Von der „Entmenschlichung der Arbeit zu Menschenhandel ist es nur ein kleiner Schritt“
Weihbischof Puff zum Internationalen Tag gegen Menschenhandel
Am
30. Juli 2020 begehen die Vereinten Nationen den Internationalen Tag
gegen Menschenhandel. Dabei handelt es sich um ein nach wie vor wenig
beachtetes Feld der Kriminalität:
Menschen, meist Frauen und Kinder, werden unter Vorspiegelung falscher
Tatsachen, unter Ausnutzung ihrer Hilflosigkeit, durch Nötigung und
Missbrauch von Macht gefügig gemacht und ausgebeutet. Menschenhandel ist
eine Straftat und ein Verbrechen gegen die Menschenwürde.
Beobachter
schätzen die Zahl der Opfer des Menschenhandels auf weltweit rund 40
Millionen. Auch in Deutschland wird die Notlage tausender Menschen
ausgenutzt. Sie werden
unter menschenunwürdigen Bedingungen, ohne ausreichenden Arbeitsschutz
und ohne existenzsichernde Entlohnung beschäftigt. Grundrechte ebenso
wie arbeits- und sozialrechtliche Ansprüche werden ihnen vorenthalten.
„Von dieser Entmenschlichung der Arbeit zu Menschenhandel
ist es nur ein kleiner Schritt“, erklärt Weihbischof Ansgar Puff
(Köln), Vorsitzender der Arbeitsgruppe Menschenhandel der
Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz. „In der Pandemie
wird insbesondere die Situation in der Lebensmittelindustrie
wahrgenommen.
Und das nicht zu Unrecht! Aber in Deutschland und der Europäischen
Union findet Ausbeutung in erheblichem Maß auch in der Pflege, auf dem
Bau und in der Prostitution statt.“
Die
ausbeuterischen Arbeitsbedingungen haben ihren Ursprung auch in den
Herkunftsländern der Betroffenen. „Kirchliche Partner in Rumänien und
Bulgarien berichten, dass
viele Menschen bereit sind, einen schlechten Lohn und prekäre
Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, um ihre Familien im Heimatland
unterstützen zu können. Hierfür zahlen sie einen viel zu hohen Preis“,
so Weihbischof Puff.
Papst
Franziskus räumt dem Kampf gegen den Menschenhandel einen hohen
Stellenwert ein. 2014 wurde in seiner Anwesenheit die „Santa Marta
Group“ gegründet, in der Bischöfe,
Ordensschwestern und leitende Polizeibeamte in der Bekämpfung des
Menschenhandels und zur Unterstützung der Opfer zusammenarbeiten. Im
gleichen Jahr unterzeichnete er mit hochrangigen Vertretern anderer
Religionsgemeinschaften im Vatikan eine Erklärung, die
dazu aufruft, die „moderne Sklaverei weltweit bis 2020 und für alle
Zeiten abzuschaffen“.
Die
katholische Kirche kümmert sich in Deutschland wie in den
Herkunftsländern in vielfältiger Weise um die Opfer von Menschenhandel:
in der sozialen und juristischen
Beratung und durch konkrete Hilfe für Menschen, die der Ausbeutung
entkommen. „Zum Engagement der katholischen Kirche gegen Menschenhandel
gehört nicht nur die Sorge um und für die Opfer, sondern auch der
Einsatz für faire Lebensbedingungen weltweit, die dem
Menschenhandel seine Grundlagen entziehen“, sagt Weihbischof Puff.
Vor
allem aber seien Politik und staatliche Verwaltung gefordert, Regeln zu
formulieren und durchzusetzen, damit Maßnahmen nicht nur ein Strohfeuer
bleiben. „Damit sich
derart ausbeuterische Arbeitsverhältnisse gar nicht erst entwickeln
können, sind konsequente Kontrollen sowohl der
Arbeitsvermittlungsagenturen als auch der Betriebe zwingend
erforderlich“, betont Weihbischof Puff. Ziel der Kontrollen müsse es
sein, den Arbeitnehmerschutz
zu stärken, Arbeitsausbeutung und Menschenhandel aufzudecken und zu
verhindern. „Es muss sichergestellt werden, dass die zuständigen
Behörden mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet sind und
auf qualifiziertes Personal, nicht zuletzt Dolmetscher,
zugreifen können.“
Hintergrund
Für
das internationale kirchliche Engagement gegen den Menschenhandel ist
die Santa Marta Group von hoher Relevanz. Sie geht auf eine Initiative
der Bischofskonferenz
von England und Wales zurück und wurde 2014 im vatikanischen Gästehaus
Domus Sanctae Marthae gegründet. Aus Deutschland sind Vertreter der
Deutschen Bischofskonferenz, der katholischen Frauenrechtsorganisation
Solwodi und des Bundeskriminalamts beteiligt.
Die
katholischen Organisationen, die sich in Deutschland gegen den
Menschenhandel engagieren, haben sich 2014 auf Anregung der
Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz
in der „Arbeitsgruppe Menschenhandel“ zusammengeschlossen. Vorsitzender
der Arbeitsgruppe ist seit 2018 der stellvertretende Vorsitzende der
Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, Weihbischof Ansgar
Puff (Köln). Ausführlich hat sich der Vatikan
in seinen (2019 auch auf Deutsch veröffentlichten) „Pastoralen
Orientierungen zum Menschenhandel“ mit dem Problem auseinandergesetzt.
Die Orientierungshilfe beschreibt, warum Menschenhandel stattfindet,
weshalb er so oft verborgen bleibt und wie die Mechanismen
der Ausbeutung auch inmitten moderner Gesellschaften funktionieren. Sie
bringt Vorschläge in die Diskussion ein, wie das Verbrechen bekämpft
und Opfern geholfen werden kann. Das Dokument (Verlautbarungen des
Apostolischen Stuhls Nr. 219) kann als pdf-Datei
heruntergeladen oder als Broschüre unter www.dbk.de
in der Rubrik Publikationen
bestellt werden.
Die Deutsche Bischofskonferenz
ist
ein Zusammenschluss der katholischen Bischöfe aller (Erz-)Bistümer in
Deutschland. Derzeit gehören ihr 69 Mitglieder (Stand: Juli 2020) aus
den 27 deutschen (Erz-)Bistümern an.
Sie wurde eingerichtet zur Förderung gemeinsamer pastoraler Aufgaben,
zur Koordinierung der kirchlichen Arbeit, zum gemeinsamen Erlass von
Entscheidungen sowie zur Kontaktpflege zu anderen Bischofskonferenzen.
Oberstes Gremium der Deutschen Bischofskonferenz
ist die Vollversammlung aller Bischöfe, die regelmäßig im Frühjahr und
Herbst für mehrere Tage zusammentrifft.
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