Gestern
war Buß- und Bettag, den der Ratsvorsitzende der Evangelischen
Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm zum Anlass nahm, in
seiner Ansprache die zunehmenden Drohungen und Hassbotschaften im
Internet zu beklagen. Sie verbreiteten sich derzeit wie Gift in einer
Gemeinschaft, "die wir soziale Medien nennen". Beim
Gottesdienst in der Münchner Matthäuskirche rief er dazu auf, den
Tag zum Anlass zu nehmen, um zur Besinnung zu kommen. Die Güte
Gottes könne zur Umkehr leiten. Denn Menschen könnten sich
verändern, zeigte sich Bedford-Strohm überzeugt. So habe es ihn
"wirklich berührt", dass sich ein paar Tage nach einem
wüsten Kommentar auf seiner Facebookseite der Autor per E-Mail bei
ihm entschuldigt habe. Diesen Mailwechsel habe er als "Bußtagswunder"
erlebt.
So
bezeichnend ich finde, dass es ein Kirchenmann vom Range
Bedford-Strohms für nötig erachtet, diese Entwicklung und
persönliche Erfahrung in und mit den sozialen Netzwerken
vorzutragen, scheint dieses „Gift in einer Gemeinschaft“ eine
Erscheinung, die inzwischen so verbreitet ist, dass sie schon mehr
oder weniger ein Spiegelbild des geistigen Niveaus unserer
(Netz-)Gesellschaft im gegenseitigem Verhalten und der Kommunikation
ist. Da scheint es auch nichts zu nützen, dass Bundesjustizminister
Heiko Maas feststellt, dass Hass-Postings, Kostenloskultur,
Machtmissbrauch und all diese Dinge nichts im Netz zu suchen haben.
"Wenn die Unternehmen ihrer Verantwortung nicht gerecht werden,
werden wir Konsequenzen ziehen", drohte der SPD-Politiker am
05.10. in einem Interview mit dem „Handelsblatt“. Und brachte
neue Regeln für Facebook, Twitter und Google ins Spiel. Auch
Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne)
will Druck auf Soziale Netzwerke wie Facebook ausüben, damit
Hasskommentare im Internet konsequenter gelöscht werden. In einem
Beschlussvorschlag fordert Steffen laut einem Bericht der „Hamburger
Morgenpost“,
dass Internetplattformen Schadenersatz an Opfer von Hate
Speech zahlen
sollen, wenn sie gemeldete Hasskommentare nicht löschen. Zudem
sollten Shitstorms mit illegalen Inhalten als "bandenmäßige
Straftat" gelten. Steffen wird seinen Vorstoß am 17. November –
also heute - bei der Justizministerkonferenz in Berlin vorstellen,
schreibt das Blatt.
So
verständlich und wohl auch notwendig alle diese Maßnahmen und
Vorhaben sind, wird dadurch doch das Grundproblem nicht beseitigt.
Das unlängst bei der Buchmesse in Frankfurt die Publizistin Carolin
Emcke mit ihrem Buch „Gegen den Hass“ deutlich machte:
Ausgrenzung,
Diskriminierung und der Hass auf die Anderen, das Andere. Einen Hass,
der sich seit Monaten zunehmend Bahn bricht - in virtuellen
Kommentarspalten aber auch auf der Straße. Wobei diejenigen, die auf
der Straße stehen und brüllen "den Hass nur ausagieren",
wie sie in den Tagesthemen
sagte.
Geschürt werde das Ressentiment an ganz anderen Stellen: Im Netz, in
Publikationen, in der Musik - aber auch in Gesprächsrunden im
Fernsehen.
Emcke
stellte im Gespräch die Frage, ob wir uns inzwischen an den Hass
gewöhnt haben? Und antwortete auch gleich: "Diejenigen, die
die Opfer des Hasses sind, die können sich nicht daran gewöhnen",
sagte sie. Und: "Eine Gesellschaft kann nicht aushalten, dass
einzelne Menschen und Gruppe aus ihr vertrieben werden."
Vertrieben, ausgegrenzt, an den Rand geschoben wie zum Beispiel die
Flüchtlinge, die vor einigen Monaten im sächsischen Clausnitz von
einem wütenden Mob "empfangen" wurden.
Und
dazu führte sie aus: „Wie lässt sich eine solche Eskalation, eine
solche Rohheit erklären? Es gibt offenbar Raster der Wahrnehmung,
die andere Menschen zu monströsen, kriminellen, angeblich
gefährlichen Anderen konstruiert und deswegen all diese Hemmungen
abbaut", sagt Emcke. So entstehe plötzlich ein Klima, in dem
dann ganze Menschengruppen diskriminiert und verächtlich gemacht
werden.
Für
Emcke ist der Kampf dagegen nicht nur Sache der Politik: "Es
braucht jeden Einzelnen. Jeder hat die Möglichkeit,
Mitmenschlichkeit zu stärken und diese Gesellschaft zu verteidigen",
sagt sie. Denn jeder Einzelne könne die Muster, nach denen ganze
Gruppen diskriminiert werden, aufbrechen.
"Wir
müssen verhindern, dass auf Menschen, die in Angst sind, solche
Bösartigkeiten projiziert werden." Und fügte nochmal hinzu:
"Es kommt dabei auf jeden von uns an." Dazu habe ich dann
nichts mehr zu bemerken. Außer, dass Carolin Emcke für ihre Verdienste den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt.
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