Donnerstag, 1. November 2012

„Wer es sich leisten kann . . .“


In den sechziger Jahren warb das amerikanische Traktorenunternehmen Massey-Ferguson mit diesem höchst anspruchsvollen Werbeslogan für seine Produkte auf dem deutschen Markt. Und reizte damit die Zielgruppe in der Landwirtschaft zu entsprechenden Überlegungen. Manche konnten es, viele aber auch nicht.

Senioren-Residenzen, Alten- und Pflegeheime werben zwar nicht mit einem solchen Slogan, aber auch ohnedem muss sich ihre Zielgruppe – alte und pflegebedürftige Menschen – überlegen, ob sie sich das Wohnen in einer solchen Einrichtung aus eigenen Mitteln leisten können. Und eine zunehmende Zahl von Betroffenen wird es nicht (mehr) können.

Für Dienstag hatte die Nordhäuser Agentur für Arbeit zur Pressekonferenz in die K&S-Seniorenresidenz an der Stolberger Straße eingeladen, um dort die Arbeitsmarktsituation im Oktober 2012 vorzustellen. Und in diesem Zusammenhang der Pflegedienstleitung der Residenz Gelegenheit zu geben, ihre Einrichtung den Vertretern der Presse vorzustellen.

Ich erspare mir eigene Ausführungen zu den Arbeitsmarktzahlen des Monats Oktober zu machen und verweise stattdessen auf die entsprechenden Berichte der nnz, nach denen die Arbeitslosigkeit im Oktober im Arbeitsamtsbezirk Nordhausen erstmals die 12 000 er Marke unterschritt, und damit die geringste Arbeitslosigkeit seit 1990 aufweist. Karsten Froböse, Chef der Nordhäuser Arbeitsagentur resumierte:: „Wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit 22 Jahren“, und stellte mit Genugtuung fest: „Vom Rückgang der Arbeitslosigkeit haben in diesem Monat vor allem die Jugendlichen profitiert.“

Nach dem Vortrag Froböses stellte der Pflegedienstleiter der K&S-Seniorenresidenz, David Pudenz, die von ihm geleitete Einrichtung als ein Haus vor, in dem die Bewohner Sicherheit und Geborgenheit, und beste Betreuung durch qualifiziertes Personal finden. Zu dem ein ganzheitliches Pflegekonzept gehört, zu dem natürlich auch menschliche Wärme und Nähe gehören. Die nicht nur bei der stationären Betreuung und Pflege geboten wird, sondern auch in der ambulanten Pflege, die ebenso zum Leistungsspektrum der Residenz gehört und weiter ausgebaut wird.

Ich muss nicht weiter auf die Ausführungen des Pflegedienstleiters, seines Assistenten und einer Auszubildenden eingehen, die jeweils aus ihrem Bereich berichteten. Es führte, sofern man deren Ausführungen unbefangen folgte, zu einer gewissen Vorstellung vom Leben in einer solchen Einrichtung, aber auch zur Betreuung und Pflege durch das darin tätige Fachpersonal. Und damit zu der Vorstellung, dass es ein Glücksfall ist, als alter und oder pflegebedürftiger Mensch einen Platz in dieser Seniorenresidenz zu erhalten (oder einem ähnlich gut geführtem Haus). Am 17. November führt die Agentur für Arbeit in ihrem BiZ einen Aktionstag durch, an dem die verschiedensten Gesundheits- und Pflegeberufe vorgestellt werden, und auch eine ganze Anzahl von Pflegeeinrichtungen vertreten sein werden, die sich als solche für Ausbildung und Pflege empfehlen. Ich werde darüber berichten, schon weil sich damit in der allgemeinen Berichterstattung teilweise Vorstellungen ergeben, die weit von dem abweichen, was da am Dienstag in der Seniorenresidenz an positiven Vorstellungen vermittelt wurde. Immerhin als Teil eines Konzerns, der eine ganze Reihe derartiger Residenzen und Pflegeeinrichtungen unterhält.

Der Kern meiner Überlegungen, und damit meines Themas, das sich davon ableitet, aber ist die Problematik alter und pflegebedürftiger Menschen, die sich einen Platz in einer solchen Pflegeeinrichtung aus eigener Kraft nicht mehr leisten können. Schließlich gehört man zu einem Personenkreis, denen sich die Frage stellen kann, ob und wie lange sie (noch) ein selbstbestimmtes Leben führen können (oder wollen). Sofern sie zu eigenem Denken und Entscheiden überhaupt (noch) in der Lage sind. Darüber wird derzeit in den Medien viel geschrieben, in Talkshows diskutiert und auch offiziell (von Pflegeverbänden) verlautbart.

In der Zusammenfassung bleibt danach festzustellen, dass es schon bei der häuslichen Betreuung Probleme gibt, sofern diese nicht durch Angehörige geschieht. Ob die dazu in der Lage sind, bleibt dem Einzelfall überlassen. Die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt jedenfalls in solchen Fällen in der Pflegestufe 1 gleich 235 Euro/Monat, in Pflegestufe 2 = 440 Euro und in Pflegestufe 3 = 700 Euro/Monat. Muss eine ambulanter Pflegedienst in Anspruch genommen werden erhöht sich das Pflegegeld auf 450(1), 1100(2) und 1550 (3) Euro je Monat. Vergegenwärtigt man sich die Inhalte der jeweiligen Pflegestufen – auf deren Erläuterungen ich hier allerdings verzichte - ergibt sich leicht, dass diese Beträge bei weitem nicht reichen, um die Kosten der Pflege davon zu begleichen.

Bei vollstationäre Pflege z.B. in einem Altenheim wird zur Zeit (laut „Informationen zum Thema Pflege“) folgendes von der gesetzlichen Pflegeversicherung geleistet, zusammen mit Sachleistungen können dann 150% des normalen Höchstsatzes zur Verfügung gestellt werden. Zudem erfolgt die 50% Erhöhung für Sachleistungen nur nach Nachweis der Erbringung dieser Sachleistung. Das Geld wird natürlich nur an das Pflegeheim überwiesen. Danach ergibt sich in Pflegestufe 1 = 675 Euro/Monat, in Pflegestufe 2 = 1650 Euro/Monat und in Pflegestufe 3 = 2325 Euro/Monat. Das allerdings soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass selbst für die höchste Pflegestufe 3 von der gesetzlichen Pflegeversicherung nur 1550 Euro beigesteuert werden und der Rest aus eigenen Mitteln beglichen werden muss. Setzt man dagegen, dass ein Platz in der Pflegeeinrichtung je nach Pflegestufe und Ausstattung des Heimes zwischen 2000 und 5500 Euro im Monat kostet, wird offensichtlich, dass die Pflege aus eigenem Vermögen in zunehmenden Maße unerschwinglich wird oder bereits ist

Wenn also bei der Pflege die dafür notwendigen finanziellen Beträge die Kraft des Betroffenen übersteigen, muss die öffentliche Hand, also das Sozialamt einspringen. Das geschieht an sich ohne große Probleme. Die aber können im weiteren Verlauf die Angehörigen des „Pflegefalles“ bekommen, denn das Sozialamt wird sich in aller Regel an diese wenden, um zu prüfen, ob diese nicht in „zumutbarer“ Weise zur Kasse gebeten werden können. Und was dabei als gesetzlich zumutbar errechnet wird, kann zu Konsequenzen bei den Betroffenen führen, die ganz erheblich sind. Und solange man als alternder Mensch derartige Überlegungen führen kann, wird man unter normalen Umständen sicher alles tun, um es nicht dazu kommen zu lassen. Dass aber der Trend noch in eine andere Richtung geht – nämlich Pflege im Ausland – ist ein Thema, das auch seine Probleme hat. Dem ich mich noch zuwenden will.


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