„Europa darf das christliche
Menschenbild als Bestandteil der verantworteten Freiheit nicht aufgeben“
Kardinal Marx bei den Salzburger Hochschulwochen
Der
Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx,
hat anlässlich der 85. Salzburger Hochschulwochen in einem Festvortrag
angesichts der aktuellen
Ereignisse in Europa von Umbrüchen gesprochen, die Teil einer epochalen
Veränderung sein können. „Nicht nur in der Türkei, sondern auch hier
bei uns, in den Familien, höre ich vielfach, dass man über Politik nicht
mehr offen reden kann, ohne dass es zum großen
Streit kommt. Diese Entwicklung ist höchst beunruhigend. Zwei Tendenzen
treten dabei zutage: eine erregte Gesellschaft auf der einen und eine
Erkaltung im Miteinander, in der Solidarität – wie in der von Papst
Franziskus benannten ‚Globalisierung der Gleichgültigkeit‘–
auf der anderen Seite“, so Kardinal Marx. „Neue Leidenschaften,
Ungleichheit, Ängste und Aggressionen bewegen unsere Gesellschaft. Was
bedeutet die Zivilisation der Verantwortlichkeit heute, die noch in der
Zeit des Kalten Krieges unsere Perspektive für die
Zukunft war? Dem Projekt Europa mangelt es derzeit am Gedanken des
Gefühls, der Liebe und Zugehörigkeit. Es macht mir Sorgen, dass nicht
Freiheit und Menschenwürde, sondern Abgrenzung und Angst sowie neue
Nationalitäten zum Vorschein kommen.“
Notwendig
sei daher eine neue Art von öffentlichem Diskurs, in angemessener und
durchaus zugleich rationaler und leidenschaftlicher Weise, in den die
Kirche sich einbringen
solle. „Sich für eine offene Gesellschaft mit Werten einzusetzen, mit
einer Entwicklung nach vorne, ist auch Auftrag der Kirche. Wir brauchen
nicht Restauration in der Gesellschaft, wir brauchen Renaissance!“,
betonte Kardinal Marx. „Europa ist gefordert,
eine neue kulturelle Synthese zu entwickeln für ein lebendiges
Gemeinwesen – eine Fähigkeit, die Europa immer gehabt hat und die Papst
Franziskus in seiner Ansprache bei der Verleihung des Karlspreises
hervorgehoben hat.“
Kardinal
Marx erinnerte daran, dass Papst Benedikt XVI., der früher bereits
Festredner der Salzburger Hochschulwochen gewesen war, den Glauben stets
im Kontext von
Vernunft betrachtet und ihn als „vernunftgeleitete Aufklärung“
bezeichnet habe. Die Religion solle das Gefühl, die Liebe, die Mystik
wiederentdecken, sagte Kardinal Marx. „Wer Jesus Christus kennt, der
kann niemals Fundamentalist sein! Die großen Erzählungen
aus dem Evangelium wie die Geschichte vom barmherzigen Samariter oder
den Seligpreisungen sind Erzählungen, die zur Kulturgeschichte Europas
gehören – nicht nur der Christen. Aber die moderne Zivilisation der
Freiheit hat keine Bestandsgarantie. Was wir erreicht
haben, darf nicht zur Disposition gestellt werden in einer neuen Epoche
der Leidenschaften, die vermutlich auf uns zukommt. Wir Christen
sollten Teil der Lösung sein und das christliche Menschenbild als
Bestandteil der verantworteten Freiheit nicht aufgeben.“
Hintergrund
Die
Salzburger Hochschulwochen stehen im Jahr 2016 unter dem Thema
„Leidenschaften“. Sie sind eine 1931 gegründete Sommeruniversität an der
Universität Salzburg. Die
jährliche Veranstaltung bietet ein Forum für den Dialog zwischen
Theologie und anderen Fachrichtungen, auf dem sowohl aktuelle als auch
grundsätzliche Fragestellungen thematisiert werden. Dem Präsidium der
Hochschulwochen steht Erzbischof Dr. Franz Lackner
(Salzburg) vor, weitere beteiligte Institutionen sind neben der
Salzburger Theologischen Fakultät die Salzburger Äbtekonferenz der
Benediktiner, die Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaften, die
Katholischen Akademikerverbände Deutschlands und Österreichs,
die Katholische Akademikerarbeit Deutschland und das Forum Hochschule
und Kirche e. V. Auch die Deutsche Bischofkonferenz unterstützt die
Salzburger Hochschulwochen seit vielen Jahren.
Hinweis:
Weitere Informationen finden Sie unter
www.salzburger-hochschulwochen.at.
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