Dienstag, 9. August 2016

Behinderten drohen weitere Erschwernisse

Die „Thüringer Allgemeine“ thematisierte am 29.07. auf ihrer Titelseite das geplante Bundesteilhabegesetz, gegen das der Paritätische Landesverband Thüringen neben den 37 Mitgliedsorganisationen der Lebenshilfe im Freistaat schwere Bedenken äußert. Dass zu den mehr als 1000 Protest-Postkarten, die inzwischen an das Bundessozialministerium geschickt wurden, auch die von mir dabei ist, sei am Rande bemerkt.

Schon im Juni hatte die Präsidentin des Sozialverbands VdK Deutschland, Ulrike Mascher, gegenüber dpa erklärt (Auszug): „In dem uns bislang vorliegenden Entwurf sind wichtige Dinge für Menschen mit Behinderung noch nicht zufriedenstellend geregelt.“ Bundestag und Bundesrat müssten das Gesetz in den weiteren Beratungen so verbessern, «dass eine echte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben von Menschen mit Behinderung erreicht wird». Forderungen eines Bündnisses von Verbänden und Gewerkschaften lägen bereits auf dem Tisch.“ (Ende des Auszugs).
Immerhin lobte damals der Bundesverband für körper- und mehrfachbehinderte Menschen Teile des Gesetzes, wies aber doch auch gleichzeitig auf die Risiken hin - gerade Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf drohten Einschränkungen.

Zum Thema meint allerdings Uwe Schummer, Beauftragter für Menschen mit Behinderungen der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag: „Mit dem neuen Bundesteilhabegesetz kommen wir einer Gesellschaft ohne Barrieren näher. Es stellt klar, dass nicht die Behinderung selbst, sondern die bestehenden Barrieren die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erschweren. Je barrierefreier die Umgebung, desto mehr können Menschen mit wesentlichen Beeinträchtigungen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.“

So weit, so gut. Die Vorbehalte und Proteste gegen dieses Bundesteilhabegesetz sind – das soll hier ausdrücklich betont sein – sehr viel grundsätzlicher und erweiterter, nur sind sie für mich und meinen derzeitigen Behindertenstatus deshalb weniger von Bedeutung, als ich immerhin noch eigenständig und selbstverantwortlich leben kann. Und mir eine gesellschaftliche Teilhabe im Grunde möglich ist, wenn mir nur mit etwas Rücksicht begegnet wird. Die durch kein Gesetz, sondern nur mit dem Verständnis der Mitmenschen zu erreichen ist.

Und das kann nach meiner Erfahrung sofort zum Problem werden, wenn man sich nicht mit dem begnügt, was mir als Behinderten aus freien Willen zugestanden wird. Als ich vor einiger Zeit um etwas Rücksicht bei meiner Teilnahme an Veranstaltungen bat, die auch in Richtung von Reportern und Fotografen ging, wurde aus meiner Bitte vom Herausgeber der „Neue Nordhäuser Zeitung“ (nnz), Peter Stefan Greiner, daraus eine Forderung konstruiert und mir schriftlich eine brüske Absage erteilt („dreht sich „trotz Ihrer Behinderung“ das Universum nicht um Sie). Eine Behauptung oder Feststellung, die sicher nicht auf Recherche beruht. Möglich allerdings, dass er seine nnz für das (mediale) Unsiversum hält.

Ich beschränke mich seitdem und zunehmend auf die Teilnahme an Veranstaltungen, die mir wirklich der Teilnahme wert scheinen. Mit der Folge, dass ich den lokalen Bezug verloren habe. Und verstehen kann, dass Behinderte, die im lokalem Bereich auf Rücksicht angewiesen sind, von vornherein überhaupt auf Teilnahme an Veranstaltungen verzichten. Ich sehe mich zumeist mit meinem Alter und meiner Behinderung allein. Unter gesellschaftlicher Teilhabe verstehe ich allerdings etwas anderes. Und überlege, was ein Bundesteilhabegesetz soll – wie immer es ausgestaltet sein mag - wenn im praktischen Leben das Verständnis und die Rücksicht schon derer fehlt, die zwar darüber schreiben und gesellschaftliches Verständnis vorgaukeln, aber nicht bereit sind, auch wirklich Rücksicht zu üben?

Im Ergebnis beschränke ich mich also auf meine verbliebenen Möglichkeiten, die ich zukünftig weiter besonnen nutzen will. Gesellschaftliche Teilhabe aber orientiert sich nach anderen Prämissen.


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