Seit
fünf Monaten ist der Ex-Nationalspieler, einstige Bundesligastar und
Deutsche Meister Maurizio Gaudino sportlicher Leiter des FSV Wacker
90 Nordhausen. Zeit für ein erstes Zwischenfazit.
Herr
Gaudino, wie haben Sie diese fünf Monate in Nordhausen erlebt? Und
wie weit sind in dieser Zeit die Realität und Ihre Erwartungen
auseinandergegangen?
Wenn
ich den sportlichen Aspekt ausblende empfinde ich es immer noch sehr
positiv in Nordhausen. Das ist eine kleine, liebenswerte Stadt mit
vielen netten Menschen, in der ich mich sehr wohl fühle. Wenn ich
aber meine mir gestellte Aufgabe hier betrachte, dann gestaltet sich
das leider schwieriger als erwartet.
Wie
fällt Ihr Fazit der laufenden Regionalliga-Saison bis zu diesem 15.
Spieltag aus?
Wir
haben von Anfang an gesagt, dass es schwer wird, einen Umbruch
einzuleiten. Mit 14-15 neu zu integrierenden Spielern ist es
natürlich nicht leicht und wir wussten, dass es seine Zeit dauern
würde. Wir werden mit Höhen und Tiefen leben müssen, um die
Strukturen zu schaffen, die irgendwann dazu führen, erfolgreich in
der Liga zu spielen.
Der
Saisonverlauf ist bisher aus Vereinssicht nicht gerade optimal. Was
sagen Sie Kritikern, die den mangelnden Erfolg des Teams beklagen?
In
den letzten Monaten hat es noch nicht zufriedenstellend geklappt. Da
kommen viele Faktoren zusammen, wie die Erkrankung des Präsidenten
und die frühzeitige Trennung vom Trainer. Natürlich wurde bisher
nicht das erreicht, was wir uns vorgestellt haben, aber wir haben
auch nie das Ziel ausgegeben in dieser Saison aufsteigen zu wollen.
Von der Spielerqualität her sind wir auf jeden Fall ein Spitzenteam,
aber wir sind noch keine richtige Mannschaft. Es ist uns noch nicht
gelungen, eine Einheit zu werden. Da nehme ich mich gar nicht aus und
es gilt sowohl für die Mannschaft als auch für die gesamte Arbeit
im Verein.
Speziell
die relativ große Anzahl neuer Spieler zu Saisonbeginn wird immer
wieder hinterfragt. Warum braucht Wacker 35 Vertragsspieler?
Es
geht ja nicht nur um die erste Mannschaft. Natürlich hat die
Priorität, aber wir müssen ja auch die U23 und die A-Jugend
entwickeln, so dass dort talentierte Spieler ausgebildet werden
können. Im Sommer hatten wir ganze vier Spieler für die zweite
Mannschaft und deshalb haben wir viele junge Spieler geholt, die den
Kader ergänzen. Außerdem brauchten wir die geforderten für
Deutschland spielberechtigte Jungs für den 18er Kader der
Regionalliga. So haben wir bspw. dafür gesorgt, dass die U23 jetzt
nicht dreimal in der Woche, sondern 6-7-mal trainiert. Wir befinden
uns in einem Prozess, der nicht in fünf Monaten abgeschlossen ist,
sondern über Jahre gehen wird.
Welchen
Stellenwert messen Sie bei der Entwicklung junger Spieler der U23
bei?
Einen
ganz großen Stellenwert. A-Jugend und U23 sollen um den Aufstieg
mitspielen.
Soll
die Truppe unter Philipp Seeland in die Oberliga geführt werden?
Ob
wir bei entsprechenden Ergebnissen die U23 aufsteigen lassen,
entscheiden wir erst am Ende der Saison. Das hängt auch mit der
Struktur für die kommende Spielzeit zusammen. Auf jeden Fall streben
wir aber den Aufstieg unserer A-Jugend an.
Präsident
Kleofas ist seit September erkrankt und kann momentan nicht auf
wichtige Entscheidungsprozesse einwirken. Wie viel Eigenverantwortung
können Sie als Sportlicher Leiter wahrnehmen?
Im
Hinblick auf diese bedauerliche Situation waren vielen von uns im
Verein die Hände gebunden. Auch ich konnte meine Funktion nicht zu
100 Prozent erfüllen. Das ist nun glücklicherweise wieder anders
und inzwischen arbeitet jeder in seinem Bereich mit klar abgegrenzten
Aufgaben und eigener Verantwortung. Das gilt speziell für die erste
Mannschaft, für die ich auf Wunsch immer zur Verfügung stehe. Ich
kümmere mich aber auch sehr viel um das ganze Drumherum.
Letztendlich werden die entscheidenden Gespräche dann wieder mit dem
Präsidenten zu führen sein, wenn er zurück ist.
Unter
Interimstrainer Piplica stabilisierte sich die Mannschaft wieder. Wie
sehen Sie die Zukunft des Coachs und schauen Sie sich auf dem Markt
nach einem neuen Cheftrainer um?
Ich
habe noch keine Gespräche geführt und werde das auch nicht tun, so
lange der Präsident krank ist. Und danach entscheiden wir, in welche
Richtung es gehen wird. Fakt ist, dass unser Trainerteam mindestens
bis zum 31.12. das absolute Vertrauen hat. In der Winterpause fällt
dann die Entscheidung, wie es weitergehen soll.
Wie
sieht Ihr Tagesablauf hier in Nordhausen aus?
Nach
wie vor telefoniere ich sehr viel. Ich bin bei den Trainingseinheiten
der Mannschaft und berate mich mit dem Trainerteam. Mindestens drei
Mal die Woche besuche ich das Training der U23. Ich tausche mich mit
den Nachwuchstrainern und den Spielern aus und versuche, die
angesprochene Struktur voranzutreiben und mir ein umfassendes Bild
der Gesamtsituation zu verschaffen. Eigentlich bin ich den ganzen Tag
im Stadion unterwegs, um weitere Maßnahmen treffen zu können.
Wird
der Verein im Winter Veränderungen im Kader vornehmen?
Mit
Sicherheit wird es Veränderungen geben. Der eine oder andere Spieler
wird auf uns zukommen und sagen, dass er nicht zufrieden ist. Darüber
müssen wir sprechen und dann entscheiden, ob wir uns trennen. Ich
bin allerdings kein Freund von Wintertransfers - das sind meist aus
der Not entstandene Transfers.
Aber
Sie haben schon jetzt eine konkrete Vorstellung, wie sich der Kader
in der nächsten Zeit verändern soll?
Ja,
auf jeden Fall.
Die
Teilnahme an der Relegation zur 3. Liga ist in weite Ferne gerückt.
Welche Ziele setzen Sie der Mannschaft jetzt?
Für
uns Verantwortliche stimmt das so nicht, denn die 3.Liga war keine
Zielvorgabe. Nahziele sind aber, eine gute Rückrunde mit einer
stabilisierten Mannschaft zu spielen und auf dem Platz eine intakte
Einheit zu bilden, um eine schlagkräftiger Truppe für die neue
Saison zu haben. Und eine ganz klare Aufgabe ist im Pokal: Halbfinale
- Finale - Pokal.
Derzeit
werden die schlechten Trainingsbedingungen im AKS wieder heiß
diskutiert. Welche Meinung vertreten Sie dazu?
Ich
denke, da wird zu viel darüber geredet. Es ist nicht unsere Aufgabe,
uns dazu zu äußern. Das Problem ist nicht neu in Nordhausen und
wird gerade in dieser Jahreszeit immer wieder thematisiert. Wir
müssen einfach mit den Bedingungen zurechtkommen.
Wie
wichtig wäre für Wacker ein neues Stadion? Was erwarten Sie als
Sportdirektor von den Verantwortlichen in der Stadt?
Ein
Stadion wird nicht von heute auf morgen neu gebaut. Mein Wunsch ist
es natürlich, mit dem Präsidenten, den Verantwortlichen, dem ganzen
Verein diesem Ziel Schritt für Schritt näher zu kommen. Doch das
ist ein langwieriger Prozess. Die Vereinsstruktur muss auch wachsen.
In den letzten Jahren ist die sportliche Entwicklung sehr schnell
gegangen und nun muss die Infrastruktur nachgezogen werden. Und wenn
wir von der Regionalliga den nächsten Schritt gehen wollen, müssen
wir alle Gegebenheiten verbessern, auch die im Stadion. Bis dahin
müssen noch viele Gespräche geführt werden, auch mit den
Verantwortlichen der Stadt.
Noch
einmal: Wie wichtig ist ein neues, modernes Stadion im Hinblick auf
die angestrebte Zukunft?
Für
das, was wir vorhaben: sehr wichtig! Das Stadion ist ein großer
Baustein, um die Entwicklung voran zu bringen. Gerade für die
Jugendarbeit und -förderung und um gute Spieler her zu holen ist ein
ansprechendes Umfeld mit klarer Struktur von großer Bedeutung.
Das Interview führte Olaf
Schulze.
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