Donnerstag, 17. November 2016

Gedanken zum Buß- und Bettag

Gestern war Buß- und Bettag, den der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm zum Anlass nahm, in seiner Ansprache die zunehmenden Drohungen und Hassbotschaften im Internet zu beklagen. Sie verbreiteten sich derzeit wie Gift in einer Gemeinschaft, "die wir soziale Medien nennen". Beim Gottesdienst in der Münchner Matthäuskirche rief er dazu auf, den Tag zum Anlass zu nehmen, um zur Besinnung zu kommen. Die Güte Gottes könne zur Umkehr leiten. Denn Menschen könnten sich verändern, zeigte sich Bedford-Strohm überzeugt. So habe es ihn "wirklich berührt", dass sich ein paar Tage nach einem wüsten Kommentar auf seiner Facebookseite der Autor per E-Mail bei ihm entschuldigt habe. Diesen Mailwechsel habe er als "Bußtagswunder" erlebt.
So bezeichnend ich finde, dass es ein Kirchenmann vom Range Bedford-Strohms für nötig erachtet, diese Entwicklung und persönliche Erfahrung in und mit den sozialen Netzwerken vorzutragen, scheint dieses „Gift in einer Gemeinschaft“ eine Erscheinung, die inzwischen so verbreitet ist, dass sie schon mehr oder weniger ein Spiegelbild des geistigen Niveaus unserer (Netz-)Gesellschaft im gegenseitigem Verhalten und der Kommunikation ist. Da scheint es auch nichts zu nützen, dass Bundesjustizminister Heiko Maas feststellt, dass Hass-Postings, Kostenloskultur, Machtmissbrauch und all diese Dinge nichts im Netz zu suchen haben. "Wenn die Unternehmen ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, werden wir Konsequenzen ziehen", drohte der SPD-Politiker am 05.10. in einem Interview mit dem „Handelsblatt“. Und brachte neue Regeln für Facebook, Twitter und Google ins Spiel. Auch Hamburgs Justizsenator Till Steffen (Grüne) will Druck auf Soziale Netzwerke wie Facebook ausüben, damit Hasskommentare im Internet konsequenter gelöscht werden. In einem Beschlussvorschlag fordert Steffen laut einem Bericht der „Hamburger Morgenpost“, dass Internetplattformen Schadenersatz an Opfer von Hate Speech zahlen sollen, wenn sie gemeldete Hasskommentare nicht löschen. Zudem sollten Shitstorms mit illegalen Inhalten als "bandenmäßige Straftat" gelten. Steffen wird seinen Vorstoß am 17. November – also heute - bei der Justizministerkonferenz in Berlin vorstellen, schreibt das Blatt.

So verständlich und wohl auch notwendig alle diese Maßnahmen und Vorhaben sind, wird dadurch doch das Grundproblem nicht beseitigt. Das unlängst bei der Buchmesse in Frankfurt die Publizistin Carolin Emcke mit ihrem Buch „Gegen den Hass“ deutlich machte: Ausgrenzung, Diskriminierung und der Hass auf die Anderen, das Andere. Einen Hass, der sich seit Monaten zunehmend Bahn bricht - in virtuellen Kommentarspalten aber auch auf der Straße. Wobei diejenigen, die auf der Straße stehen und brüllen "den Hass nur ausagieren", wie sie in den Tagesthemen sagte. Geschürt werde das Ressentiment an ganz anderen Stellen: Im Netz, in Publikationen, in der Musik - aber auch in Gesprächsrunden im Fernsehen.

Emcke stellte im Gespräch die Frage, ob wir uns inzwischen an den Hass gewöhnt haben? Und antwortete auch gleich: "Diejenigen, die die Opfer des Hasses sind, die können sich nicht daran gewöhnen", sagte sie. Und: "Eine Gesellschaft kann nicht aushalten, dass einzelne Menschen und Gruppe aus ihr vertrieben werden." Vertrieben, ausgegrenzt, an den Rand geschoben wie zum Beispiel die Flüchtlinge, die vor einigen Monaten im sächsischen Clausnitz von einem wütenden Mob "empfangen" wurden.
Und dazu führte sie aus: „Wie lässt sich eine solche Eskalation, eine solche Rohheit erklären? Es gibt offenbar Raster der Wahrnehmung, die andere Menschen zu monströsen, kriminellen, angeblich gefährlichen Anderen konstruiert und deswegen all diese Hemmungen abbaut", sagt Emcke. So entstehe plötzlich ein Klima, in dem dann ganze Menschengruppen diskriminiert und verächtlich gemacht werden.
Für Emcke ist der Kampf dagegen nicht nur Sache der Politik: "Es braucht jeden Einzelnen. Jeder hat die Möglichkeit, Mitmenschlichkeit zu stärken und diese Gesellschaft zu verteidigen", sagt sie. Denn jeder Einzelne könne die Muster, nach denen ganze Gruppen diskriminiert werden, aufbrechen.

"Wir müssen verhindern, dass auf Menschen, die in Angst sind, solche Bösartigkeiten projiziert werden." Und fügte nochmal hinzu: "Es kommt dabei auf jeden von uns an." Dazu habe ich dann nichts mehr zu bemerken. Außer, dass Carolin Emcke für ihre Verdienste den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt.

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