, Konfirmation und Trauung. Wie zum Beispiel Psalm 23 "Der
Herr ist mein Hirte". Am 30. Oktober wird die neue Bibel
offiziell in den Gottesdienst eingeführt, in der Lutherstadt
Eisenach am Fuß der Wartburg, auf der Luther vor fast 500 Jahren das
gesamte Neue Testament in nur elf Wochen ins Deutsche übersetzte.“
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