Donnerstag, 15. November 2012

Die Staatsschuldenkrise in Europa

Die Reihe der von der Konrad Adenauer Stiftung Thüringen unter dem Motto „Nordhäuser Gespräch“ konzipierten Vorträge fand am Dienstag in der Kreissparkasse Nordhausen ihre Fortsetzung. Das vorgesehene Thema „Die Staatsschuldenkrise in Europa“versprach interessant und aufschlussreich zu verlaufen und war hochaktuell. Und die Kompetenz der in Aussicht gestellten Referenten (eine Bundestagsabgeordnete und ein Ökonomie-Professor der Uni Erfurt) ließen entsprechend qualifizierte Vorträge erwarten.

In der Vorschau zu diesem „Nordhäuser Gespräch“ ließ die Adenauer Stiftung zum Thema wissen, dass bereits seit 2009 die Staatsschuldenkrise die Bürgerinnen und Bürger Europas in Atem hält. Die Krise, welche in Griechenland ihren Anfang nahm, griff auf viele andere Länder über, welche mit mehreren Rettungspaketen vor der Zahlungsunfähigkeit gerettet werden mussten. Im Anschluss wurden mit dem EFSF und dem ESM Rettungsschirme entwickelt, die als Notanker Kredite an Krisenstaaten vergeben können. Schließlich hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Bereitschaft erklärt im Notfall Staatsanleihen von Krisenstaaten sogar ohne Begrenzung aufzukaufen. Die Komplexität der Entscheidungen gepaart mit den teilweise kontroversen Diskussionen auf europäischer und nationaler Ebene zeigen auf, dass diese Krise nicht eine vorübergehende Ausnahmesituation darstellt, sondern den Prozess der europäischen Integration in Frage stellen kann. Wenn dies verhindert werden soll, muss zunächst Klarheit über die Ursachen der Krise gewonnen werden. Erst dann kann man beurteilen, ob die diskutierten Gegenmaßnahmen, seien es Sparprogramme, Fiskal- und Bankenunion, Schaffung einer europäischen Bankenaufsicht sowie stärkere Befugnisse für die EU-Institutionen ausreichen und wie der Prozess der europäischen Integration nach all den Erschütterung fortgesetzt werden kann. Wir freuen uns mit Antje Tillmann MdB, Prof. Dr. Gerhard Wegner und Wolfgang Asche eine Expertin und Experten aus Politik und Wirtschaft gewonnen zu haben, um das Thema darzustellen und zu diskutieren.

Unter diesem Aspekt also fand diese Veranstaltung statt, von der es in der Ankündigung hieß, dass eine Teilnahme nur mit Voranmeldung möglich sei. Man hatte offenbar mit sehr viel mehr Teilnehmern gerechnet, als tatsächlich gekommen waren. Und das verwunderte, wenn man davon ausgeht, dass diese Staatsschuldenkrise auch Deutschland betrifft und seine Position innerhalb der EU mit sich bringt, dass seine Bürgerinnen und Bürger mithaften, wenn Deutschland für andere Schuldenstaaten Bürgschaft leistet. Über Gespräche am Stammtisch scheint das im allgemeinen nicht hinaus zu gehen. Dass aber auch von der Fachhochschule neben Prof. Dr. Jörg Arnsmeyer und seiner Frau niemand auszumachen war, kann schon nachdenklich stimmen.

Nach der Begrüßung durch Daniel Braun, Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Konrad Adenauer-Stiftung, und – in Vertretung des verhinderten KSK-Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Asche - KSK-Vorstandsmitglied Thomas Seeber referierte zunächst die CDU-Bundetagsabgeordnete Antje Tillmann (Weimar) zum Thema des Abends. Ich beschränkt mich – wie schon bemerkt – auf eine allgemeine Übersicht, um mich nicht in Details zu verlieren, die den Problemkomplex leicht unübersichtlich machen könnten. Zum Teil geschieht der folgende Bericht auch nur in Anlehnung an die Ausführungen Tillmanns, die dem Finanzausschuß des Deutschen Bundestages angehört. Wobei ich zusätzlich bemerke, dass die Berichterstattung in den Medien zu diesem Thema seit Jahren höchst unterschiedlich und teils auch widersprüchlich verläuft.
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Zunächst betonte Antja Tillmann, dass es bei dem Problemkomplex grundsätzlich nicht um eine Eurokrise geht – der Euro sei nach wie vor eine stabile Währung – sondern allein um die Staatsverschuldung der 17 Mitgliedstaaten der EU. Als Beginn dieser Krise wird der Zeitraum von Oktober 2009 bis April 2010 gesehen, in dem Griechenland nach einer neuen Regierungsbildung das tatsächliche Ausmaß seiner bisher verschleierten Haushaltsdefizite und seines Schuldenstandes offenlegte. Und dann EU sowie IWF um Hilfe bat, um eine Staatsinsolvenz abzuwenden (Griechische Finanzkrise ). Dabei erfuhr man, dass die Verschuldung Griechenlands bereits bei ihrer Aufnahme in die EU 104% des Bruttoinlandproduktes betrug.

Dabei sollte die Staatsverschuldung der Länder höchstens 60% des jeweiligen Bruttoinlandproduktes betragen. Tatsächlich betrugen sie 2011 im Durchschnitt 87,7%, wobei Griechenland mit 157,7% am höchsten verschuldet war, Luxemburg mit 17,2% am wenigsten. Während sich Deutschland mit 82,4% im oberen Mittelfeld findet. Daraus ergibt sich auch die Antwort auf die Frage, welche Länder aus eigener Kraft nicht mehr aus ihrer Verschuldung finden. Und das sind – neben Griechenland, vor allen Spanien, Portugal, Italien ,Zypern und Irland. Tillmann erläuterte nun kurz den Grundlagenvertrag für den Euro-Krisenfonds ESFS, der den Finanzpolitikern im Euroraum als zentraler Baustein für das weitere Euro-Krisenmanagement galt.. Vor allem die EU-Kommission, aber auch die Europäische Zentralbank (EZB) hatten darauf gedrungen, den Vertrag 2010 zügig zu verabschieden, der Anfang 2011 seine Arbeit aufnahm. Dahinter stand die Hoffnung, dass der schlagkräftigere Krisenfonds die Märkte beruhigt - und dass mit ihm auch weitere Entscheidungen getroffen werden können. Abgelöst wurde er als Konsequenz aus der Schuldenkrise durch die Euro-Staaten durch den Rettungsschirm ESM, der einen dauerhaften Krisenmechanismus in Gang setzt. Er verfügt über mehr Möglichkeiten und ist entsprechend gestaltet. Die Bundestagsabgeordnete erläuterte dessen Wirkungsweise. Danach dient der neue Stabilitätsmechanismus dem Ziel, Staaten der Eurozone zu unterstützen, die mit großen Finanzproblemen kämpfen. Das soll auch die Eurozone als Ganzes stabilisieren. In diesem Zusammenhang ging sie auch auf den Europäischen Fiskalpakt ein, der der Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion dient und auf den Vertrag von Maastricht bzw. auf jenen EU-Konvergenzkriterien basiet – die schon erwähnte 60% Verschuldungsobergrenze in Relation zum jeweiligen Bruttoinlandprodukt und 3%jährliche Neuverschuldung. Wesentliche Neuerung beim „SKS-Vertrag“ betrifft nun (zusätzlich zu den „Maastricht-Kriterien“) die Möglichkeit der finanziellen Sanktionierbarkeit bei Nichteinhaltung. Teilnehmende Länder, deren Defizit (jährliche Neuverschuldung) über 3 % oder deren Gesamtschuldenstand über 60 % des BIP beträgt, haben ihre Haushalts- und Wirtschaftspartnerschaftsprogramme mit Maßnahmen zum Abbau der Verschuldung der EU-Kommission und dem Europäischen Rat vorzulegen und von diesen genehmigen zu lassen.
Die Politikerin erläuterte, wie auch Spanien und Portugal zur Höhe ihrer Staatsverschuldung kamen, und auch Zypern auf externe Hilfen bei der Finanzierung seines Staatshaushaltes angewiesen ist, während Spanien Geldspritzen zur Stützung seines Bankensystems in Anspruch genommen hat. In geringerem Maße haben auch Italien und Slowenien Probleme, am Kapitalmarkt Kredite aufzunehmen und werden ebenfalls zu den Krisenstaaten gezählt.
Die aktuelle Staatsschuldenkrise verdeutlicht jedenfalls nach den gehörten Ausführungen der Politikerin, dass viele Staaten – einschließlich Deutschland – in der Vergangenheit über ihre Verhältnisse lebten. Die wichtigsten Stabilitätskriterien von Maastricht, wurden seit 1999 genau 94-mal von den Staaten missachtet. Wohin eine solche Haushaltspolitik führt, wird an Griechenland deutlich.Der Weg aus diesem Dilemma kann nach Sachlage und den Ausführungen der Politikerin nur in einer konsequenten Sparpolitik der betroffenen Staaten bestehen. Und natürlich Wirtschaftswachtum mit Hilfe von ESM und Fiskalpakt

Nach dem Vortrag der Politikerin trat Prof. Wegner ans Rednerpult und stellte als Ökonom in Form eines Co-Referats seine Vorstellung zu dem Problemkomplex dar. Und wenn sich seine Vorrednerin zuversichtlich hinsichtlich der Einhaltung der Auflagen und Forderungen der EU gegenüber den betroffenen Staaten gab, stellte Wegner vieles davon in Zweifel.Und die Realität gibt ihm dabei weitgehend Recht. Es kann hier nicht weiter auf die Ausführungen des Professors eingegangen werden, was auch nicht nötig erscheint angesichts der täglichen Medienberichte zu diesem Themenkomplex. Wegner stellte jedenfalls fest, dass die Staatsschuldenkrise u.a. Folge der konjunkturellen Einbrüche in 2008 ist, dass aber schon die Einführung der Gemeinschaftswährung überstürzt, also ohne die entsprechenden Vorbereitungen erfolgte. Und ohne dass die Voraussetzungen in den einzelnen Staaten kritisch geprüft wurden. Griechenland sei dafür das beste Beispiel. Er zog aber auch angesichts der gegenwärtigen Situation die tatsächliche Bereitschaft der überschuldeten Staaten in Zweifel, durch eigene Bemühungen wieder zu einer ausgeglichenen Haushaltsführung zu gelangen. Und Generalstreiks in einzelnen dieser Staaten sind kein Mittel, auf diesen Weg zu gelangen. Er verwies aber auch auf das Risiko, dass Staaten versucht sein könnten, unter dem Rettungsschirm der EU zu verbleiben Er anerkannte demgegenüber die Anstrengungen von Staaten wie Irland mit einem Wirtschaftswachstum von aktuell 60% (Griechenland 40%, Deutschland 20%), aus eigener Kraft aus der Krise zu kommen. Aber ohne Angleichung der unterschiedlichen Regelungen im Steuer- oder auch Sozialbereich (z.B. Besteuerung der Reichen, Angleichung des Zinsniveaus und Renteneintrittsalters) werde es eine übereinstimmende Politik innerhalb der EU nicht geben. Wegner sprach die Politik der EU-Zentralbank ebenso an (Ankauf von Staatsanleihen) wie die Problematik überschuldeter Banken. Und kritisierte die Vetternwirtschaft in einzelnen der Mitgliedstaaten. Es wird jedenfalls langer Zeit bedürfen, um die europäischen Staaten – auch mit Hilfe von ESM und Fiskalpakt - ins Gleichgewicht zu bringen.Und das finanzielle Risiko dabei tragen letztlich immer die Bürgerinnen und Bürger der Geberländer.

Nachdem Prof Wegner seinen Vortrag beendet hatte, folgte unter der Moderation von Dr. Klaus Zeh, ein doch recht lebhafter Disput zwischen den beiden Referenten zum Abgleich ihrer Auffassungen, die dann auch noch auf Fragen aus dem Auditorium eingingen. Lösungen waren von dieser Veranstaltungen von vornherein nicht zu erwarten, sie brachten aber interessante Aufschlüsse über die politische und ökonomische Betrachtungsweise zu den Staatsschulden der Mitgliedsstaaten und deren Umgang damit. Mir wird es Anlass sein, meine Meinungsbildung auf dieser Grundlage entsprechend der weiteren Berichterstattung der Medien fortlaufend zu aktualisieren.

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