Sonntag, 22. November 2015

Die Welt mit ihren schönsten Seiten dargestellt

Der an der Musik des Loh-Orchesters interessierte Mensch kennt Tilmann Graner hauptsächlich als Fagottist dieses Orchesters. Und wer die Mitteilungen des Theaters Nordhausen liest, wird häufig deren Illustrationen mit den Namen Tilmann Graner als Fotografen entdecken. Demzufolge ließ auch die am Samstag eröffnete Fotoausstellung dieses Musikers und Fotografen vermuten, dass es sich zumindest teilweise um Bilder aus diesem Themenbereich handeln werde. Weit gefehlt, die Vernissage vermittelte von Tilmann Graner und der Ausstellung ein ganz anderes Bild.


Ich kann es mir imGrunde leicht machen und hinsichtlich der ausgestellten Bilder auf die Vorschau des Vorsitzenden des Fördervereins Kunsthaus Myenburg, Dr. Wolfgang Pientka vom 15. November verweisen oder doch Auszüge daraus zitieren.
Gleiches könnte für die musikalische Umrahmung dieser Vernissage durch Silke Gonska gelten, die ja kurz vorher im Kunsthaus ein Konzert gab, das dann von Dr. Pientka am 16. 11.gewürdigt wurde. Und schließlich trug ja auch das Theater Nordhausen selbst mit einer Ankündigung dieser Ausstellung und deren Ausgestaltung zur Eröffnung bei. Immerhin sei darauf wenigstens verwiesen, die Vernissage selbst eröffnete dann auch noch andere Sichtweisen und Umstände.


Die kamen von deren Leiterin des Kunsthauses, Kunsthistorikerin Susanne Hinsching, die Tilmann Graner dem zahlreich gekommenen Publikum im
Rahmen ihrer Laudatio vorstellte, und danach mit dem Hinweis in die Ausstellung einführte: „Die Werke von Tilmann Graner, die wir Ihnen heute in der Ausstellung „Out of White-On the Beach“ vorstellen, sprengen ...die vorgegebenen Grenzen der künstlerischen Technik.“ Und das erläuterte sie ausführlich, beginnend mit der geschichtlichen Entwicklung der Photographie ab dem Jahr 1856 und der damaligen Feststellung des französischen Fotografen und Luftschiffers Nadar (Fèlix Tournachon): „Die Photographie ist eine wunderbare Entdeckung, eine Wissenschaft, welche die größten Geister angezogen, eine Kunst, welche die klügsten Denker angeregt – und doch von jedem Dummkopf betrieben werden kann.“ Und es wurde durch ihre weiteren Ausführungen ganz schnell deutlich, dass Graner zu denen gehört, der seine Fototätigkeit zu einer Kunst formte, die in den Bildern der Ausstellung überzeugend Ausdruck finden (Ich komme auf die
Laudatio der Kunsthistorikerin Susanne Hinsching nach Auswertung des Mitschnitts noch zurück.)


Danach stellte sich Tilmann Graner selbst vor. Und wenn ich es bis jetzt vermied, von ihm als Künstler zu schreiben, dann deshalb, weil Graner ein Bild von sich selbst zeichnete, das ihn gleichermaßen als Wanderer, Weltreisenden oder Weltenbummler, Bergsteiger und eben Fotografen ausweist. Und davon erzählte er in außerordentlich gefälliger Weise. Hier und diesmal allerdings am wenigsten von sich als Musiker, der er doch im Hauptberuf ist.


Dafür also Ergebnisse seiner Fototätigkeit. Dazu hieß es u.a. schon in der Vorschau von Dr. Pientka am 15.11. sinngemäß: „Gezeigt werden ca. 100 Fotos, aber allein
der Blick auf eine Auswahl reichen aus, um einer gewissen Faszination zu erliegen. Es erfolgt beim Betrachten auch eine Art „Out“. Nach wenigen Augenblicken fühlt man sich losgelöst von dem Trubel, der Unruhe unseres Alltags und taucht ein in diese Stille, die fast greifbar von diesen Motiven ausstrahlt. Und der Fragen werden mehr - wie auch eine Ahnung des Verstehens. Wenn Tilmann Graner anmerkt, dass die Besonderheiten der Lokalität - ein Gletscher in Grönland oder den Rocky Mountains, die Tundra in Norwegen oder der Wald im Harz - dabei in den Hintergrund rücken, dann erschließen sich diese Motive und scheinen den Betrachter in eben dieses Weiß zu rücken, dass doch laut Titel eigentlich ‚out‘ sein sollte. Und die Beach? Wieder keine Postkartenidyllen, keine romantische Landschaften. Es finden sich Motive mit Hinterlassenschaften der Menschen, die vielleicht noch kurz zuvor an diesem Ort weilten – eine
einsame Bank, vergessenes Spielzeug, eine betonierte Promenade…Und diese oft einsam stehenden Details lassen so die bloße Natur zu Orten menschlichen Daseins werden. Auch hier die Spannweite der Aufnahmeorte - vom Stausee Kelbra über Polen bis nach Grönland. Und wieder eine Frage: Gibt es Berührungen mit „Out of the White“? Antwort: „Vielleicht, gelegentlich – doch vielleicht kann es auch einmal ein Augenzwinkern geben“; wobei es offen bleibt, ob dieses Augenzwinkern sich auf diesen Zusammenhang bezieht oder mehr in dem leicht schmunzelnden Ausdruck von Tilmann Graner zu finden war. Für den
Unterzeichner, der gern und oft fotografiert, eine Lehrstunde zu Motiv, Licht, Ausdruck und Ausstrahlung dieser Fotografien. Und so ist es schön zu wissen, dass die Besucher des Kunsthauses diese neue Sonderausstellung vom 21. November bis 24. Januar schauen können – und dass es einen Gesprächsabend mit Tilmann Graner am 10. Dezember geben wird.


Wenn ich hier zur eigentlichen Ausstellung zunächst Zuflucht zur Vorschau des Dr. Pientka nehme, dann deshalb, weil ich bisher nur die im Erdgeschoß des Kunsthauses ausgestellten Bilder in
Augenschein nehmen konnte. Einfach deshalb, weil ich den Besuch des Obergeschosses aus Gründen körperlicher Einschränkung zunächst verschieben muss. Es soll nachgeholt werden.


Schließen kann ich nicht, ohne auch die musikalische Umrahmung der Vernissage durch Silke Gonska zu erwähnen: es gab – wie schon bei dem Konzert eine Woche zuvor – Musik ‚vom Feinsten‘, wenn auch nur jeweils in kurzen Vorträgen. Das Publikum dankte mit viel Beifall.



Bleibt schließlich noch zu erwähnen, dass am Donnerstag, 26. November, um 19 Uhr im Kunsthaus-Keller die Ausstellung „Von Angesicht zu Angesicht“ mit Bildern von Mezzosopranistin Anja Daniela Wagner eröffnet wird. Sie beschäftigt sich vor allem mit Porträtfotografie. Dazu wird in der Ankündigung des Theaters die Fotografin zitiert: „Ich versuche, den Menschen hinter dem Foto zu zeigen. Dabei kommt es mir auf die Ausdrucksstärke des Gesichts an“, beschreibt Anja Daniela Wagner ihre Fotografien, die sie bereits in Halle ausgestellt hat. Bei der Auswahl half ihr damals Susanne Hinsching, Leiterin des Kunsthauses Meyenburg, und so entstand der Plan, diese Bilder auch in Nordhausen zu zeigen. Und Susanne Hinsching freut sich: „Ich bin einfach nur hin und weg“. Die Ausstellungen beider Künstler werden bis zum 24. Januar 2016 zu sehen sein.

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