Fairness,
Ausgleich
und sichere Perspektiven –
Fünf Forderungen, um Hochschulen konstruktiv und umfassend zu
unterstützen
Am vergangenen Freitag wurde im Thüringer
Landtag das
Mantelgesetz der rot-rot-grünen Landesregierung eingebracht.
Damit sollen
Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auch für den Hochschulbetrieb
abgefedert
werden. So sollen beispielsweise die Regelungen zu Prüfungen,
Immatrikulation
oder auch zu Sitzungen und Amtszeiten von Gremien angepasst
werden, ohne die demokratische
Beteiligung der Statusgruppen zu beschneiden oder neue
bürokratische Hürden
aufzubauen. Ungeachtet dessen haben der holprige Semesterstart
und die
ungenügenden Vorstellungen der Bundesregierung gezeigt, dass es
weiterer
Unterstützung bedarf, damit das Sommersemester 2020 kein
verlorenes Semester wird.
Dazu erklärt Michael Wutzler, Sprecher der
Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Hochschule und Wissenschaft bei
BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN Thüringen:
„Wir dürfen die Mitarbeiter*innen und die
Studierenden der
Hochschulen nicht im Regen stehen lassen. Es braucht weitere
Hilfen,
insbesondere vom Bund. Jahrelang wurde versäumt, die
Digitalisierung an den
Hochschulen voranzubringen, sodass jetzt an vielen Stellen die
digitale Infrastruktur
und das Know-how unzureichend sind. Auch der Notfallfonds für
Studierende
enttäuscht, weil dieser weitere finanzielle Belastungen schafft,
statt für
Entlastung zu sorgen. Unverschuldet in finanzielle Not geratene
Studierende
sind dadurch gezwungen, sich zu verschulden. Die Schwierigkeiten
sind insgesamt
vielfältig, während Studierende teilweise ihre weitere
Studienfinanzierung
sichern müssen, haben die Dozierenden von heute auf morgen ihr
Lehrangebot
umzustellen. Fehlende Kinderbetreuung oder eine schlechte
digitale
Infrastruktur machen allen Statusgruppen zu schaffen. Deshalb
gilt es flexibel
und rücksichtsvoll mit den Herausforderungen umzugehen. Es muss
gesichert sein,
dass möglichst niemandem durch dieses außergewöhnliche Semester
Nachteile
entstehen und Nachteile ausgeschlichen werden! Die bisher
beschlossenen Hilfen
für Studierende und Wissenschaftler*innen müssen deshalb
konstruktiv revidiert
und umfassend ausgebaut werden.“
Die Landesarbeitsgemeinschaft hat einen
Forderungskatalog
erstellt, der folgende fünf Punkte beinhaltet:
1. Mehrbedarfe und
Digitalisierung
Das Sommersemester und das Wintersemester
2020 sollen mit
einem möglichst vollständigen Lehrangebot bestritten werden,
ohne in der
Qualität der Lehre Abstriche machen zu müssen oder die
Wahlmöglichkeiten der
Studierenden einzuschränken. Die unabdingbaren
Hygienevorschriften machen es
notwendig, dass schnellstmöglich Konzepte entwickelt, an den
Hochschulen und
für Studierende Technik angeschafft, Lehrinhalte umgestellt und
digitale
Infrastruktur sowie Know-how aufgebaut werden. Aufgrund der
Teilung von
Lerngruppen ist zum Teil ein zusätzliches Seminarangebot
erforderlich. Auch für
Praktika müssen neue Lösungen gefunden werden. Für diesen
Kraftakt benötigt es
finanzielle und konzeptionelle Unterstützung von Land und Bund!
Lehrenden muss
zudem ein Anspruch auf Qualifikation und Weiterbildung in
digitaler Lehre eingeräumt
werden.
2. Finanzierung des Studiums
sichern
Im Zuge der Pandemiebekämpfung sind viele
Nebenjobs von
Studierenden weggefallen. Auch Eltern können infolge eigener
Einnahmeausfälle
zum Teil keine Unterstützung mehr leisten und BAföG-Berechtigte
fürchten
aufgrund fehlender Leistungspunkte aus der Förderung zu fallen.
Finanzielle
Unsicherheit trifft vor allem Studierende, die auch schon zuvor
knapp bei Kasse
waren, einen Studienkredit haben, keinerlei Unterstützung
bekommen, sich um
Angehörige sorgen oder hohe Mieten zahlen müssen. Deshalb ist
ein reines
Darlehen aus dem Notfallfonds des Bundesbildungsministeriums
keine echte Hilfe.
Statt einer Verschuldung fordern wir, eine echte Entlastung
durch einen
unbürokratischen, mindestens hälftigen Zuschuss zum Darlehen
oder ein
Notfall-BAföG. Dafür können die eingeplanten, jedoch nicht
verwendeten BAföG-Mittel
aus dem vergangenen Jahr, in Höhe von 900 Millionen, vollständig
eingesetzt
werden. Die Änderungen des BAföG gehen in die richtige Richtung,
sind jedoch
nicht ausreichend. Allgemein sollte unabhängig von der zu
erbringenden
Semesterleistung der Anspruch auf BAföG um ein Semester
erweitert werden. Eine
krisenbedingte Verlängerung des BAföG-Bezugs sollte als voller
Zuschuss gewährt
werden.
3. Internationale Studierende
in den Blick
nehmen
Auch internationale Studierende sind
finanziell in Not
geraten oder stehen vor besonderen Herausforderungen. In der
aktuellen Debatte
werden sie jedoch oft vergessen. Für das Hochschulleben ist
internationaler
Wissenstransfer und Austausch ein zentraler Bestandteil. Die
aktuelle Situation
gefährdet dies kurz- sowie langfristig. Beim Notfallfonds zur
Studienfinanzierung
fallen die internationalen Studierenden durchs Förderraster.
Unflexible
bürokratische Voraussetzungen drohen in Zeiten von COVID-19 zu
unüberwindbaren
Hürden für die Immatrikulation zu werden. Nicht nur dies muss
verhindert werden,
es muss zudem gesichert sein, dass Auslandssemester nicht
abgebrochen werden
müssen. Um die kulturelle Vielfalt an Thüringer Hochschulen zu
erhalten,
braucht es dringend mehr Aufmerksamkeit für die Probleme der
internationalen
Studierenden.
4. Sicherheit für
wissenschaftliche
Angestellte
Zwar will die Bundesregierung ermöglichen,
dass Zeitverträge
von Wissenschaftler*innen über die Regelungen des
Wissenschaftszeitvertragsgesetzes
(WissZeitVG) hinaus um ein halbes Jahr verlängert werden können,
eine
Verlängerung folgt daraus jedoch nicht zwingend. Um begonnene
Projekte und
Dissertationen abschließen zu können, muss der Bund es
finanziell ermöglichen,
dass befristete Verträge von wissenschaftlichen
Mitarbeiter*innen,
Promovierenden und studentischen Hilfskräften auch verlängert
werden, wie dies
durch das Mantelgesetzt für stipendienfinanzierte Promovierende
in Thüringen
bereits möglich ist. Dafür müssen die Mittel des
Bundesministeriums für Bildung
und Forschung und der Deutschen Forschungsgemeinschaft
aufgestockt werden.
5. Kinderbetreuung sichern
und Sorgeaufgaben
unterstützen
Aufgrund des Lockdowns sind Studierende und
Mitarbeiter*innen mit Kindern besonders herausgefordert. Zudem
wurde deutlich,
dass im Zuge der Schul- und Kita-Schließungen vor allem Frauen
die Sorge um
Kinder aufgefangen haben. Die Möglichkeit des Home-Office und
die Vermeidung
von Präsenzveranstaltungen können nur ein Anfang sein, um dem zu
begegnen. Die
außerfamiliäre Betreuung von Kindern muss grundlegend gesichert
sein und aus
Sorgeaufgaben darf kein Nachteil in der Teilhabe an den
Hochschulen erwachsen. Deshalb
fordern wir die finanzielle Sicherung und einen Ausbau der
Ressourcen, um Hochschulen
und Studierendenwerke in die Lage zu versetzen, die notwendige
Betreuungsinfrastruktur zu organisieren. Einige
Wissenschaftler*innen nutzen
die Zeit im Home-Office, um in Ruhe endlich an Förderanträgen
oder Veröffentlichungen
zu arbeiten. Wissenschaftler*innen mit Sorgeverpflichtungen ist
dies neben
Betreuung und Pflege natürlich nicht gleichermaßen möglich. Um
die bereits
bestehende und pandemiebedingt verstärkten Ungleichheiten nicht
noch weiter zu
vertiefen, schließen wir uns den Forderungen der Initiative
#mehrbelastung an (Petition
auf https://mehrbelastung.de).
Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Hochschule und Wissenschaft
bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen
14.05.2020
bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen
14.05.2020
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