Dienstag, 13. November 2012

Herz in Gefahr


Unter diesem Motto stehen die diesjährigen Herzwochen, die jedes Jahr im Monat November von der Deutschen Herzstiftung bundesweit initiiert werden. Gestern eröffnete Dr. Dieter Kornmann mit seiner Herzsportgruppe in Nordhausen in der Turnhalle des Südhatz-Klinikums diese Wochen mit einem Tag der offenen Tür. Der, auf eine Stunde reduziert, trotzdem einige bedeutsame Einblicke in die Aktivitäten dieser Gruppe gewährte.

Seit Jahren findet dieser Tag der offenen Tür im Rahmen dieser Herzwochen statt. Und seit Jahren nehme ich die Gelegenheit wahr, mich im Gespräch mit Dr. Kornmann über Therapiemöglichkeiten zu unterhalten und von den gymnastischen Übungen, die während dieser Stunde zu sehen sind, einige Anregungen für zuhause mitzunehmen. Man kennt sich also seit Jahren, haben doch alle Mitglieder irgendwann eine Herzkrankheit überwunden und halten sich durch die Teilnahme an diesen wöchentlichen Übungsstunden unter der Aufsicht Dr. Kornmanns fit. Sei hier bemerkt, dass ich zwar auch zu dieser Gruppe gehören könnte, aber durch meine darüber hinausgehenden körperlichen Behinderungen nur Zuschauer des Gebotenen sein kann. Und lediglich manche gymnastischen Übungen als Anregungen mitnehmen kann.

Diese Tage der offenen Tür sind damit für mich auch jeweils ein Tag der Begegnung oder des Wiedersehens: man freut sich von Jahr zu Jahr, dass es sich noch gibt und ich insgesamt darüber auch berichten kann. Und nun Anlass zu der Feststellung habe, dass sich diese Herzsportgruppe zahlenmäßig von Jahr zu Jahr vergrößert, während die Zahl der Besucher zu diesem Tag der offenen Tür abnimmt. Kann man den Grund für ersteres leicht absehen, ist der Grund für letzteres nur zu vermuten. Und weil ich Vermutungen tunlichst vermeide, soll es damit sein Bewenden haben.

Im Vorfeld der diesjährigen Herzwochen teilte die Deutsche Herzstiftung mit, dass die koronare Herzkrankheit (KHK), um die es hier geht, die häufigste Herzerkrankung ist. Sie ist die Krankheit, die dem Herzinfarkt vorausgeht. Die KHK entsteht dadurch, dass sich Herzkranzgefäße in einem langen schleichenden Prozess verengen, so dass die Durchblutung des Herzens behindert wird. Allein in Deutschland sind etwa 2,34 Mio. Frauen und 3,16 Mio. Männer von einer KHK betroffen.* Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens eine KHK zu entwickeln, beträgt für Männer nahezu 50% und für Frauen 32%. Jährlich werden bundesweit ca. 665 000 Patienten wegen einer KHK ins Krankenhaus eingeliefert. Über 59 000 Menschen sterben an einem Herzinfarkt. „Trotzdem wissen viele Menschen meist nichts über diese Erkrankung und verdrängen oftmals Beschwerden, statt jede Möglichkeit der Information zu nutzen. Auch der Tag der offenen Tür der Herzsportgruppe stellt eine solche Möglichkeit dar, kann man doch leicht mit Dr. Kornmann ins Gespräch kommen. Und erfährt dabei unter anderem, dass es ihm sehr viel lieber ist, Besucher dieses Tages der offenen Tür über eine Lebensweise zu informieren, die der Vermeidung oder doch Verringerung einer KHK dienen, statt ihnen nach deren Überwindung als Bewerber der Herzsportgruppe zu begegnen. Dafür gibt es nämlich auch Wartezeiten.
Statt sich also frühzeitig zu informieren und eine gesunde Lebensweise zu führen, verdrängen viele im Falle des Betroffenseins eher Beschwerden oder nehmen sie nicht ernst, wenn sie schon zu einem Herzinfarkt und zur Herzschwäche geführt haben. Dr. Kornmann verweist bei seinen Informationen auch auf den Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Prof. Dr. med Thomas Meinertz, der konstatiert: „Das muss nicht sein, denn die Erkrankung und ihre Symptome lassen sich frühzeitig erkennen und durch einen gesunden Lebensstil, durch Ausschaltung der Risikofaktoren, durch Medikamente, auch durch Kathetereingriff und Bypassoperation wirksam behandeln.“ Der Aufklärungsbedarf ist groß. Deshalb veranstaltet die Deutsche Herzstiftung vom 1. bis zum 30. November die bundesweiten Herzwochen unter dem Motto „Herz in Gefahr“, um die Öffentlichkeit über die Vorbeugung, Erkennung und Therapie der KHK zu informieren.
Gefährlich an der KHK ist: Sie entsteht in einem schleichenden Prozess, der sich lange unbemerkt über Jahrzehnte hinweg entwickelt und bei dem kleine Ablagerungen in den Gefäßen (Plaques) den Blutstrom in den Herzkranzgefäßen beeinträchtigen, bevor sich die ersten Beschwerden der Angina pectoris (Brustenge) zeigen. Typisch für eine KHK sind ein Druck-, Engegefühl oder Schmerzen in der Brust, die mit Atemnot einhergehen können. Atemnot kann auch allein auftreten. Diese Beschwerden werden durch körperliche oder seelische Belastung ausgelöst: Treppensteigen, schnelles Gehen, Getränkekisten tragen, aber auch, wenn man sich aufregt. Der Schmerz kann in die Schulter, in den Kieferbereich oder in den Oberbauch ausstrahlen. Charakteristisch ist, dass er in wenigen Minuten verschwindet, wenn man auf der Treppe stehenbleibt, beim Rennen innehält, also wenn die Belastung aufhört. Viele Betroffene schieben diese Beschwerden auf das Alter oder auf die Bronchien und gehen deshalb nicht zum Arzt. „Solche Beschwerden und ihre Ursachen müssen unbedingt frühzeitig durch den Arzt abgeklärt werden, um ein Fortschreiten der KHK und eine lebensbedrohliche Situation wie den Herzinfarkt zu verhindern“, warnt Prof. Meinertz. Ein Herzinfarkt entsteht, wenn eine Plaque aufreißt, sich ein Blutgerinnsel bildet, das das Gefäß verschließt.
Obwohl Alter, erbliche Belastung und Geschlecht eine Rolle spielen, ist die Hauptursache der KHK unser heutiger Lebensstil: falsche Ernährung (zu viele Kalorien, zu viel Fett und zu viel Zucker), Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen und Stress. Daraus entstehen die Risikofaktoren Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung (hohes Cholesterin) und Diabetes. Allein Rauchen erhöht das Risiko für einen Herzinfarkt bei Männern um das 3-fache und bei Frauen sogar um das 6-fache. Übergewicht, besonders wenn es bauchbetont ist, führt zu Diabetes, Bluthochdruck und erhöhten Blutfetten. Durch einen gesunden Lebensstil lässt sich die Häufigkeit der KHK um 80-90% senken (Europäische Leitlinie 2012**).
Blutdruck, Blutzucker und Cholesterin sollte man rechtzeitig kontrollieren, um bei krankhaften Werten gegensteuern zu können. Empfohlen wird, ab 40 Jahren Cholesterin und Blutzucker bestimmen zu lassen und den Blutdruck einmal jährlich zu messen, ab 50 Jahren halbjährlich. Patienten mit genetischer Belastung, auch übergewichtige Kinder und Erwachsene, sollten ihre Risikofaktoren früher überwachen, da Diabetes und Bluthochdruck viel früher auftreten können.
Zu diesen Risikofaktoren und der Behandlung der KHK wird heute um 16.30 Uhr im neuen Seminarraum des Südharz Klinikum Nordhausen, Chefarzt Dr. Frank-Peter Held, referieren
Von Dr. Kornmann also erfuhr ich gestern aktuell, dass seine Herzsporttruppe derzeit etwa 80 aktive Mitglieder zählt, die in vier Gruppen je nach Konstitution wöchentlich einmal eine Stunde unter seiner Aufsicht Sport treiben. Was gestern während der öffentlichen Stunde in der Turnhalle des Südharz-Klinikums unter Anleitung der Übungsleiterin Renate Ostwald (Großwechsungen) an gymnastischen Übungen zu sehen war, beeindruckte nicht nur durch musikalisch begleitete Vielfalt, sondern auch durch körperliche Beanspruchung der Teilnehmer (und offensichtlich auch der Übungsleiterin selbst), die aber mit vollem Einsatz mitmachten. Offenbar eine „fortgeschrittene“ Gruppe beiderlei Geschlechts. Daneben spielte eine Männergruppe Prellball, bei der Dr. Kornmann zeitweise selbst mitwirkte. Und wie weiter von ihm zu erfahren war, trifft man sich gelegentlich auch zu Bowling oder anderen Veranstaltungen. So steht etwa am 06. Dezember eine Exkursion in die Autostadt Wolfsburg mit geführter Besichtigung und anschließendem Besuch des dortigen Weihnachtsmarktes auf dem Programm. Die Therapie besteht also nicht nur in rein sportlicher Betätigung, sondern auch in gesellschaftlichen und geselligen Veranstaltungen als Teil der Therapie.

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