Kardinal Marx beendet Reise in die Sozialistische Republik
Vietnam
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard
Marx, ist heute (Sonntag, 17. Januar 2016) von seiner neuntägigen Reise
nach Vietnam
(8. ̶ 17. Januar 2016) zurückgekehrt. Er zog eine positive Bilanz
seiner Begegnungen, die ihn mit den katholischen Bischöfen und
Vertretern anderer Religionen, mit Repräsentanten des Staates sowie des
Wirtschaftslebens zusammenführte. Der Besuch fand in
den Großräumen Hanoi und Ho-Chi-Minh-City statt; die Reise in die
zentralvietnamesische Stadt Vinh, wo unter anderem eine Unterredung mit
dem dortigen Bischof Nguyen Thai Hop vorgesehen war, wurde von den
staatlichen Behörden untersagt.
Mit der Reise verband Kardinal Marx die Absicht, die Verbundenheit
der Kirche in Deutschland mit den Katholiken in Vietnam zum Ausdruck zu
bringen. Sie
diente der internationalen Unterstützung für eine Kirche, die nach
Jahrzehnten der Unterdrückung inzwischen wieder ein gewisses Maß an
Freiheit genießt, um ihren pastoralen Aufgaben nachzukommen. „Meine
kirchlichen Gesprächspartner haben deutlich gemacht,
dass für die Kirche in Vietnam vieles möglich ist ̶ aber abhängig von
politischen Konjunkturen der Zentralregierung und dem Wohlwollen der
lokalen Behörden. Das ist nicht die rechtlich gesicherte
Religionsfreiheit, wie wir sie uns wünschen und wie sie in
den internationalen Menschenrechtsvereinbarungen festgehalten ist; aber
der heutige Zustand ist auch weit entfernt von der Repression, die die
Kirche in früheren Jahrzehnten erleiden musste.“ Kardinal Marx zeigte
sich überzeugt, dass aus der unterdrückten
eine starke Kirche hervorgegangen ist. „Nicht nur bei Bischöfen und
Priestern, sondern bei vielen einfachen Gläubigen habe ich eine große
innere Stärke und Angstfreiheit gespürt. Dies ist ein Fundament für die
gute Zukunft dieser Kirche“, so Kardinal Marx.
In Gesprächen mit dem Präsidenten der Vaterländischen Front, in
der die Massenorganisationen des Landes unter staatlicher Führung
vereint sind, mit dem
Ausschuss für Kultur des nationalen Parlaments sowie mit dem
staatlichen Komitee für Religionsfragen konnte der Vorsitzende der
Deutschen Bischofskonferenz die weitere Entwicklung der
Religionsfreiheit und der Beziehungen zwischen Staat und Kirche
erörtern.
Kardinal Marx fand dabei Worte der Anerkennung für die Verbesserungen
der vergangenen Jahre, zu denen nicht zuletzt die Möglichkeit der Kirche
gehört, eine von ihr selbst bestimmte Zahl von Priestern auszubilden
und in der Pastoral einzusetzen. Kardinal Marx
trug zugleich die von den vietnamesischen Bischöfen geäußerte Kritik am
Entwurf eines Religionsgesetzes vor, das durch weitreichende
Registrierungs- und Mitteilungspflichten das Einfallstor für eine
umfassende Überwachung der Kirche bieten könne. Die Frage
der Religionsfreiheit wurde auch in den Predigten während der großen
öffentlichen Gottesdienste in Hanoi, Tam Dao, So Kien und
Ho-Chi-Minh-City, an denen mehrere Tausend Menschen teilnahmen, zur
Sprache gebracht. In der Kathedrale von Ho-Chi-Minh-City rief
Kardinal Marx zu einem Leben aus der Barmherzigkeit Gottes heraus auf,
die über alle Grenzen, Mauern und jeden Hass hinweggehe und dem Menschen
einen neuen Lebensanfang ermögliche: „Mit dem Handeln Jesu werden
Zeichen gesetzt, die eine neue Sichtweise ermöglichen.
Das gilt auch heute für Gesellschaft, Kultur und Politik, die gefordert
sind, Grenzen zu überwinden.“ Zuvor war Kardinal Marx mit dem
Erzbischof von Ho-Chi-Minh-City, Erzbischof Paul Bui Van Doc, zum
Gespräch zusammengetroffen.
„Vietnam ist eine Transformationsgesellschaft, die um ihre
Grundorientierung für die weitere Zukunft ringt. Viele Kräfte in- und
außerhalb der Kommunistischen
Partei sind an dieser gesellschaftlichen Diskussion beteiligt“, stellt
Kardinal Marx fest, der in Hanoi Gelegenheit hatte, auch mit politischen
Dissidenten zusammenzukommen, und in Ho-Chi-Minh-City katholische
Intellektuelle traf. „In ökonomischer Hinsicht
ist Vietnam eine kapitalistische Gesellschaft. Sie wird kommunistisch
regiert. Dieses Modell bringt erhebliche Spannungen hervor, es wird dem
wachsenden Freiheitsstreben nicht gerecht und kann den
gesellschaftlichen Zusammenhalt auf Dauer nur schwer organisieren.“
Kardinal Marx erinnerte in seinen Begegnungen mit politischen
Repräsentanten, aber auch mit deutschen Managern in Ho-Chi-Minh-City und
beim Besuch einer von kirchlichen und gesellschaftlichen Organisationen
aus Deutschland unterstützten Gastronomie-Berufsschule
für Jugendliche aus armen Verhältnissen deshalb wiederholt an die
Grundlagen der katholischen Soziallehre, die einen dritten Weg jenseits
von Kapitalismus und Kommunismus beschreibe. Sowohl im Norden als auch
im Süden des Landes besuchte der Kardinal Textilbetriebe,
um einen Eindruck von den Arbeits- und Produktionsbedingungen zu
gewinnen. Dabei wurde deutlich, dass die staatliche Aufsicht insgesamt
verträgliche Verhältnisse für die Arbeitnehmer ̶ in der Textilindustrie
vor allem Frauen ̶ gewährleistet, Vietnam jedoch
den internationalen Standards für die Gewerkschaftsrechte nach wie vor
nicht entspricht. „Man darf aber die Hoffnung haben, dass die wachsende
internationale Kooperation hier mittelfristig zu einem Wandel führt“, so
Kardinal Marx.
Der letzte Tag in Hanoi war dem Besuch des Kloster Thum Thiem
gewidmet. Das 1840 gegründete Kloster mit 300 Ordensschwestern liegt
zusammen mit einer Pfarrkirche
in einem städtischen Bereich, der als Wirtschaftsbezirk mit Hochhäusern
vollkommen neu gestaltet werden soll. Die Schwestern und mit ihnen die
ganze Kirche in Vietnam wehren sich gegen den von den Behörden verfügten
Abriss. Kardinal Marx drückte ihnen die
Solidarität der deutschen Bischöfe aus und dankte auch für die
hilfreiche Haltung der Bundesregierung in dieser Causa. „Der Konflikt,
der hier ausgetragen wird, geht weit über den konkreten Anlass hinaus.
Es geht darum, ob die ökonomische Modernisierung das
gesellschaftliche Leben in seiner Pluralität und mit seiner Geschichte
im buchstäblichen Sinne platt machen darf. Und es geht darum, ob es
Rechte und Werte gibt, die nicht dem Gewinnstreben geopfert werden
dürfen.“
Kardinal Marx versprach der Kirche in Vietnam, dass die deutschen
Bischöfe ihr gerade in den schwierigen Umbruchzeiten zur Seite stehen
werden.
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