Lebensmittel nicht unter Produktionskosten
Bündnis fordert Verbot von Dumpingpreisen
Berlin, 2. Juli 2020 – Die
Bundesregierung legt in Kürze einen Gesetzesentwurf vor, um die
EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken umzusetzen. Ein breites
Bündnis von 49 Organisationen aus dem Umwelt-, Entwicklungs-,
Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich fordern mehr Fairness im
Lebensmittelhandel. Der angekündigte Gesetzentwurf muss die
Einkommenssituation von Erzeugerinnen und Erzeugern und den
Lebensstandard der ländlichen Bevölkerung verbessern – in Deutschland,
der EU und weltweit. „Verkaufspreise dürfen nicht die Produktionskosten
innerhalb der Lieferkette unterbieten“, fordert das Bündnis
übereinstimmend in dem heute veröffentlichten Positionspapier „Für mehr
Fairness im Lebensmittelhandel“. Alle Beteiligten sind sich einig, dass
die EU-Richtlinie ein zentrales Instrument gegen die desaströse
Billigpreispolitik im Lebensmittelhandel ist und die Bundesregierung den
Verkauf von Lebensmitteln zu Dumpingpreisen verbieten muss. Ebenso
fordern sie die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle und einer
Ombudsstelle.
Mit Blick auf die vorherrschenden Marktmechanismen betont Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Der Markt und der ungezügelte Wettbewerb dürfen nicht länger ländliche
Strukturen ruinieren und Lebensmittel verramschen. Unternehmerische
Freiheit endet dort, wo durch unlauteres Geschäftsgebaren bewusst
Existenzen von bäuerlichen Betrieben, mangelhafter Umwelt- und
Klimaschutz sowie der Verlust der Artenvielfalt in Kauf genommen werden.
Jetzt ist der Gesetzgeber gefragt, denn Freiwilligkeit reicht nicht
aus.“
Die
Lebensrealität für viele Produzenten von Lebensmitteln, besonders
entlang der Lieferketten, ist ein täglicher Überlebenskampf. Die
Erzeugerpreise decken vielfach nicht die Produktionskosten und
Arbeiterinnen und Arbeiter, zum Beispiel in der Fleischindustrie oder im
Bananensektor, erhalten keine existenzsichernden Löhne. Marita Wiggerthale, Agrarexpertin bei Oxfam
kritisiert, dass weiterhin der Verkauf von Lebensmitteln zu
Dumpingpreisen möglich ist: „Das führt zu Hungerlöhnen und treibt
Kleinbauern und Kleinbäuerinnen in den Ruin. In Ecuador ist die Zahl der
Bananen-produzierenden Familienbetriebe im Zeitraum von 2015 bis 2018
um 60 Prozent gesunken. Die Einkommen von Bananenarbeitern sind
mehrheitlich unterhalb der nationalen Armutsgrenze – ihre Gehälter sind
nicht existenzsichernd. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf,
den Verkauf von Lebensmitteln zu Dumpingpreisen im neuen Gesetz zu
verbieten.“
Auch
die Mehrzahl der Kakaobauern und -bäuerinnen weltweit haben keine
existenzsichernden Einkommen. „Seit 20 Jahren beteuert die
Schokoladenindustrie ausbeuterische Kinderarbeit im Kakaoanbau zu
beenden und ist bis jetzt gescheitert. Ohne ein Ende des Preiskampfes
und damit besseren Einkommen für Kakaobauern und -bäuerinnen wird sich
daran nichts ändern“, kritisiert Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forum Fairer Handel.
Preis-
und Kostentransparenz sind zentral für eine funktionierende
Lebensmittelversorgungskette. Eine unabhängige Preisbeobachtungsstelle
soll diese ermöglichen und Richtwerte für kostendeckende Mindestpreise
ermitteln. „Wir müssen über kostendeckende Preisgestaltung in der
gesamten Wertschöpfungskette reden und das heißt faire Einkommen in der
gesamten Kette: vom Landwirt über die Verarbeiterin bis zur Verkäuferin
im Handel", fordert Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik bei Bioland.
„Bäuerliche Erzeugerinnen und Erzeuger, auch im Biobereich, zahlen oft
drauf, wenn Lebensmittel wie Fleisch oder Milch zu Dumpingpreisen
verkauft werden. Bislang gibt es aber keine Stelle, an die sie sich
wenden können, wenn Dumpingpreise gezahlt werden. Eine unabhängige
Ombudsstelle kann hier Abhilfe schaffen und Produzenten wie auch Arbeitnehmern endlich ein Instrument an die Hand geben, ihre Rechte einzufordern und Beschwerden einzureichen.“
Eine
Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland wünscht sich mehr Fairness im
Lebensmittelhandel. Laut ARD-DeutschlandTrend vom 6. Februar 2020
befürworten 73 Prozent der Bürgerinnen und Bürger ein Verbot des
Verkaufs von Lebensmitteln unterhalb der Herstellerkosten, das heißt sie
befürworten ein Verbot von Dumpingangeboten. „Die Bundesregierung wird
auf breite Zustimmung in der Bevölkerung treffen, wenn sie jetzt
konsequent für Fairness im Handel sowie für lokal und global gerechte
Preise und existenzsichernde Einkommen für Erzeugerinnen und Erzeuger
und Arbeiterinnen und Arbeiter sorgt“, bestätigt Gundula Oertel, Sprecherin des Ernährungsrates Berlin.
Dies könne auch zu einem wichtigen Dreh- und Angelpunkt für den klima-
und sozial gerechten Umbau vom Hof bis zum Teller werden. „In Zukunft
sollte kein Unternehmen reich werden dürfen, indem es Erzeugerinnen und
Erzeuger im Preis drückt und Menschen als Lohnsklaven ausbeutet“, so
Oertel.
Abschließend
fordert das Bündnis die Bundesregierung auf, das Bundeskartellamt als
Durchsetzungsbehörde festzulegen und ein umfassendes Verbot von
unlauteren Handelspraktiken einzuführen. Mit einer 1:1-Umsetzung, wie
bislang von der Bundesregierung geplant, würden die angestrebten Ziele
nicht erreicht und die enorme Verhandlungsmacht der marktmächtigen
Akteure in der Lebensmittelversorgungskette bliebe unangetastet.
Mehr Informationen:
Das Positionspapier „Für mehr Fairness im Lebensmittelhandel“ finden Sie unter: www.forum-fairer-handel.de/presse
Kontakte:
Forum Fairer Handel e.V: Maja Volland, Politische Referentin, Email: m.volland@forum-fairer-handel.de, Tel.: 030 28045349
Forum Fairer Handel e.V: Maja Volland, Politische Referentin, Email: m.volland@forum-fairer-handel.de, Tel.: 030 28045349
BUND: Katrin Wenz, BUND-Agrarexpertin, E-Mail: katrin.wenz@bund.net, Mobil: 0176 47684162
Oxfam: Marita Wiggerthale, Oxfam-Agrarexpertin, E-Mail: mwiggerthale@oxfam.de, Mobil: 01621386321
Oxfam: Marita Wiggerthale, Oxfam-Agrarexpertin, E-Mail: mwiggerthale@oxfam.de, Mobil: 01621386321
Bioland e.V.: Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik, E-Mail: gerald.wehde@bioland.de, Mobil 0176 60030011
Ernährungsrat Berlin: Gundula Oertel, Sprecherin des Ernährungsrates, Email: g.c.oertel@gmx.de; Mobil: 0177 570 15 25
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