Bildungsgewerkschaft
zum Internationalen Frauentag: Traditionellen Frauenberuf aufwerten –
mit Verdienst an anderen Schularten gleichziehen
Die
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert, dass Lehrerinnen
und Lehrer an Grundschulen deutlich besser bezahlt werden müssten. Die
Besoldung solle endlich mit der Bezahlung an den anderen Schulformen
gleich ziehen. "Kleine Kinder kleines Geld, große Kinder großes Geld:
Nach diesem ungeschriebenen Gesetz werden Lehrerinnen und Lehrer in
Deutschland bezahlt. Mit dieser Diskriminierung, die insbesondere Frauen
trifft, muss endlich Schluss gemacht werden", sagte GEW-Vorsitzende
Marlis Tepe mit Blick auf den Internationalen Frauentag am 8. März. Sie
verlangte, dass Lehrkräfte an Grundschulen künftig als Beamte nach der
Besoldungsgruppe A13 bezahlt werden sollten. Zurzeit würde an
Grundschulen, hier unterrichten zu rund 90 Prozent Frauen, nach A12
bezahlt. "Das ist eine mittelbare Diskriminierung von Frauen, die
beendet werden muss. Die Grundschullehrerinnen haben Monat für Monat bis
zu mehreren hundert Euro weniger im Geldbeutel als die Lehrkräfte an
anderen Schulformen", betonte Tepe. Je jünger die Kinder sind, desto
größer sei der Frauenanteil im Kollegium: An Realschulen unterrichteten
im Bundesschnitt zu 65,1 Prozent Frauen, an Gymnasien zu 58,5
Prozent."Es gibt keine sachlichen Gründe, warum Lehrkräfte an
Grundschulen schlechter bezahlt werden: Hochschulausbildung und
Vorbereitungsdienst dauern genau so lange wie die der Lehrerinnen und
Lehrer an anderen Schulformen. Im Lernprozess der Kinder leisten sie
gleichwertige Arbeit", betonte die Vorsitzende. "An Grundschulen wird
das Fundament für die Bildungskarriere der Kinder gelegt. Hier werden
nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen vermittelt. Kinder erfahren zum
Beispiel auch, wie man lernt und Verantwortung für sich selbst und
andere übernimmt."Gute Bildung von Anfang an sei der Schlüssel für die
Inklusion aller Menschen und den sozialen Zusammenhalt in der
Gesellschaft. "Lehrerinnen und Lehrer, die diese schwierige Aufgabe
übernehmen, müssen die gleiche Anerkennung bekommen wie an
weiterführenden Schulen. Das gilt natürlich auch für die Bezahlung. Es
wird Zeit, dass wir im 21. Jahrhundert ankommen und diesen
traditionellen Frauenberuf endlich aufwerten", unterstrich Tepe.
Info:Die Juristinnen Prof. Eva Kocher, Stefanie Porsche und Johanna Wenckebach erkennen in einem Gutachten für den GEW-Vorstand (
www.gew.de/lohngerechtigkeit)
eine verfassungs- und europarechtswidrige mittelbare Diskriminierung
beim Entgelt aufgrund des Geschlechts. Das gelte auch für Bundesländer,
in denen angehende Grundschullehrkräfte eine im Vergleich zu anderen
Schulformen kürzere Ausbildung absolvieren. Ein um zwei Semester
kürzeres Studium könne keine Benachteiligung beim Entgelt rechtfertigen,
die sich zudem auch bei der Altersversorgung auswirkt, stellen die
Juristinnen fest.
In einem Gutachten hat die GEW bereits 2009 die
Tätigkeiten an Grundschulen und in der Sekundarstufe II
arbeitswissenschaftlich vergleichen lassen. Die Ergebnisse zeigen: Die
Arbeit ist zwar nicht gleich, wohl aber gleichwertig. Das gilt für
intellektuelle Anforderungen genauso wie für die psychischen und
sozialen Beanspruchungen sowie für die Verantwortung, die die
Lehrerinnen und Lehrer tragen.
Mehrere Rechtsgutachten haben in
jüngster Zeit die rechtlichen Bedenken der GEW gegen die ungleiche
Bezahlung bestätigt. Der Jurist Prof. Ralf Brinktrine greift die
unterschiedliche Besoldung trotz gleich langer Hochschulausbildung und
gleich langem Vorbereitungsdienst in Nordrhein-Westfalen an. Der Kieler
Rechtsanwalt Jörg Junge kommt für Schleswig-Holstein zum gleichen
Ergebnis.
Rechtsbegriffe:Der Rechtsbegriff
der "mittelbaren Diskriminierung" bezeichnet Regelungen, die zwar
geschlechtsneutral formuliert oder begründet sind, sich aber überwiegend
für ein Geschlecht nachteilig auswirken.
Als "gleichwertig"
gelten Tätigkeiten, die zwar äußerlich verschiedenartig sind, jedoch im
Hinblick auf die mit ihnen verbundenen Anforderungen den gleichen Wert
haben.
Prof. Eva Kocher lehrt an der Europa-Universität
Frankfurt/Oder Bürgerliches Recht, Europäisches und Deutsches
Arbeitsrecht sowie Zivilverfahrensrecht.
Stefanie Porsche ist Volljuristin und akademische Mitarbeiterin an der Europa-Universität Frankfurt/Oder.
Johanna Wenckebach ist Volljuristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel.
Prof.
Ralf Brinktrine lehrt an der Universität Würzburg Öffentliches Recht,
Deutsches und Europäisches Umweltrecht und Rechtsvergleichung.
Mitteilung der GEW Thüringen am 07. März 2016
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