Nordhausen. Die Historiker Stefan Hördler
und Jens-Christian Wagner stellen ihre neuen
Forschungsergebnisse und Publikationen zur Geschichte des
KZ-Systems im letzten Kriegsjahr vor. Im Mittelpunkt steht die
Frage nach dem Spannungsverhältnis zwischen
politisch-ideologischen und ökonomisch-utilitaristischen
Maximen sowie zwischen Chaos und Rationalisierung.
In seinem
Buch „Ordnung und Inferno“ erweitert Stefan Hördler das in der
Forschung vertretene Bild, die Schlussphase der
nationalsozialistischen Konzentrationslager sei durch
Desorganisation, Chaos und Willkür geprägt gewesen. Auf einer
dichten und vielerorts neuen Quellenbasis zeigt er, dass ab
März 1944 nicht Chaos, sondern eine umfassende Neuordnung des
KZ-Systems einsetzte, und dass das letzte Kriegsjahr eine
eigenständige Phase in der Genese der Lager darstellte. Ab
1944 verfolgte das NS-Regime zwei Ziele: erstens eine von
außen (so durch den Rüstungsminister Albert Speer) forcierte
Ökonomisierung und zweitens eine von innen (Lager-SS)
geforderte Stabilisierung des Lagersystems. Zur Analyse beider
Dimensionen führt der Autor den Begriff der Rationalisierung
ein, unter dem sowohl die Massenmorde als auch eine
utilitaristisch ausgerichtete »Auslese« der arbeitsfähigen
Häftlinge als Teile dieser Entwicklung zusammengefasst werden
können.
Jens-Christian
Wagner legt eine aktualisierte und erweiterte Neuauflage
der
Monografie „Produktion des Todes“ zur Geschichte des KZ
Mittelbau-Dora vor, dessen dichtes Netz von Außenlagern in den
letzten beiden Kriegsjahren den Harz überzog. Tausende
Häftlinge starben beim Bau unterirdischer Rüstungsanlagen, die
den Nationalsozialisten den propagierten »Endsieg« bringen
sollten. Jens-Christian Wagner untersucht auf Grundlage
weitgehend unveröffentlichter Quellen aus zahlreichen Archiven
die Kooperation von SS und Rüstungsindustrie und das
Wechselverhältnis von Vernichtung und Arbeit. Differenziert
stellt der Autor Opfergruppen und exemplarische
Täterbiografien dar und fragt nach der Einbindung der Lager in
ihr gesellschaftliches Umfeld: Welche Auswirkungen hatte das
Hineinwachsen des Lagersystems in die Tätergesellschaft, wie
wirkte sich die Präsenz der KZ-Häftlinge auf die Bevölkerung
in der Umgebung der Lager aus?
Stefan Hördler und Jens-Christian
Wagner stellen ihre Forschungsergebnisse am 7. Dezember 2015
um 20 Uhr in den Räumen des Wallstein Verlags in Göttingen,
Geiststraße 11, vor. Im Anschluss besteht die Möglichkeit zu
Gespräch und Diskussion.
Die Buchvorstellung findet in Kooperation mit dem Wallstein Verlag innerhalb einer Veranstaltungsreihe in Göttingen zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus statt. Organisiert wird die Reihe von einem Bündnis verschiedener Gruppen und Institutionen, in dem seit vielen Jahren auch die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora vertreten ist.
Stefan Hördler, Historiker, ist Leiter der
KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora.
Jens-Christian Wagner, Historiker, ist Geschäftsführer
der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten.
Zu den Publikationen:
Stefan Hördler: Ordnung und Inferno. Das KZ-System im letzten Kriegsjahr, Göttingen: Wallstein Verlag 2015. ISBN: 978-3-8353-1404-7 (http://wallstein-verlag.de/9783835314047-stefan-hoerdler-ordnung-und-inferno.html).
Stefan Hördler: Ordnung und Inferno. Das KZ-System im letzten Kriegsjahr, Göttingen: Wallstein Verlag 2015. ISBN: 978-3-8353-1404-7 (http://wallstein-verlag.de/9783835314047-stefan-hoerdler-ordnung-und-inferno.html).
Jens-Christian
Wagner: Produktion des Todes. Das KZ Mittelbau-Dora, aktualis.
und erw. Neuaufl., Göttingen: Wallstein Verlag 2015 (http://wallstein-verlag.de/9783835315075-jens-christian-wagner-produktion-des-todes.html).
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