Kommunikations- und Sozialwissenschaftler der Universität Jena legen Studienergebnisse zur Einstellung der Deutschen zum Islam vor
Der Schock sitzt tief: Islamistische Terroristen haben am vergangenen Wochenende in Paris mehrere Veranstaltungen und Vergnügungsorte angegriffen und weit mehr als einhundert Menschen getötet. Schon kurze Zeit nach den Anschlägen wurden erste Stimmen laut, die aktuelle Flüchtlingspolitik zu überdenken und die Einwanderung der vorwiegend muslimischen Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten des Nahen Ostens nach Europa zu stoppen. Aber auch bereits vor den Anschlägen von Paris gingen vor allem in Ostdeutschland regelmäßig Anhänger der Pegida auf die Straße, um gegen die vermeintliche Unterwanderung unserer Gesellschaft durch den Islam zu demonstrieren. Leben die Menschen in Deutschland also in Angst vor dem Islam?Nein, keineswegs; zumindest nicht bis zum September 2015. Das haben Kommunikationswissenschaftler und Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena in einer aktuellen Studie ermittelt. Die Einstellung der Deutschen zum Islam und den hier lebenden Muslimen ist überwiegend positiv. Demnach stimmt lediglich jeder vierte im Rahmen der Studie Befragte der Aussage zu „Der Islam ist eine Bedrohung für unsere Gesellschaft“. Zwei Drittel lehnen diese Aussage dagegen ab. Etwa ein Fünftel der Befragten meinen, es gebe zu viele Muslime in Deutschland, während 65 Prozent eine solche Sichtweise überhaupt nicht teilen. Nur knapp 17 Prozent der Befragten verknüpfen den Islam generell mit dem Terrorismus.
„Damit sind Vorurteile gegenüber dem Islam und den Muslimen weit weniger verbreitet, als wir erwartet haben“, resümiert Wolfgang Frindte, Professor für Kommunikationspsychologie der Uni Jena und Leiter der vorliegenden Studie. Insgesamt, so macht Frindte deutlich, finden sich in den neuen Bundesländern aber wesentlich häufiger Vorurteile gegenüber dem Islam und den Muslimen als im Westen der Republik. Während in den alten Bundesländern knapp 21 Prozent starke Vorurteile gegenüber dem Islam äußern, zeigen im Osten Deutschlands 34 Prozent der Befragten ausgeprägte Vorurteile gegenüber dem Islam. In den alten Bundesländern gibt etwa jeder Neunte an, sich vor dem Islam zu ängstigen – in den neuen Bundesländern sagt das fast jeder Vierte.
„Vor allem Männer und Personen in der Altersgruppe 50 bis 59 mit mittlerem und höherem Monatseinkommen pflegen Vorurteile“, nennt Dr. Nicole Haußecker aus Frindtes Team ein weiteres Ergebnis. Auffällig sei zudem, je mehr Migranten in einer Region lebten, umso positiver fallen die Einstellungen zu Muslimen aus. Die häufig zitierte „Angst vor dem Unbekannten“ scheine also auch bei der Einstellung zum Islam maßgeblich zu sein, so Haußecker.
Darüber hinaus haben die Forscher ermittelt, dass auch die Mediennutzung eine wichtige Rolle spielt. So beurteilen Personen, die vorwiegend Privatfernsehen zur Information nutzen, Muslime negativer als Zuschauer öffentlich-rechtlicher Programme. Auch Menschen, die sich vorrangig über die regionalen dritten Programme informieren, beurteilen den Islam und die Muslime negativer als andere. Personen mit ausgeprägten Vorurteilen gegenüber dem Islam und den Muslimen sind, zudem häufiger unter denjenigen zu finden, die sich vorwiegend über soziale Medien wie Internet-Blogs informieren.
Im politischen Parteienspektrum sind Vorurteile gegenüber dem Islam und den Muslimen, aber auch die Angst vor dem Islam, bei den Anhängern von NPD und AfD am weitesten verbreitet. Bei den Anhängern von Bündnis 90/Die Grünen, der LINKEN und der SPD sind sowohl die Vorurteile als auch die Angst gegenüber dem Islam am geringsten ausgeprägt.
Für ihre Untersuchung haben die Forscherinnen und Forscher der Uni Jena im Sommer 2015 knapp 1.000 Menschen im Alter von 15 bis 85 Jahren in ganz Deutschland befragt. Anders als in bisherigen Studien wurden den befragten Personen dabei jedoch nicht nur wenige Aussagen über den Islam und die Muslime vorgelegt, sondern sehr umfangreiche Fragebatterien eingesetzt. Der Fragebogen umfasste mehr als 80 Fragen.
„Die Ergebnisse müssen mit Vorsicht interpretiert werden“, betont Studienleiter Frindte. Sie erheben nicht den Anspruch, repräsentativ zu sein. „Die geäußerten Einstellungen hängen außerdem von vielen verschiedenen Aspekten ab und ändern sich, wie die aktuellen Ereignisse zeigen, auch relativ schnell wieder.“ Um Langzeiteffekte feststellen zu können, sei bereits eine weitere Befragung geplant.
Dr. Ute Schönfelder Stabsstelle Kommunikation/Pressestelle, Friedrich-Schiller-Universität Jena
Mitteilung des idw - wissenschaftlichen Dienstes am 20. November 2015
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