Gesellschaftliche Prozesse und die Einstellungen deutscher Bürgerinnen und Bürger in Zeiten europaweiter Krisen – 30 Jahre nach der Wiedervereinigung und somit auch mit Blick auf innerdeutsche Unterschiede zwischen Ost und West stehen im Fokus des Informationsdienst Soziale Indikatoren (ISI 65)
Die Sonderausgabe des ISI thematisiert Forschungsergebnisse aus dem vom BMBF geförderten Forschungsprojekt „Veränderung durch Krisen? Solidarität und Entsolidarisierung in Deutschland und Europa (Solikris)“, an dem neben dem GESIS- Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften auch die Universität Heidelberg und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) beteiligt sind.
In den vergangenen Jahren sahen sich die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten mit gleich mehreren Krisen konfrontiert: Beginnend mit der Eurokrise, die nach 2010 umfangreiche Rettungspakete für EU-Staaten erforderte, über die Ankunft Millionen Geflüchteter 2015/2016, die zu einem Anstieg innergesellschaftlicher Solidaritätsmaßnahmen führte, aber gleichzeitig eine Debatte über Solidarität zwischen unterschiedlich stark betroffenen EU-Staaten hervorrief, bis hin zur Corona Pandemie, die seit dem Frühjahr 2020 das Leben in der EU und weltweit bestimmt.
All diese Krisen fordern solidarisches Handeln innerhalb und zwischen Staaten und stellen etablierte Demokratien vor die Herausforderung, ihr (nicht-) solidarisches Handeln gegenüber Bürgerinnen und Bürgern zu legitimieren. Heiko Giebler, Sandra Horvath und Bernhard Weßels (alle WZB) zeigen im ersten Beitrag, dass Unterschiede in der Einschätzung der Legitimität 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht auf innerdeutsche Sozialisations- oder Situationsunterschiede zurückzuführen sind, sondern auf enttäuschte Erwartungen, insbesondere in Bezug auf eine geringe Responsivität von Politikerinnen und Politikern. Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt auch Kathrin Busch (GESIS): Ihrer Studie zufolge lassen sich die teils starken Unterschiede in der Demokratiezufriedenheit vor allem über die Wahrnehmung fehlender Repräsentation und Responsivität erklären.
Inwiefern sich die Solidarität der Deutschen mit überschuldeten Mitgliedstaaten oder Geflüchteten unterscheidet und wovon sie abhängt, untersucht der Beitrag von Anne-Marie Parth, Jale Tosun und Julia Weiß (alle Universität Heidelberg). Sie zeigen, dass das Vertrauen in die Politik, im Speziellen die Bundesregierung, vor allem in Ostdeutschland die Solidaritätsbereitschaft maßgeblich beeinflusst, und die Solidarität in der Migrationskrise mit der in der Finanzkrise verbunden scheint – eine Beobachtung, die für zukünftige Krisen von Belang sein könnte. Ann-Kathrin Reinl, Christina Eder und Alexia Katsanidou (alle GESIS) untersuchten explizit, inwiefern sich die Bereitschaft zu transnationaler Solidarität auf das Wahlverhalten deutscher Bürgerinnen und Bürger bei der Europawahl 2019 auswirkte. Mit dem Ergebnis, dass der Zusammenhang in Westdeutschland stärker ausgeprägt ist als im Osten der Bundesrepublik, was die Vermutung nahelegt, dass europäischen Fragen im Westen eine größere Bedeutung zu kam, im Osten hingegen nationale Themen das Wahlverhalten stärker beeinflussten.
In Bezug auf die häufig thematisierten Ost-West-Unterschiede im Kontext zuwanderungsbezogener Bedrohungswahrnehmungen infolge der Migrationskrise kommen Boris Heizmann und Nora Huth (beide GESIS) zu dem Ergebnis, dass Unterschiede zwischen Ost und West weiterhin nachweisbar sind, diese aber vielmehr auf Eigenschaften der Bundesländer wie das Gefälle im Anteil von Zugewanderten zurückzuführen sind als auf individuelle Merkmale der Befragten.
Das Forschungsprojekt Solikris greift auf mehrere Fragebogenmodule in der Datenerhebungsinfrastruktur des GESIS Panels zurück, die Steffen Pötzschke und Bernd Weiß (beide GESIS) abschließend vorstellen. Ziel des Solikris Projektes ist es, Krisenphänomene und deren Auswirkungen auf Solidarität unter besonderer Berücksichtigung politischer Legitimität und institutionellen Vertrauens besser zu verstehen und jene Aspekte zu fokussieren, die etablierte Demokratien vor Probleme stellen. (Zwischen-) Ergebnisse werden regelmäßig als Policy Briefs auf der Projektseite veröffentlicht: https://www.gesis.org/projekte/solikris/veroeffentlichungen.
Christina Eder, Alexia Katsanidou & Ann-Kathrin Reinl (Hrsg.): Veränderung durch Krisen? Solidarität und Entsolidarisierung in Deutschland und Europa.
In den vergangenen Jahren sahen sich die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten mit gleich mehreren Krisen konfrontiert: Beginnend mit der Eurokrise, die nach 2010 umfangreiche Rettungspakete für EU-Staaten erforderte, über die Ankunft Millionen Geflüchteter 2015/2016, die zu einem Anstieg innergesellschaftlicher Solidaritätsmaßnahmen führte, aber gleichzeitig eine Debatte über Solidarität zwischen unterschiedlich stark betroffenen EU-Staaten hervorrief, bis hin zur Corona Pandemie, die seit dem Frühjahr 2020 das Leben in der EU und weltweit bestimmt.
All diese Krisen fordern solidarisches Handeln innerhalb und zwischen Staaten und stellen etablierte Demokratien vor die Herausforderung, ihr (nicht-) solidarisches Handeln gegenüber Bürgerinnen und Bürgern zu legitimieren. Heiko Giebler, Sandra Horvath und Bernhard Weßels (alle WZB) zeigen im ersten Beitrag, dass Unterschiede in der Einschätzung der Legitimität 30 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht auf innerdeutsche Sozialisations- oder Situationsunterschiede zurückzuführen sind, sondern auf enttäuschte Erwartungen, insbesondere in Bezug auf eine geringe Responsivität von Politikerinnen und Politikern. Zu ähnlichen Erkenntnissen kommt auch Kathrin Busch (GESIS): Ihrer Studie zufolge lassen sich die teils starken Unterschiede in der Demokratiezufriedenheit vor allem über die Wahrnehmung fehlender Repräsentation und Responsivität erklären.
Inwiefern sich die Solidarität der Deutschen mit überschuldeten Mitgliedstaaten oder Geflüchteten unterscheidet und wovon sie abhängt, untersucht der Beitrag von Anne-Marie Parth, Jale Tosun und Julia Weiß (alle Universität Heidelberg). Sie zeigen, dass das Vertrauen in die Politik, im Speziellen die Bundesregierung, vor allem in Ostdeutschland die Solidaritätsbereitschaft maßgeblich beeinflusst, und die Solidarität in der Migrationskrise mit der in der Finanzkrise verbunden scheint – eine Beobachtung, die für zukünftige Krisen von Belang sein könnte. Ann-Kathrin Reinl, Christina Eder und Alexia Katsanidou (alle GESIS) untersuchten explizit, inwiefern sich die Bereitschaft zu transnationaler Solidarität auf das Wahlverhalten deutscher Bürgerinnen und Bürger bei der Europawahl 2019 auswirkte. Mit dem Ergebnis, dass der Zusammenhang in Westdeutschland stärker ausgeprägt ist als im Osten der Bundesrepublik, was die Vermutung nahelegt, dass europäischen Fragen im Westen eine größere Bedeutung zu kam, im Osten hingegen nationale Themen das Wahlverhalten stärker beeinflussten.
In Bezug auf die häufig thematisierten Ost-West-Unterschiede im Kontext zuwanderungsbezogener Bedrohungswahrnehmungen infolge der Migrationskrise kommen Boris Heizmann und Nora Huth (beide GESIS) zu dem Ergebnis, dass Unterschiede zwischen Ost und West weiterhin nachweisbar sind, diese aber vielmehr auf Eigenschaften der Bundesländer wie das Gefälle im Anteil von Zugewanderten zurückzuführen sind als auf individuelle Merkmale der Befragten.
Das Forschungsprojekt Solikris greift auf mehrere Fragebogenmodule in der Datenerhebungsinfrastruktur des GESIS Panels zurück, die Steffen Pötzschke und Bernd Weiß (beide GESIS) abschließend vorstellen. Ziel des Solikris Projektes ist es, Krisenphänomene und deren Auswirkungen auf Solidarität unter besonderer Berücksichtigung politischer Legitimität und institutionellen Vertrauens besser zu verstehen und jene Aspekte zu fokussieren, die etablierte Demokratien vor Probleme stellen. (Zwischen-) Ergebnisse werden regelmäßig als Policy Briefs auf der Projektseite veröffentlicht: https://www.gesis.org/projekte/solikris/veroeffentlichungen.
Christina Eder, Alexia Katsanidou & Ann-Kathrin Reinl (Hrsg.): Veränderung durch Krisen? Solidarität und Entsolidarisierung in Deutschland und Europa.
Sophie Zervos Kommunikation
Hier können Sie die Sonderausgabe des ISI 65 downloaden:
https://www.gesis.org/fileadmin/upload/forschung/publikationen/zeitschriften/isi...
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Als eine der weltweit führenden Infrastruktureinrichtungen für die Sozialwissenschaften steht das GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften Forscherinnen und Forschern auf allen Ebene ihrer Forschungsvorhaben mit seiner Expertise und seinen Dienstleistungen beratend zur Seite, so dass gesellschaftlich relevante Fragen auf der Basis neuester wissenschaftlicher Methoden, qualitativ hochwertiger Daten und Forschungsinformationen beantwortet werden können. GESIS ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft und unterhält institutionelle und projektbezogene Kooperationen mit vielen Universitäten und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland. GESIS ist an wichtigen europäischen Projekten wie u.a. dem European Social Survey (ESS), der European Value Study (EVS), dem europäischen Archivverbund CESSDA, oder dem OECD-Projekt Programme for the International Assessment of Adult Competencies (PIAAC) beteiligt.
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