Samstag, 26. Januar 2013

Zum alltäglichen Sexismus

Es gibt bekanntlich viele, sehr viele Themen in Deutschland von öffentlichen Interesse, die es wert sind, erörtert zu werden. Dass es derzeit vor allem der Sexismus ist, der von nahezu allen Medien als besonders wichtig be- oder „gehandelt“ wird, hat Rainer Brüderle, Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag und Wirtschaftsminister in der Regierung Angela Merkel, verursacht. Der Vorgang, der dazu führte, ist inzwischen hinlänglich durch die Medien bekannt. Und in seiner Bewertung umstritten, wie ich meine.


Wenn ich heute noch einmal auf diese Problematik komme, dann deshalb, weil mich die gestrigen Karnevalsendungen im Fernsehen überlegen ließen, ob der eigentliche Hintergrund dieses vorgeblichen Sexkomplexes nicht doch weniger die vorgebliche oder auch tatsächliche Neigung Brüderles im sexuellen Bereich ist, sondern politisch motiviert!?

Es hat in jüngerer Zeit weiß Gott nicht wenige wirklich sexuell motivierte Straftaten und -prozesse gegeben, die Auslöser grundsätzlicher und verbreiteter Diskussionen hätten sein können (und müssen) als dieser verhältnismäßig beiläufige, Jahre zurückliegende Vorfall. Es blieb jeweils bei kurzen Aufregern. Dass diese Sexismus-Debatte justament jetzt in einer Jahreszeit – also der Karnevalszeit – ausgelöst und geführt wird, ist bezeichnend. Einer Zeit also, in der das Verhältnis von Mann und Frau stets etwas freier und lockerer ist. Und Sexualität eigentlich gern etwas anders bewertet wird als sonst.

Patricia Dreyer, Chefin vom Dienst bei „Spiegel.online“, deren Kommentar mich überhaupt erst auf diese Problematik aufmerksam machte, fragt zwar eingangs ihres Kommentars, ob die FDP ein Problem (mit Rainer Brüderle) hat, um im weiteren Verlauf ihres Kommentars - zu „Herrn Kubicki“ gewandt - festzustellen, es ginge in diesem Punkt mal nicht in erster Linie um Ihre FDP. Es ginge auch nur in zweiter Linie um die Frage, was das Verhalten des weinselig tatschenden Endsechzigers Brüderle gegenüber einer jungen Journalistin über ihn als Mensch oder seine moralische Tauglichkeit aussagt, es ginge um den alltäglichen Sexismus, der unser aller Problem ist. „Reden wir darüber“ meint sie. Und das gerade zur Karnevalszeit?

Es mag richtig sein, wenn Dreyer meint, dass bei allen politisch-gesellschaftlichen Debatten, die in Deutschland über Frauen geführt wurden - ob Gleichberechtigung, Abtreibung, Herdprämie, Frauenquote - eine bisher fehlte: die große Debatte um alltäglichen Sexismus. Und sie schließt „Beginnen wir sie endlich.“

Und nicht nur die Medien, auch sehr viele Twitterer begannen und beteiligten sich, wie man liest. Wozu eigentlich? Glaubt wirklich ernstlich jemand, sie würde im Umgang von Mann und Frau etwas ändern? Begonnen hat sie. Und wie sie begonnen hat, wird sie enden. Bis „eine neue Themen- oder Problemsau durch's Dorf getrieben“ wird. Bisher hat die ganze Debatte Unterhaltungsbedeutung, mehr nicht. Patricia Dreyer in „Spiegel online“, oder „Stern“-Chefredakteur Thomas Osterkorn(der sich so angelegentlich vor die Auslöserin der ganzen Debatte in seinem Magazin stellte) könnten sie fortführen, bis . . . ja bis wann? Man wird’s erleben.


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