Dienstag, 29. November 2016

Interview mit Maurizio Gaudino, dem sportlichen Leiter des FSV Wacker 90 Nordhausen

Seit fünf Monaten ist der Ex-Nationalspieler, einstige Bundesligastar und Deutsche Meister Maurizio Gaudino sportlicher Leiter des FSV Wacker 90 Nordhausen. Zeit für ein erstes Zwischenfazit.

Herr Gaudino, wie haben Sie diese fünf Monate in Nordhausen erlebt? Und wie weit sind in dieser Zeit die Realität und Ihre Erwartungen auseinandergegangen?

Wenn ich den sportlichen Aspekt ausblende empfinde ich es immer noch sehr positiv in Nordhausen. Das ist eine kleine, liebenswerte Stadt mit vielen netten Menschen, in der ich mich sehr wohl fühle. Wenn ich aber meine mir gestellte Aufgabe hier betrachte, dann gestaltet sich das leider schwieriger als erwartet.

Wie fällt Ihr Fazit der laufenden Regionalliga-Saison bis zu diesem 15. Spieltag aus?

Wir haben von Anfang an gesagt, dass es schwer wird, einen Umbruch einzuleiten. Mit 14-15 neu zu integrierenden Spielern ist es natürlich nicht leicht und wir wussten, dass es seine Zeit dauern würde. Wir werden mit Höhen und Tiefen leben müssen, um die Strukturen zu schaffen, die irgendwann dazu führen, erfolgreich in der Liga zu spielen.

Der Saisonverlauf ist bisher aus Vereinssicht nicht gerade optimal. Was sagen Sie Kritikern, die den mangelnden Erfolg des Teams beklagen?

In den letzten Monaten hat es noch nicht zufriedenstellend geklappt. Da kommen viele Faktoren zusammen, wie die Erkrankung des Präsidenten und die frühzeitige Trennung vom Trainer. Natürlich wurde bisher nicht das erreicht, was wir uns vorgestellt haben, aber wir haben auch nie das Ziel ausgegeben in dieser Saison aufsteigen zu wollen. Von der Spielerqualität her sind wir auf jeden Fall ein Spitzenteam, aber wir sind noch keine richtige Mannschaft. Es ist uns noch nicht gelungen, eine Einheit zu werden. Da nehme ich mich gar nicht aus und es gilt sowohl für die Mannschaft als auch für die gesamte Arbeit im Verein.

Speziell die relativ große Anzahl neuer Spieler zu Saisonbeginn wird immer wieder hinterfragt. Warum braucht Wacker 35 Vertragsspieler?

Es geht ja nicht nur um die erste Mannschaft. Natürlich hat die Priorität, aber wir müssen ja auch die U23 und die A-Jugend entwickeln, so dass dort talentierte Spieler ausgebildet werden können. Im Sommer hatten wir ganze vier Spieler für die zweite Mannschaft und deshalb haben wir viele junge Spieler geholt, die den Kader ergänzen. Außerdem brauchten wir die geforderten für Deutschland spielberechtigte Jungs für den 18er Kader der Regionalliga. So haben wir bspw. dafür gesorgt, dass die U23 jetzt nicht dreimal in der Woche, sondern 6-7-mal trainiert. Wir befinden uns in einem Prozess, der nicht in fünf Monaten abgeschlossen ist, sondern über Jahre gehen wird.

Welchen Stellenwert messen Sie bei der Entwicklung junger Spieler der U23 bei?

Einen ganz großen Stellenwert. A-Jugend und U23 sollen um den Aufstieg mitspielen.

Soll die Truppe unter Philipp Seeland in die Oberliga geführt werden?

Ob wir bei entsprechenden Ergebnissen die U23 aufsteigen lassen, entscheiden wir erst am Ende der Saison. Das hängt auch mit der Struktur für die kommende Spielzeit zusammen. Auf jeden Fall streben wir aber den Aufstieg unserer A-Jugend an.

Präsident Kleofas ist seit September erkrankt und kann momentan nicht auf wichtige Entscheidungsprozesse einwirken. Wie viel Eigenverantwortung können Sie als Sportlicher Leiter wahrnehmen?

Im Hinblick auf diese bedauerliche Situation waren vielen von uns im Verein die Hände gebunden. Auch ich konnte meine Funktion nicht zu 100 Prozent erfüllen. Das ist nun glücklicherweise wieder anders und inzwischen arbeitet jeder in seinem Bereich mit klar abgegrenzten Aufgaben und eigener Verantwortung. Das gilt speziell für die erste Mannschaft, für die ich auf Wunsch immer zur Verfügung stehe. Ich kümmere mich aber auch sehr viel um das ganze Drumherum. Letztendlich werden die entscheidenden Gespräche dann wieder mit dem Präsidenten zu führen sein, wenn er zurück ist.
Unter Interimstrainer Piplica stabilisierte sich die Mannschaft wieder. Wie sehen Sie die Zukunft des Coachs und schauen Sie sich auf dem Markt nach einem neuen Cheftrainer um?

Ich habe noch keine Gespräche geführt und werde das auch nicht tun, so lange der Präsident krank ist. Und danach entscheiden wir, in welche Richtung es gehen wird. Fakt ist, dass unser Trainerteam mindestens bis zum 31.12. das absolute Vertrauen hat. In der Winterpause fällt dann die Entscheidung, wie es weitergehen soll.

Wie sieht Ihr Tagesablauf hier in Nordhausen aus?

Nach wie vor telefoniere ich sehr viel. Ich bin bei den Trainingseinheiten der Mannschaft und berate mich mit dem Trainerteam. Mindestens drei Mal die Woche besuche ich das Training der U23. Ich tausche mich mit den Nachwuchstrainern und den Spielern aus und versuche, die angesprochene Struktur voranzutreiben und mir ein umfassendes Bild der Gesamtsituation zu verschaffen. Eigentlich bin ich den ganzen Tag im Stadion unterwegs, um weitere Maßnahmen treffen zu können.

Wird der Verein im Winter Veränderungen im Kader vornehmen?

Mit Sicherheit wird es Veränderungen geben. Der eine oder andere Spieler wird auf uns zukommen und sagen, dass er nicht zufrieden ist. Darüber müssen wir sprechen und dann entscheiden, ob wir uns trennen. Ich bin allerdings kein Freund von Wintertransfers - das sind meist aus der Not entstandene Transfers.

Aber Sie haben schon jetzt eine konkrete Vorstellung, wie sich der Kader in der nächsten Zeit verändern soll?

Ja, auf jeden Fall.

Die Teilnahme an der Relegation zur 3. Liga ist in weite Ferne gerückt. Welche Ziele setzen Sie der Mannschaft jetzt?

Für uns Verantwortliche stimmt das so nicht, denn die 3.Liga war keine Zielvorgabe. Nahziele sind aber, eine gute Rückrunde mit einer stabilisierten Mannschaft zu spielen und auf dem Platz eine intakte Einheit zu bilden, um eine schlagkräftiger Truppe für die neue Saison zu haben. Und eine ganz klare Aufgabe ist im Pokal: Halbfinale - Finale - Pokal.

Derzeit werden die schlechten Trainingsbedingungen im AKS wieder heiß diskutiert. Welche Meinung vertreten Sie dazu?

Ich denke, da wird zu viel darüber geredet. Es ist nicht unsere Aufgabe, uns dazu zu äußern. Das Problem ist nicht neu in Nordhausen und wird gerade in dieser Jahreszeit immer wieder thematisiert. Wir müssen einfach mit den Bedingungen zurechtkommen.

Wie wichtig wäre für Wacker ein neues Stadion? Was erwarten Sie als Sportdirektor von den Verantwortlichen in der Stadt?

Ein Stadion wird nicht von heute auf morgen neu gebaut. Mein Wunsch ist es natürlich, mit dem Präsidenten, den Verantwortlichen, dem ganzen Verein diesem Ziel Schritt für Schritt näher zu kommen. Doch das ist ein langwieriger Prozess. Die Vereinsstruktur muss auch wachsen. In den letzten Jahren ist die sportliche Entwicklung sehr schnell gegangen und nun muss die Infrastruktur nachgezogen werden. Und wenn wir von der Regionalliga den nächsten Schritt gehen wollen, müssen wir alle Gegebenheiten verbessern, auch die im Stadion. Bis dahin müssen noch viele Gespräche geführt werden, auch mit den Verantwortlichen der Stadt.

Noch einmal: Wie wichtig ist ein neues, modernes Stadion im Hinblick auf die angestrebte Zukunft?

Für das, was wir vorhaben: sehr wichtig! Das Stadion ist ein großer Baustein, um die Entwicklung voran zu bringen. Gerade für die Jugendarbeit und -förderung und um gute Spieler her zu holen ist ein ansprechendes Umfeld mit klarer Struktur von großer Bedeutung.



Das Interview führte Olaf Schulze.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen