Mittwoch, 9. November 2016

Ein intimer Blick hinter die Kulissen

Spanisches Flair im Theater Nordhausen trotzt dem deutschen Regen
von Ann-Kristin Reinke und Annelene Kruse
Einen ganz speziellen Einblick in seine Arbeit gewährte das Theater Nordhausen einer Gruppe Romanistik-Masterstudenten der Universität Göttingen, die im laufenden Semester die Gattung der Zarzuela erforschen. Die Studierenden besuchten eine Probe zu „Luisa Fernanda“ von Federico Moreno Torroba. „Luisa Fernanda“ ist eine berühmte, ja vielleicht die beliebteste Vertreterin der Zarzuela. Darunter versteht man eine eine spanische Form des Musiktheaters, die ähnlich der Operette gesprochenen Text und vom Orchester begleiteten Gesang und Tanz auf der Bühne vereint.
Nordhausen präsentiert hier eine absolute Neuheit. Erst vor kurzem wurde das Werk aus dem Spanischen übersetzt. „Trotz ihrer enormen Verbreitung und Bedeutung im spanischsprachigen Raum ist die Zarzuela im restlichen Europa
noch kaum angekommen“, erklärt als Spezialist für spanisches Theater Professor Tobias Brandenberger. Da die Gattung durch das Zusammenspiel all ihrer Komponenten begeistert, reicht die bloße Lektüre des spanischen Originaltextes für die Literaturwissenschaftler nicht aus. So steht dieses Semester auch Musik und dann vor allem der Besuch der Inszenierung auf dem Programm.
Der Probenbesuch war ein ganz besonderes Highlight: Sänger und Schauspieler aus nächster Nähe bei der Erarbeitung eines Stückes begleiten zu dürfen, ist nicht selbstverständlich. In Nordhausen empfingen der spanische Regisseur Alfonso Romero Mora und mit ihm ein junges international besetztes Ensemble die Studierenden.
Die konzentrierte und herzliche Arbeitsatmosphäre auf der Probebühne versetzte alle aus dem regnerischen Thüringen ins Madrid des Jahres 1868. „Luisa Fernanda“ bietet verschiedene Konfliktsituationen, die in dem Liebesdreieck zwischen Luisa Fernanda (Sabine Noack), Vidal Hernando (Manos Kia) und Javier Moreno (Angelos Samartzis) gipfeln. Angesichts der starken schauspielerischen Leistung und des großartigen Gesangs fiel es den studentischen Zuschauern schwer, Partei für einen der beiden Männer zu ergreifen. Sehr schnell wurde klar, wie stark die Sänger bereits in dieser frühen Probenphase – Premiere ist am 18. November – voll in die Gedanken- und Gefühlswelt ihrer Figuren eintauchen.
„Natürlich muss ich als Tenor sie bekommen!“, schmunzelte Angelos Samartzis im anschließenden Gespräch. Doch die Blicke, mit denen auch Vidal Luisa Fernanda streift, sprechen Bände: Er sucht ihre Nähe, umgarnt sie und gesteht ihr seine Liebe. Für wen wird sich Luisa Fernanda entscheiden?
Ob Happy End oder nicht, liegt sicherlich im Auge des Betrachters. Eins steht aber fest: „Luisa Fernanda“ wird in der deutschen Erstaufführung im Theater Nordhausen etwas ganz Besonderes. Denn obwohl die Besucher der Probe noch keine Kostüme und Tänzer sahen und sich die musikalische Begleitung auf ein Klavier beschränkte, überzeugt der kurze, aber intensive Einblick in das Stück vollauf. Umso mehr freuen die Studierenden sich jetzt auf die Aufführung im November. Sie wünschen allen Beteiligten „Mucha mierda!“, wie man es im Spanischen vor einer Premiere tut – und empfehlen dem Publikum, sich in die leidenschaftliche Welt der spanischen Zarzuela entführen zu lassen.

Foto: Regisseur Alfonso Romero Mora aus Madrid gewährte den Göttinger Studenten einen Einblick in die Arbeit an der Zarzuela „Luisa Fernanda“ am Theater Nordhausen

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