Montag, 26. November 2012

Schöpferische Zerstörungskraft des Internet?

Ich kann diesen Begriff eigentlich nur für mich interpretieren, der da im Zusammenhang mit dem Ende der „Financial Time Deutschland“ aufgekommen ist, weil ich ja kein Experte in Sachen digitale Medien bin. Mit der ich eine Art Zielgruppe gefunden, an der ich mich orientieren, oder die ich auch gelegentlich etwas „auf die Schippe“ nehmen kann.

Zunächst muss ich ja zugeben, dass ich noch immer bedauere, nicht zu diesem „Thüringer Mediengespräch“ am vergangenen Donnerstag eingeladen worden zu sein. Nicht etwa, weil ich mich für einen Experten für irgend etwas halte (ich besitze ja noch nicht einmal ein Laptop, den man wohl zumindest haben muss, um zum Beispiel zu glauben, in der digitalen Welt mitreden zu können [siehe Piraten jüngst in Bochum]. Und ich hatte mir vor Jahren mal ein Handy zugelegt, mittels dem ich noch nie ein Gespräch führte, weil es ausschließlich dazu dienen soll, während meiner Wanderungen im Falle der Not nach Hilfe rufen zu können. Ich bin also noch nicht einmal ein zeitgemäßes Mitglied der digital orientierten Bürgergesellschaft. Und muss auch hinzufügen, dass ich mit einer gewissen Blauäugigkeit bisher meinte, ein Experte wäre ein Sachverständiger. Nun weiß ich, dass zwar ein Sachverständiger auf einem bestimmten Gebiet auch ein Experte ist. Aber ein Experte nicht unbedingt ein Sachverständiger sein muss (was etwas mit Sachkompetenz und Verantwortung zu tun hat). Und wenn demzufolge bei jener Veranstaltung „Experten unter sich“ diskutierten, hat man sich möglicherweise zu dem vorgegebenen Themenkomplex lediglich die Bälle gegenseitig zugespielt, um schließlich zu dem Ergebnis zu kommen, dass der Offene Kanal verdient, hoch gelobt zu werden. Aber das ist schon Spekulation, die ich doch tunlichst vermeide.

Die Ursache meines erwähnten Bedauerns liegt einfach in dem Umstand, dass ich irrigerweise annahm, es würde um Journalismus und die Veränderungen in der Zeitungslandschaft gehen, nachdem das Sterben der Printmedien konkrete Opfer fand. Im Wissen um das wirkliche Thema wäre ich nämlich von vornherein der Veranstaltung fern geblieben. Weil mich die Kommunikation in der Bürgergesellschaft nur dann interessiert, wenn das im Zusammenhang mit qualifizierten Journalismus geschieht. Und damit hat der Offene Kanal in Nordhausen offenbar wenig zu tun. Es könnte allerdings sein, dass er von den Internet-Zeitungen inspiriert oder beraten wird, nachdem meines Wissens deren Herausgeber Mitglied des Fördervereins des OKN ist.

Ich will darauf nicht weiter eingehen, würden sich damit doch Überlegungen ergeben, die – wie bemerkt – nicht unbedingt zu meinem Interessenspektrum dieser Art Kommunikation gehören. Interessant finde ich dagegen eine ganz anders gelagerte Betrachtung, in der es allerdings tatsächlich um die herkömmliche Zeitungslandschaft und die durch das Internet verursachten Auswirkungen geht.

Jens Uwe Meyer, (Geschäftsführer von „Die Ideeologen“ - Gesellschaft für neue Ideen mbh), den ich ja nun wirklich schon aufgrund der von ihm verfassten Sachbücher für einen Experten auf dem Gebiet der Kommunikation halte, befasst sich mit der Geschichte der Zeitungen und der für sie tätigen Journalisten bis zum jetzigen Ende der „Financial Time Deutschland“ und der „Frankfurter Rundschau“. Und stellt fest (angelehnter Auszug): „Klassische Journalisten haben die Existenz von Verlagen und Zeitungen . . . nie in Frage gestellt. . . Weil sie auf Basis der (einstigen) Drucktechnologien die beste und schnellste Möglichkeit waren, Informationen an eine breite Masse von Menschen zu verteilen. Warum gibt es Medienverlage? Weil durch die disruptive Innovation des Zeitungsdrucks die Chance entstand, kreative Leistungen von Autoren zu bündeln, zu vermarkten, mit einem Gütesiegel zu versehen und zum Empfänger zu bringen.“

Und weiter argumentier Meyer: „Und heute? Wäre das Internet vor dem Zeitungsdruck erfunden worden, hätte es niemals Zeitungen gegeben. Kommentatoren beklagen heute, dass es ein Fehler war, Informationen kostenlos ins Internet zu stellen. Das ist Unsinn, eine rückwärtsgewandte Diskussion. Ohne diesen Schritt wären traditionelle Zeitungen bereits vor zehn Jahren vom Markt verschwunden. Und hätte es schon vor der Erfindung der Verlage eine technische Möglichkeit gegeben, Autorenleistungen zu vermarkten, hätte es die Branche in der heutigen Form nicht gegeben. Praktisch alle Grundvoraussetzungen, unter denen die Zeitungs- und Verlagsbranche gegründet wurde, sind weg. Bis auf eine: Das Gütesiegel. Sie nehmen diesen Artikel ernst, weil er das Gütesiegel eines Medienunternehmens trägt. Diese Gütesiegel sind das eigentliche Kapital der Verlage. Die Ansicht, dass sich Qualitätsjournalismus nicht mehr auszahle, stimmt nicht. Nur in seiner heutigen Form ist er das Relikt einer Zeit, in der es nichts besseres gab.. .“ (Ende des Auszugs aus „Absatzwirtschaft“)

Meyer setzt seine Betrachtung fort und kommt dabei zum Kernpunkt: „Journalisten und Verleger unterliegen gleichermaßen der Selbsttäuschung. Statt ihr Kapital kreativ einzusetzen, pochen Sie auf das Bestehende. Und berauben sich der Möglichkeit, ihre Geschäftsmodelle neu zu erfinden. Sie verteufeln Google anstatt von Google zu lernen.
Klassische Zeitungen und Verlage haben es über Jahre nicht geschafft, Informationen zeitlich, inhaltlich und medial auf die Bedürfnisse ihrer Leser anzupassen. Das Wertschöpfungsmodell von Informationen liegt nicht in der Masse: Es liegt im Kontext, dem zeitlichen Vorsprung, der individualisierten Aufbereitung, der Neubündelung und der Schaffung von Mehrwert. Diese Logik des Informationsmarktes haben klassische Zeitungen und Verlage bis heute nicht verinnerlicht.“
Das Fazit? „Ich selbst war ein bekennender Fan der Financial Times Deutschland. Als digitaler Mensch jedoch habe ich die Papierausgabe seit Jahren nicht mehr angefasst. Die App hat mir genügt. Ich hätte sogar für Informationsangebote bezahlt, wenn sie für mich gerade wertvoll gewesen wären. Einzig: Mir wurde nie etwas angeboten. Es war als würde ich in einem Geschäft mit leeren Regalen stehen. Wenn der Verkäufer nichts hat, wie will er dann seine Mitarbeiter ernähren?“

Ich finde diese Betrachtung außerordentlich treffend und könnte mich mit dem letzten Absatz sogar identifizieren. Man mag mir nachsehen, dass ich möglicherweise über Gebühr zitierte - ich bin ja gebranntes Kind – aber treffender kann man die Situation meines Erachtens nicht charakterisieren.

Und die Erkenntnisse daraus, die wiederzugeben ich mir allerdings versage, weil ja „Experten“ der Medienlandschaft darum wissen müssten. Mir dienen sie jedenfalls zur Bestätigung meiner Auffassung, nach der Qualitätsjournalismus nach wie vor seine Bedeutung hat. Wobei der im Auszug erwähnte „zeitliche Vorsprung“ in der digitalen Berichterstattung keinesfalls auf Kosten der Sorgfalt gehen darf. Seriöser (investigativer) Journalismus hat nach wie vor seine Bedeutung. Regional und auch auf überregionaler Ebene. Auch wenn man das regional vielleicht nicht so genau nimmt.

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