Montag, 28. Oktober 2019

Arbeitsagentur: Mini-Löhne besonders im Lebensmittel- und Gastgewerbe


Im Kreis Nordhausen arbeitet jeder dritte Vollzeit-Beschäftigte zum Niedriglohn

40 Stunden die Woche arbeiten – und trotzdem reicht’s am Monatsende nicht: Im Landkreis Nordhausen arbeiten rund 6.700 Vollzeit-Beschäftigte zum Niedriglohn. Damit liegt jeder dritte Arbeitnehmer (36 Prozent) trotz voller Stundenzahl unter der amtlichen Niedriglohnschwelle von aktuell 2.203 Euro brutto im Monat. Das teilt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mit.

Die NGG Thüringen beruft sich hierbei auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit. Geschäftsführer Jens Löbel spricht von einem „Alarmsignal“. Tausende Menschen hätten trotz langer Arbeitstage enorme Probleme, finanziell über die Runden zu kommen. „In Metzgereien, Bäckereien, Restaurants und Hotels ist der Anteil von Niedriglohn-Beschäftigten dabei besonders hoch. Hier müssen die Firmen endlich deutlich höhere Löhne zahlen“, fordert Löbel. Nach Angaben der Arbeitsagentur liegen bundesweit 53 Prozent aller Vollzeit-Beschäftigten im Lebensmittel- und Gastgewerbe unter der Niedriglohngrenze.

Eine Hauptursache für diesen Zustand ist nach Einschätzung der Gewerkschaft NGG die schwindende Tarifbindung. „Auch im Kreis Nordhausen zahlen immer weniger Hoteliers und Gastronomen nach Tarif“, kritisiert Löbel. Die Folgen träfen die ganze Gesellschaft: Eine aktuelle Studie des DGB beziffert die finanziellen Ausfälle durch fehlende Tarifbindung im Freistaat – von Mindereinnahmen bei den Sozialversicherungen und Steuern bis hin zur niedrigeren Kaufkraft – auf fast 4,8 Milliarden Euro.

Um diesen Trend zu stoppen, müssten sich Firmen, die Mitglied im Arbeitgeberverband sind, an die mit der Gewerkschaft ausgehandelten Tarifverträge halten und armutsfeste Löhne zahlen. Nach Beobachtung der NGG nimmt die Zahl der Verbandsmitglieder, die aus der Tarifgemeinschaft ausscheren, seit Jahren zu. Außerdem fordert die Gewerkschaft die künftige Landesregierung auf, die Stärkung der Tarifbindung oben auf die Agenda zu setzen. Sie solle sich dafür einsetzen, dass Fördermittel nur noch an tarifgebundene Betriebe vergeben werden. Betriebe, die Niedriglöhne zahlten, dürften nicht noch quersubventioniert werden.

„Außerdem muss es noch mehr Tarifverträge geben, zu denen ganze Branchen durch die Politik verpflichtet werden – gerade da, wo der Niedriglohnsektor wuchert“, so Löbel. Eine sogenannte Allgemeinverbindlichkeit könne vom Bundes- oder Landesarbeitsministerium erklärt werden. Am Ende komme es aber auch auf die Beschäftigten selbst an, betont die NGG. „Wer in der Gewerkschaft ist, hat nicht nur beim Lohn, sondern auch bei Urlaub und Arbeitszeit die besseren Karten.“ 

Das durchschnittliche Vollzeit-Einkommen liegt im Kreis Nordhausen laut Arbeitsagentur bei 2.557 Euro (brutto) im Monat – im Bundesschnitt sind es 3.304 Euro.
Jens Löbel
Geschäftsführer der
NGG-Region Thüringen

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